Soziale Netzwerke im bürgerlichen Milieu des 19. Jahrhunderts funktionierten schlicht per Korrespondenz. Solche Briefe und andere Memorabilien wurden nicht weggeworfen, sondern aufbewahrt. Wie sonst könnte man erklären, dass der Nachlass von Renate Wirth (1920–2011), Musikpädagogin aus Frankfurt, Urenkelin des Violinisten Emanuel Wirth sowie des Harfenisten und Komponisten Franz Anton Stockhausen, erhalten blieb? Als Alleinerbin für diesen Fundus hatte Renate Wirth den Verein zur Förderung des Brahms-Instituts e.V. in Lübeck, deren Mitglied sie war, eingesetzt. Als wichtigste Objekte in den Schatzkästlein aus Frankfurt nannte Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Instituts, Notenbibliotheken, die Erkenntnisse über die Aufführungspraxis der Epoche geben können, sowie Repertoirelisten und Konzertprogramme des legendären Joachim Quartett, in dem Emanuel Wirth spielte und zugleich Assistent des Primarius Josef Joachim war, wiederum ein enger Freund von Johannes Brahms.
Von einzigartiger Bedeutung fürs Renommee des Brahms-Instituts, dem der Wirth-Nachlass nun anvertraut ist, ist ein originaler Brief, den Ludwig van Beethoven mit persönlichem Siegel an Franz Anton Stockhausen, Vater des Sängers und Brahms-Freundes Julius Stockhausen, im Juli 1823 nach Paris schickte. Dieser Brief konnte bisher nicht verifiziert werden und galt deshalb als verschollen. Auf knapp drei Seiten erörtert Beethoven darin seine Bemühungen um Subskribenten für die Aufführung seiner „Missa Solemnis“ und bittet Franz Anton Stockhausen um Unterstützung. Allein der Marktwert dieses Briefes wird auf über 100.000 Euro taxiert. Um die Aufgaben der Katalogisierung, Archivierung und Untersuchungen des Wirth-Nachlasses erfüllen zu können, ist nun finanzielle Förderung durch Stiftungen notwendig.