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Wem nützt die gemeinnützige Theater-GmbH?

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Der Intendant des Deutschen Nationaltheaters, Stephan Märki, über sein „Weimarer Modell“
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Ende Februar lehnte der Weimarer Stadtrat die vom Land Thüringen vorgeschlagene Fusion des Deutschen Nationaltheaters (DNT) in Weimar mit der Bühne der Landeshauptstadt Erfurt ab. Angenommen wurde dagegen ein Arbeitsauftrag, bis zum 1. Mai alle Unterlagen zusammenzutragen, die zur Gründung einer eigenen Theater-GmbH nötig sind. Dann wird ein von DNT-Generalintendant Stephan Märki vorge- stelltes Konzept neben anderen geprüft werden. Märkis Modell einer gemeinnützigen GmbH könnte richtungsweisend für andere Häuser in Deutschland werden. Der Weimarer Generalintendant ist gebürtiger Schweizer und gehört zu den Mitbegründern des Münchner team-Theaters. Direkt nach der Wende ging er nach Potsdam ans Staatstheater, vor zwei Jahren löste er Günther Beelitz in Weimar ab. Einen Tag nach dem Beschluss des Weimarer Stadtrates sprach nmz-Redakteur Andreas Kolb mit Märki über sein Modell.

Ende Februar lehnte der Weimarer Stadtrat die vom Land Thüringen vorgeschlagene Fusion des Deutschen Nationaltheaters (DNT) in Weimar mit der Bühne der Landeshauptstadt Erfurt ab. Angenommen wurde dagegen ein Arbeitsauftrag, bis zum 1. Mai alle Unterlagen zusammenzutragen, die zur Gründung einer eigenen Theater-GmbH nötig sind. Dann wird ein von DNT-Generalintendant Stephan Märki vorge- stelltes Konzept neben anderen geprüft werden. Märkis Modell einer gemeinnützigen GmbH könnte richtungsweisend für andere Häuser in Deutschland werden. Der Weimarer Generalintendant ist gebürtiger Schweizer und gehört zu den Mitbegründern des Münchner team-Theaters. Direkt nach der Wende ging er nach Potsdam ans Staatstheater, vor zwei Jahren löste er Günther Beelitz in Weimar ab. Einen Tag nach dem Beschluss des Weimarer Stadtrates sprach nmz-Redakteur Andreas Kolb mit Märki über sein Modell.neue musikzeitung: Ihr Kampf gegen eine Fusion des Deutschen Nationaltheaters in Weimer mit der Erfurter Bühne löste ein großes Echo bei Bürgern, Politikern und Medien aus. Wie sieht Ihre Alternative aus?
Stephan Märki: Es ist im Grunde noch eine Vision, denn wenn es ein Modell wäre, müsste es schon ausgearbeitet vorliegen. Wir lehnen uns an an die Umwandlung des Berliner Ensembles in eine GmbH. Wir setzen da an, wo das eigentliche Problem der städtischen und staatlichen Theater entsteht. Nämlich Bund, Städte und Gemeinden handeln Tarifverträge mit der ÖTV, heute ver.di, aus, die eigentlich für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst gelten und brauchbar sind, nur nicht für Theater und Orchester. : Wenn die öffentliche Hand nicht mehr in dem Maße wie bisher sich für Kultur zuständig fühlt, dann empfehlen Sie den Stadt- und Staatstheatern die Privatisierung?
: Natürlich können die Theater nicht ohne die öffentliche Zuwendung leben. Nur dadurch, dass Kultur als freiwillige Leistung der Kommunen gilt, kommt sie immer zuletzt. Nehmen Sie Berlin als Beispiel: die Stadt ist faktisch bankrott. Die können die Tarifsteigerungen im keinem Bereich mehr zahlen, was dazu führt, dass immer mehr Leute entlassen werden, um die Tarifauswüchse derjenigen zu bezahlen, die noch Arbeit haben. Die meisten Theater sind schon bis auf das Gerippe so abgemagert, dass da nichts mehr zu holen ist. Jetzt setzt der Deutsche Bühnenverein an und empfiehlt den Städten immer mehr Fusionen. Dabei sind Fusionen geradezu die Zementierung der bestehenden Strukturprobleme und geradezu kontraproduktiv für das Wesen eines Theaters. Denn es sind ja keine Benzingesellschaften, die da fusionieren, wo es egal ist, aus welcher Säule das Benzin kommt, sondern das Wesen eines Stadttheaters ist eine unverwechselbare kulturelle Identität für seine Stadt. : Sie haben starke Unterstützung vonseiten der Stadt und ihrer Bürger für ihr Modell bekommen...
: Ja enorm. Ich bin geradezu nach Weimar geflohen, weil ich dachte, das ist der Ort, wo Theater oder Kultur zuletzt infrage gestellt werden. Das DNT ist ja nicht nur der Symbolort der deutschen Geschichte oder der Kulturgeschichte, es ist ja auch der Lebensnerv dieser Stadt. : Sie spielen jetzt auf die Weimarer Theatergeschichte an?
: Schiller, Goethe, Wagner, Liszt... Die Mehrheit der deutschen Literatur sowohl im Sprech- wie auch im Musiktheater ist in Weimar entstanden und uraufgeführt worden. Dies führt auch dazu, dass 70 Prozent der Zuschauer dieses Theaters von außerhalb kommen. Die Stadt hat dreimal mehr Zuschauer als Einwohner über das Jahr gesehen und das Theater ist durch und durch erfolgreich. Also es gibt keinen objektiven Grund, dieses Theater infrage zu stellen. Vor zehn Jahren hat man Erfurt zur Hauptstadt gemacht und seither zieht es die ganzen Ressourcen ab. : …und zwingt Sie zu handeln...
: Das DNT muss aus dem Automatismus der Tarifsteigerungen aussteigen können. Im Prinzip muss ich eine andere Rechtsform finden, die nicht a priori städtisch oder staatlich ist. Das kann eben eine gemeinnützige GmbH sein oder eine Stiftung. : Wollen Sie tatsächlich aus dem Bühnenverein „aussteigen“?
: Nicht-Wiedereinsteigen, so muss man es sagen. Die Stadt kann ja im Bühnenverein bleiben, nur die Gesellschaft tritt dann nicht wieder bei. Nun heißt das nicht zwangsläufig, dass man keine Gewerkschaften mehr hat. Anstatt der sechs Tarifverträge, die in einem Mehrsparten-Haus existieren mit unzähligen Zusatzbestimmungen möchte ich versuchen, einen einheitlichen Tarifvertrag für ein Theater zu bekommen für alle Beschäftigten, der die speziellen Arbeitsbedingungen an einem Theater regelt – und nicht automatisch auch die des Friedhofgärtners.

