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Zehnstündige «Wallenstein»-Premiere mit Brandauer

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Die zehnstündige Aufführung der «Wallenstein»-Trilogie von Friedrich Schiller mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle ist in der Nacht zum Sonntag in Berlin erst nach Mitternacht zu Ende gegangen.


Berlin (ddp-bln). Als nach 10 Stunden und 15 Minuten das Bühnenlicht endgültig erlischt, sind alle restlos erschöpft - Publikum, Schauspieler, Statisten. Nach einem kurzen Moment der Verzögerung brandet dann aber am frühen Sonntagmorgen stürmischer, nicht enden wollender Applaus auf. Es ist geschafft, die komplette «Wallenstein»-Trilogie von Friedrich Schiller mit einem großartigen Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle hat in Berlin ihre Premiere erlebt und wird gefeiert. Regie-Legende Peter Stein hat für sein Mammutprojekt gemeinsam mit dem Berliner Ensemble (BE) eine 1200 Zuschauer fassende Halle einer ehemaligen Brauerei im Berliner Problem-Stadtteil Neukölln ausgesucht.

Es war der Abend der großen, alternden Theatermänner: Allen voran der 63-jährige Brandauer als einst strahlender, jetzt nur noch zaudernder Heerführer Wallenstein, Jürgen Holtz als Buttler, den Chef des Dragonerregeiments und eiskalten Verräter, Peter Fitz als Octavio Piccolomini, den neuen Fürsten, und der 69-jährige Regisseur Stein, der sich selbst einen Traum erfüllte mit der Aufführung der kompletten Trilogie um die zentralen Fragen von Aufstieg und Fall der Macht.
Schon um 14.00 Uhr mussten die Zuschauer am Samstag ihre Plätze einnehmen für den Theatermarathon in Berlin, unter ihnen viele Prominente wie Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth, Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, aber auch Schauspieler wie Daniela Ziegler und Burghart Klaußner. Auffallend viele junge Leute hatten den Weg in die alte Brauerei gefunden, so auch MTV-Moderatorin und Schauspielerin Nora Tschirner. Insgesamt vier Pausen gönnten die Theatermacher ihrem Publikum, davon ein ausgedehnte für das Abendessen.

Schiller behandelt in seinem Drama den Niedergang des berühmten Feldherrn Wallenstein (1583-1634), Herzog von Friedland und Mecklenburg, Fürst von Sagan. Er war kaiserlicher Generalissimus zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1848) und kämpfte auf Seiten des Kaisers und der Katholischen Liga gegen die Protestantische Union. Wallenstein war erfolgreicher Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee, bis er begann, sich gegen seinen Kaiser Ferdinand II. aufzulehnen. Er wurde von kaisertreuen Offizieren getötet. Schiller hat sich frei an den realen historischen Ereignissen orientiert.
Das Werk spielt im Winter 1634 in der böhmischen Stadt Pilsen, wo sich Wallenstein zu jener Zeit mit seinen Truppen aufhält. Für die letzten beiden Aufzüge wechselt der Schauplatz nach Eger, da Wallenstein dorthin flieht. Schiller vollendete diese Trilogie 1799. Der Autor selbst hat seinen Helden Wallenstein äußerst kritisch gesehen: Er habe nichts Edles, scheine in keinem einzelnen Lebensakt groß, er habe wenig Würde, schrieb er in einem Brief. Und so zeichnet Brandauer diesen Wallenstein, der vielleicht ein Anti-Held ist, eigensinnig und zaudernd, fordernd und nicht in der Lage, dem Lauf der Tragödie eine positive Wende zu geben.
Regisseur Stein hatte für die EXPO 2000 in Hannover den kompletten «Faust» von Johann Wolfgang von Goethe, ungekürzt mit 12 110 Versen des ersten und zweiten Teils, als 21-Stunden-Marathon auf die Bühne gebracht. Damals wie heute unter den Zuschauern: Ex-Wirtschaftsboss Hilmar Kopper und Politiker-Witwe Brigitte Seebacher-Brandt sowie Grünen-Politikerin Antje Vollmer.

Stein wurde 1970 künstlerischer Leiter der Schaubühne in Berlin und machte das Haus zur ersten Adresse europäischen Theaters. Zum Ende der Spielzeit 1984/85 legte er sein Amt nieder.
Die mehr als 30 Schauspieler und 80 Statisten werden bis 7. Oktober immer an den Wochenenden samstags und sonntags für «Wallensteins Lager», «Die Piccolomini» und «Wallensteins Tod» auf der Bühne stehen. Insgesamt gibt es 30 Vorstellungen dieses bewegenden Stücks deutscher Theatergeschichte zu erleben.