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Worms (ddp). Unmittelbar vor der Premiere der diesjährigen Nibelungenfestspiele am Samstag ist die Spannung in Worms greifbar: «Eigentlich fehlen uns noch zwei Wochen Probezeit», sagt Schauspieler André Eisermann nervös. Die Vorbereitungszeit von fünf Wochen sei doch sehr knapp gewesen - zumal für einen schweren Klassikstoff wie Friedrich Hebbels «Nibelungen».
In ihrer dritten Saison nehmen die Wormser Festspiele Maß am Original aller dramatischen Nibelungenverarbeitungen - und werden auch sonst erwachsen: Mit wankelmütigem Wetter und ausbleibenden Sponsoren sind nun auch die Wormser im Festspiel-Alltag angekommen.«Wir haben in diesem Jahr drei Probleme», sagt Neu-Intendant Dieter Wedel, der in den beiden Jahren zuvor Regie vor dem Wormser Dom führte: Olympia, Ferienzeit und unkalkulierbares Wetter. Dabei kann Wedel durchaus zufrieden mit dem Vorverkauf sein: Mit mittlerweile über 90 Prozent näherten sich die Festspiele der «Ausverkauft-Situation», ein «einmaliger» Erfolg, betont er. Die Einnahmen durch Sponsoren fielen dagegen schwächer aus als erwartet, räumt der Intendant ein: «Die Festspiele sind eben noch kein kultureller Leuchtturm, dazu ist es noch zu früh», fügt er hinzu. Vor allem im ersten Jahr hatten sich die Festspiele in der kleinen Stadt Worms ungeteilter bundesweiter Aufmerksamkeit erfreuen dürfen: Star-Regisseur Dieter Wedel lockte die Crème der deutschen Schauspieler und damit auch die bundesweite Presse an den Rhein. Nun ist die Euphorie über den Erfolg der ersten beiden Jahre dem Alltag gewichen, Wedel und die Wormser müssen beweisen, dass sie auch im alltäglichen Kampf der Festspiele etwas Besonderes bleiben.
Wedel setzt dabei auf Bewährtes: Großes Theater mit dem spannenden Nibelungen-Stoff, große Schauspiel-Namen, zu denen in diesem Jahr Joachim Król und Martin Lindemann neu hinzustießen, und eine großartige Kulisse am Originalschauplatz Wormser Dom. Dazu holte Wedel mit Karin Beier eine der profiliertesten deutschen Theaterregisseurinnen nach Worms. Dazu setzte Wedel für das dritte Jahr überraschend die klassischste aller Verarbeitungen des Nibelungenstoffs aufs Festspiel-Programm: Nach der mit reichlich Slapstick und teils filmischer Ästhetik inszenierten Neufassung von Moritz Rinke wird in diesem Jahr Friedrich Hebbels Trauerspiel «Die Nibelungen» gegeben. Das Mammutwerk aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sah die Geschichte der Nibelungen als apokalyptisches Drama von Untergang und Schuldverstrickung.
Der «düstere, gewaltige Hebbel, vor dem wir alle schon in der Schule etwas Angst hatten», sei durchaus ein «Risiko» für die Festspiele, gibt Wedel zu: Das in wortgewaltigen Versen geschriebene Werk könne auch Zuschauer abschrecken. Es könne aber «keine Nibelungenfestspiele geben, die sich nicht auch mit dem Klassiker auseinander setzen», unterstreicht der Intendant: «Jetzt messen sich die Nibelungen-Festspiele am Original.»
Klassischer, mehr dem traditionellen Theater verpflichtet, so beschreibt Eisermann - bereits im dritten Jahr als Giselher auf der Wormser Bühne - das neue Stück. Nach der Wiese vor dem Südportal in den beiden Vorjahren sei nun vor dem Nordportal eine richtige Theaterbühne entstanden. Auch seine eigene Figur, der Giselher, sei im Vergleich zum Rinke-Stück bei Hebbel «erwachsener», mehr dem politischen System und dem Streben nach dem Machterhalt unterworfen. Die Erwartung einer «Wende der Spiele zum Klassischen» sei aber falsch. Die Nibelungenspiele «bleiben ein Spektakel», betont der Schauspieler.
«Lebloses, langweiliges Deklamationstheater» soll den Zuschauern erspart bleiben, unterstreicht denn auch Wedel: Mit der Verkürzung des Werks von neuneinhalb auf drei Stunden sei ja praktisch ein neues Stück entstanden. Bei der Premiere am Samstag erwarte die Zuschauer «großes, spektakuläres, spannendes, dramatisches und sehr wirkungsvolles Theater». http://www.nibelungenfestspiele.de