Darf eine Kommune Geld aus privater Hand annehmen, um einen städtischen Musik-Angestellten, sei er Konzertmeister, Dirigent oder Opernintendant, für eine Stadt zu gewinnen oder ihn zu halten? Eine heftige Diskussion entbrannte darüber im Haus eines bedeutenden Kölner Kunstförderers.
Darf eine Kommune Geld aus privater Hand annehmen, um einen städtischen Musik-Angestellten, sei er Konzertmeister, Dirigent oder Opernintendant, für eine Stadt zu gewinnen oder ihn zu halten? Eine heftige Diskussion entbrannte darüber im Haus eines bedeutenden Kölner Kunstförderers.Der Mann, den ein Sponsor der MusikTriennale Köln und ich für einen wichtigen musikalischen Posten in der Stadt forderten, sei zu teuer, hielt uns ein kommunaler Politiker vor und deshalb sei es Unsinn, diesen Künstler für die Stadt haben zu wollen. Wir unterbreiteten sehr ernsthaft den Vorschlag, dass wir durch Sponsoren für die Differenz zwischen der geforderten Summe und dem Budget der Stadt aufkommen und diese vertraglich absichern würden, weil wir von der Qualität und den damit verbundenen Perspektiven überzeugt waren. Kurz und heftig war der Widerspruch des Politikers: Niemals! Soweit dürfe die Stadt nie sinken, dass sie privates Geld annehmen dürfte um Gehälter zu bezahlen. Dann müsse eben auf Spitzenleistungen verzichtet werden. Wer die Großen der Branche erleben wolle, müsse eben nach München oder Berlin reisen.Die Zeit ist nicht leicht für ambitionierte Musik in Deutschland und doch könnten sich in einer offenen, vorurteilsfreien Diskussion Modelle erörtern lassen, die Spielräume vergrößern oder, wenn die Mittel knapper werden, zumindest erhalten könnten. Im Weg stehen diesem ebenso notwendigen wie schwierigen Diskurs Vorbehalte auf allen Seiten und leider gelingt es bislang nur selten, ebenso selbstbewusste wie selbstkritische Gesprächspartner an einen Tisch zu bringen. Dabei sehe ich in der Chronologie die Integration der potenziellen Sponsoren als den letzten Schritt.
Es ist mir deutlich, dass man sich in der erforderlichen Analyse dieses Sachverhaltes in die Nesseln setzen kann: die Künstler und deren Sachwalter, die auf den entsprechenden Positionen in Opern- und Konzerthäusern, Orchestermanagements und auch den Lehrbetrieben sitzen, werden zu Teilen ebenso wenig erbaut sein über eine selbstkritische Reflektion wie viele Politiker und Verwaltungsmitarbeiter in Städten und Ländern. Doch gerade in der Kunst sollte Reibung neue Kreativität und neuen Schwung für die Zukunft ermöglichen.
Für mich bestehen die folgenden Fragen: haben diejenigen, die unmittelbar auf der Seite der Musik stehen, sich nach bestem Wissen bemüht, alle bestehenden Aspekte zur Ermöglichung von Musik auf dem bestmöglichen Niveau auszuloten, haben sie auf dieser Grundlage das bestmögliche Konzept erstellt und dieses Konzept mit bestmöglicher Überzeugung und Konsequenz verfolgt? Und haben sich diejenigen, denen ein solches Konzept vorgestellt wurde, nach bestem Gewissen und im Bewusstsein ihrer Verantwortung an der Reflexion, gegebenenfalls Verbesserung, Förderung und Umsetzung beteiligt? Leider kommt häufig ein Nein an einer der entscheidenden Stellen. Mancher Ansatz wird nicht aus Gründen fehlender Plausibilität, sondern auf Grund von Sachzwängen, grundsätzlichen Erwägungen, die mit der Sache gar nichts zu tun haben, Eitelkeiten oder einfach mangelndem Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen nicht ernsthaft verfolgt. Das heißt, dass die kompetente Auseinandersetzung zu häufig nicht wirklich stattfindet.
Dabei sehe ich die Verantwortlichen des Gemeinwohls durchaus in einer grundsätzlich bedeutenderen Rolle: Die Politiker müssen definieren, welche Bandbreite und welche Qualität die musikalischen Aktivitäten haben sollen, die in unserem unmittelbareren Umfeld herrschen müssen; Limits, die nicht unterschritten werden dürfen, müssen festgeschrieben werden. Sie müssen die Musikarbeiter ermutigen, neue Ideen zu entwickeln. Eine Umkehr dieses Prinzips, erst auf die Finanzen und dann auf die bestehenden Möglichkeiten zu schauen, bedeutet fast immer und zwangsläufig eine Minderung des möglichen Niveaus. Dies betrifft sowohl die finanzielle Ausstattung, wie die personellen Entscheidungen für die zentralen Positionen.
Ich möchte für den positiven Fall zwei Beispiele aus Köln nennen: Auf der Grundlage einer ambitionierten städtischen Definition, was an musikalischer Qualität und Breite gewollt war und aus der Kompetenz und Willenskraft der handelnden Personen konnten die Kölner Philharmonie und das Gürzenich Orchester Köln in den Neunzigerjahren eine einmalige Erfolgsgeschichte schreiben, die letztlich auch auf das Engste mit privatwirtschaftlicher Förderung einherging.