Die Chancen stehen gut

: Stehen denn die Ensemblemitglieder und die Angestellten des Theaters hinter Ihren Plänen?
: In der Regel gibt niemand gerne Privilegien ab und die großen Kollektive wie Orchester und Chöre erst recht nicht. Nur in diesem Fall stehen die Chancen gut, da ich eineinhalb Jahre vehement gegen dieses Fusionsmodell mit konventionellen Mitteln gekämpft habe, und trotzdem die Landesregierung das durchdrücken wollte. Die Alternative dazu heißt einfach 150 bis 200 Arbeitsplätze weg von 400 – und das Theater ist kaputt.
Da aber keine einzige andere Alternative zugelassen wurde von der Landesregierung, aber immer wieder gesagt wurde, es gibt nicht mehr Geld, aber auch nicht weniger, ist das die einzig sinnvolle Alternative, die die Arbeitsplätz und die Kunst erhält. : Durch was genau wollen Sie die Kunst erhalten?
: Die GmbH als solche löst das Problem noch nicht, sondern verändert die Voraussetzungen. Die Situation in Weimar ist einfach günstig. Zum Beispiel ist das Betriebsklima zwischen Leitung und Personalrat durch ein ausgesprochen konstruktives Miteinander gekennzeichnet. Dann gibt es dieses Drohpotenzial vonseiten der thüringischen Landesregierung. In Weimar bekommt man ziemlich schnell die Verantwortlichen an einen Tisch, denn es ist eine kleine Stadt. Es gibt eine gewisse mediale Begleitung für die Sache. Man kämpft zwar im Prinzip für eine gute Sache, aber gegen eine gigantische Lobby der Besitzstandswahrung, nämlich gegen die Verhandlungsmonopole des Bühnenvereins und auch der Gewerkschaften. Wobei ich sagen muss, dass die Gewerkschaften bisher wesentlich gesprächsbereiter waren als der Bühnenverein – paradoxerweise. : Sehen Sie in der Umwandlung des städtischen Theaters in eine GmbH nicht die Gefahr des Ausverkaufs der Kunst? Bleibt nicht die Moderne, das Experiment, die Uraufführungen auf der Strecke?
: Ich strebe eine gemeinnützige GmbH an, das ist ganz wichtig. Mit Ausverkauf hat das nichts zu tun. Das bedeutet auch nicht Entlassung der öffentlichen Hand aus der Verantwortung. Das muss man ganz klar sagen. Vielleicht ein Stück mehr Eigenverantwortung. Jetzt haben wir wirklich die Chance, erstmals eigene Arbeitsbedingungen festzuschreiben, die dem Theateralltag entsprechen. Wenn das nicht gehen sollte, kann man auch Betriebsvereinbarungen mit dem Personalrat, der dann Betriebsrat heißt, abschließen. Das übergeordnete Ziel ist natürlich mehr Kunst für das gleiche Geld.
Im Moment ist es umgekehrt: Um die Tarifsteigerung zu zahlen, nimmt man immer mehr von der Kunst weg, für den großen technischen und Verwaltungsapparat. : Kultusministerin Dagmar Schipanski hat bereits angekündigt, dass es nicht mehr Geld geben wird als bisher, wenn Weimar bei dieser Anti-Fusions-Entscheidung bleibt.
: Wir müssen mit dem bestehenden Geld zumindest die nächsten fünf, sechs Jahre auskommen. : Wann wird denn ihr Haus umstrukturiert sein?
: Der Finanzierungsvertrag läuft Ende 2003 aus, spätestens da muss es stehen. : Wird das funktionieren?
: Es ist auf jeden Fall eine Alternative. Und zwar eine, in der wir aktiv Handelnde sind und nicht passiv Klagende.

