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„Schüler komponieren“ wird international

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Das „Soundscapes European Composition Project“ des Mendelssohn Kammerorchesters Leipzig
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Initiativen, die Schüler an Neue Musik heranführen sollen, sind an deutschen Schulen mehr und mehr zu finden. Die Unvoreingenommenheit von Kindern und Jugendlichen macht es Pädagogen, Komponisten und Musikern leicht, das vermeintlich sperrige Genre zu vermitteln. Die meisten solcher Projekte versuchen, an Zeitgenössisches heranzuführen, Neue Musik begreiflich zu machen. Dass Schüler die Möglichkeit erhalten, selbst Musik zu erschaffen und die Kompositionen durch ein Profi-Orchester in der Öffentlichkeit präsentiert zu wissen, bildet da eher die Ausnahme.

Eine dieser Initiativen besteht seit fast vier Jahren in Leipzig. Das Mendelssohn-Kammerorchester und sein künstlerischer Leiter Gregor Novak arbeiten seit 2004 mit zwei Leipziger Gymnasien in Sachen Neue Musik zusammen.

Unter der Anleitung des Komponisten und Musikpädagogen Steffen Reinhold begann die Arbeit mit zwölf Schülerinnen und Schülern des Leipziger Max-Klinger-Gymnasiums, die im Verlauf eines Schuljahres erfuhren, dass es Musik auch nach Bartók und Schönberg gibt. Hören, Analysieren und Improvisieren waren Bestandteile des Kurses und bildeten die Grundlage für eine eigene Komposition, die immerhin 41 Partiturseiten aufweisen konnte.

Im Jahr darauf, Steffen Reinhold wurde inzwischen Musiklehrer an der Thomasschule zu Leipzig, haben sich Thomasschüler des Grundkurses 11 und des Leistungskurses 12 an Reinhold gewandt, um das Projekt fortzusetzen. Wieder war Hören, Improvisieren und Analysieren angesagt. Zudem sollte eine Reise zu den Donaueschinger Musiktagen den Schülern einen Einblick in neueste Entwicklungen der zeitgenössischen Musik geben. Im März 2007 konnte das Mendelssohn Kammerorchester das mehrsätzige Werk der drei jungen Komponisten, das Stadtansichten von Oskar Kokoschka in musikalische Formen und Farben übersetzte, im Kleinen Saal des Gewandhauses und in der Thomasschule öffentlich vorstellen. Bereits einen Monat später, im April 2007, bereiteten Steffen Reinhold und Gregor Novak das nächste Werkstattprojekt vor. Und diesmal sollte es über die Grenzen Leipzigs und Deutschlands hinausgehen. Unter dem Motto „Soundscapes European Composition Project“ sollten sich neben der Thomasschule nun auch Schüler der Glanshammars skola Örebro und des Rahn-Gymnasiums im Stift Neuzelle am Projekt beteiligen. Jonas Asplund war Mentor der drei fünfzehnjährigen schwedischen Schülerinnen und Sebastian Elikowski-Winkler betreute die sechs vierzehnjährigen Schülerinnen und Schüler aus Neuzelle. Die jungen Komponisten besuchten während des Vorbereitungsjahres Konzerte, sie trafen sich mit Komponisten und Musikern, beschäftigten sich mit Instrumentarium, Spieltechniken und Notation und setzten schließlich ihre eigenen Ideen für das Orchester um. Teile des Projektes wurden in den obligatorischen Musikunterricht integriert, sodass auch andere Schüler davon partizipieren konnten.

Der Höhepunkt des Projektes war ein dreitägiges Treffen der Kompositions-Schüler aller drei Schulen Ende Mai 2008 in Leipzig. Hier wurden Erfahrungen und Gedanken ausgetauscht, die Moderation der bevorstehenden Konzerte in einem Workshop vorbereitet und mit dem Dirigenten Gunnar Harms sowie dem Mendelssohn Kammerorchester gearbeitet. Für die Schüler, die ihre Werke erstmals vom Orchester interpretiert hörten, war das ein besonderes Erlebnis.

Mit Spannung und Lampenfieber erwarteten die jungen Komponisten die Uraufführung ihrer Werke am 28. Mai im Gewandhaus zu Leipzig. Im Auditorium saß ein gleichaltriges Publikum, denn das Konzert fand im Rahmen der Leipziger Schülerkonzerte statt. Hinzu kam die „Fangemeinde“ aus Stift Neuzelle und der Leipziger Thomasschule.

Die Schüler des Stift Neuzelle ließen sich von den Weiten der Oderwiesen, vom Sonnenauf- und -untergang inspirieren. Unbefangen und mit Leichtigkeit setzten die Vierzehnjährigen ihre Eindrücke in Musik um. Ebenso wollten die drei Schülerinnen aus Örebro schwedische Landschaften im Wechsel der Jahreszeiten musikalisch beschreiben. Mit dem Herbst beginnend, verloren sie aber ihren Weg. Kleine Skalen und die Improvisation über das traditionelle schwedische Adventsfest „Lucia“ gingen in einen Kanon über, der schließlich wieder beim anfänglichen Herbstmotiv ankam. Folgerichtig nannten die drei ihre Komposition dann auch „Det vilsna året – Das Jahr verliert seinen Weg“.

Wie sehr sich ein zweijähriger Altersunterschied bei Jugendlichen bemerkbar macht, verdeutlichte die Komposition „Soundscapes 1–6“ der siebzehnjährigen Thomasschüler. Auch die musikalische Vorbildung – alle erhielten frühzeitig Instrumental- oder Gesangsunterricht – beeinflusste die Qualität des Werkes. Die sechs Schüler reihten ihre Kompositionen durch ein gemeinsames Motiv zyklisch aneinander. Aleatorik wurde eingesetzt und spieltechnische Möglichkeiten einzelner Instrumente ausgereizt. Als Folge davon wirkte der Zyklus dann doch etwas akademisch und ohne die Leichtigkeit der beiden anderen Kompositionen.

Die Schlüsseltugend der musikalischen Bildung heißt Nachhaltigkeit. Das Werkstattprojekt „Schüler komponieren“ sollte jetzt in das Curriculum des Forum Thomanum fest integriert werden. Das im Aufbau befindliche musikalische Bildungszentrum rund um den Thomanerchor und die Thomasschule hat sich zur Aufgabe gemacht, heranwachsende Kinder vom Kindergarten- bis zum Erwachsenenalter musikalisch zu begleiten, Kreativität zu fördern und für Weltoffenheit zu sensibilisieren. Neue Musik und Projekte wie die des Mendelssohn Kammerorchesters Leipzig gehören da auf jeden Fall dazu.

www.mko-leipzig.de
www.steffenreinhold.de

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