Bei der Kölner Philharmonie gipfelte dies in den drei Ausgaben des Festivals „MusikTriennale Köln“, die 1994, 1997 und im Jahr 2000 stattfand. Franz Xaver Ohnesorg hatte dieses Fest zur Musik des 20. Jahrhunderts erfunden und zum Erfolg geführt: die weltbesten Künstler kamen nach Köln und fanden ein begeistertes Publikum auch für teilweise schwierige Programme – und zu finanzieren war dies nur durch ein erhebliches Sponsorenaufkommen. Von den jeweils zirka 15 Millionen Mark Etat der Festivals konnten lediglich zehn Prozent durch die Stadt Köln aufgebracht werden, ein Mehrfaches leistete die private Wirtschaft, insgesamt weit mehr als zwölf Millionen Mark für die drei Festivals konnten akquiriert werden.
Und auch für das Gürzenich Or-chester ließen sich Sponsormittel beschaffen um herausragende Projekte zu fördern, die ohne diese privatwirtschaftliche Förderung nicht hätten realisiert werden können. Bei einem Gesamtetat von knapp über 25 Millionen Mark stehen dem Orchester seit zehn Jahren lediglich 1,4 Millionen Mark für Gastdirigenten und Solisten zur Verfügung, Mittel für CD-Aufnahmen und Tourneen gibt es im Etat nicht. Die künstlerischen Erfolge, die das Gürzenich Orchester unter der Leitung des auch international gefeierten Generalmusikdirektors James Conlon erreichte, öffneten allerdings diese ansonsten so raren Chancen. Insgesamt 1,5 Millionen Mark wandten daher Sponsoren auf, um die mittlerweile 15 veröffentlichten und aufgenommenen CDs und vielfältige Tourneen in Europa und Südamerika zu ermöglichen – ohne Sponsoring wäre keine CD erschienen, einige der Tourneen hätten abgesagt werden müssen.
Dass sich hier, in Anknüpfung an die eingangs beschriebene Diskussion, noch viele weitere Fördermöglichkeiten ergeben, liegt auf der Hand, auch wenn an der städtischen Verantwortung für die ambitionierte Zukunft dieses Klangkörpers kein Zweifel herrschen sollte: ob für einen hochkarätigen Nachfolger für Conlon, der Köln nach über zehnjähriger erfolgreicher Tätigkeit verlässt oder für die Finanzierung einzelner Orchesterpositionen – wenn die Stadt, was sich nun auch abzeichnet, ihr Orchester auf hohem Niveau halten will, werden sich hierfür auch Sponsoren finden.
Beide Fälle mögen als Beispiel dienen: im einen Fall machten die Sponsoren durch ihr Engagement ein großes musikalisches Ereignis erst möglich, im anderen Fall ergänzten Sponsoren das kommunale Engagement in der Spitze und präsentierten stolz ein Flaggschiff der städtischen Kultur. Dass die privaten Investoren darauf bedacht waren, auch selbst entsprechend wahrgenommen zu werden, ist legitim und erfordert maßgeschneiderte Konzepte für die jeweiligen Interessen. Der gemeinsame Erfolg war allen beteiligten Partnern unverzichtbar und schuf eine starke Interessensgemeinschaft.
Ganz anders verhält es sich mit dem letzten Beispiel aus Köln, das aber leider allgemeinere Gültigkeit hat: der Rheinischen Musikschule. In dieser Schule werden 3.800 Schüler unterrichtet, mehr als 5.000 Unterrichte gegeben – dennoch stehen mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche auf der Warteliste, wurden zirka 50 Prozent der Lehrstellen in den letzten zehn Jahren aus budgetären Gründen gestrichen. Rund 7,5 Millionen Mark ist der Stadt Köln die musikalische Grundausbildung wert, 63.000 Mark schießt das Land zu, 3,4 Millionen Mark bezahlen die Eltern an Beiträgen.
Hier gibt Sponsoring nur in einzel-nen Projekten Sinn, die Schule braucht dringend berechenbare und planbare Mittel. Allenfalls die kalkulierbaren Zinserträge einer Stiftung könnten hier Abhilfe schaffen – oder aber die Einsicht der Politik. Eine breit angelegte musikalische Ausbildung ist kein Luxus, den man sich nach Wahl leisten sollte und die ohnehin leidige Diskussion um die Balance zwischen sozialen und kulturellen Aufwendungen ist an dieser Stelle besonders absurd. Wie andernorts hat die Rheinische Musikschule in Köln eine erhebliche Bedeutung für die allgemeine Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in einem Gemeinwesen und ist damit eine der elementaren Säulen. Die Zukunft einer solchen Institution der erfolgreichen Sponsoren-Akquisition zu überlassen ist deshalb nicht verantwortbar. Hier sind die Politiker, die in den obigen Fällen Anerkennung verdient haben, gefordert, Engagement und Kreativität in der Sicherung der Schule zu leisten. Auch neue Modelle sind zu diskutieren: könnte zum Beispiel ein der Musikschule gehörendes Gelände durch einen Investor erschlossen und bewirtschaftet werden? Ein bewährtes System: die New Yorker Carnegie Hall zieht aus solchen Geschäften beträchtliche jährliche Einnahmen für die Musik.
Ambitionierte Musik braucht ambitionierte Förderer und Förderung. Ob Künstler, Institutsleiter, Politiker und letztlich die Menschen einer Region – alle gemeinsam entscheiden, welchen Status und welche Qualität die Musik einer Region haben kann. Stimmt die Attraktivität, dann bleiben auch die Sponsoren nicht aus. Denn ungeachtet der für diese Fälle immer noch wenig förderlichen deutschen Steuergesetzgebung nehmen die Unternehmen in Deutschland ihre Rolle als – neben Subventionen und Erlösen aus dem Verkauf von Eintrittskarten – dritte bedeutende Kraft in der Finanzierung von musikalischen Ereignissen immer mehr und immer selbstverständlicher an.