Kunst ist Aufbruch

: Wir reden mehr über Subventionen und Tarife als über Visionen. Was sagen die Theaterleute, die Musiker, die Regisseure zu Ihren Ideen.
: Das Wesen der Kunst ist der Aufbruch. Das heißt sobald sie in gewohnte Bahnen gerät, sobald sie Sätze hören wie „Wir haben das immer schon so gemacht.“ „Wir wissen, wie es geht“, – stirbt die Kunst. Das hat auch was mit den eben angesprochenen Strukturen zu tun. Die meisten erfolgreichen Produktionen, das werden Ihnen alle Regisseure und Intendanten sagen, muss man in der Regel gegen die Sachzwänge des eigenen Hauses durchsetzen.
Ich will wirklich nicht den Rückzug der öffentlichen Hand aus der Kultur. Für mich ist Kultur das einzige Überlebenspotenzial, das eine Gesellschaft überhaupt hat. Nur es hat keinen Sinn, dass man immer wegschaut. Die meisten öffentlichen Haushalte können sich Kultur wie bisher nicht mehr leisten. Die Strukturreform müsste bei der Verwaltung beginnen, das ist klar. Auch die thüringische Verwaltung ist völlig aufgebläht. Aber die kommen natürlich nicht auf die Idee, die Verwaltung von Erfurt und Weimar zusammenzulegen, sondern das Unmöglichste, nämlich die Theater. : In Ihrer Rede vor dem Weimarer Stadtrat haben Sie die Vision geäußert, ihr Modell wäre auch für ganz Deutschland vorbildlich.
: Wenn das funktioniert, wird das natürlich sehr viele Nachahmer finden. Einfach übertragbar ist es nicht, weil es wirklich ein individuelles Klima braucht. Wenn zu viele sagen, wir gehen da nicht mit, dann gelingt das nicht, dann haben wir nicht die Effizienz, die wir brauchen. : Haben Sie keine Angst, dass Sie sich als Theater-GmbH zu sehr nach dem Publikumsgeschmack richten müssen?
: Die öffentlichen Theater stehen stets in dem nicht zu schließenden Spagat, dass die Politiker immer höhere Auslastungszahlen fordern, aber auf der anderen Seite nicht ins Theater gehen, sondern Zeitung lesen. Dort wird – Ausnahmen bestätigen die Regel – meist ein Minderheitenprogramm belobigt. Was ich versuche, ist mehr Freiraum für die Kunst zu bekommen. Das hat mit der künstlerischen Ausrichtung des Intendanten zu tun. Ich zum Beispiel fahre nie den Mittelweg, das ist immer der Tod. Das Programmangebot gewichte ich etwa 70 zu 30. Mit 70 Prozent holt man sein Publikum – was ja auch eine Liebeserklärung ans Publikum ist – 30 Prozent setze ich für die Avantgarde ein. Gerade in Weimar mit seinem Traditionsbewusstsein darf man nicht traditionell sein. Weimar ist der ideale Ort, lebendig mit unserer überlieferten Kultur, unserer Vergangenheit umzugehen.

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