Vor einiger Zeit war in einer großen deutschen Wochenzeitung der Bericht über eine junge Frau zu lesen, die, taub geboren, dank eines Implantats mit 32 Jahren zum ersten Mal hören konnte. Die Erfahrungen, die sie dabei machte, sind so existentiell, dass sie vielleicht gerade auch für uns, die wir selbstverständlich hören, wertvoll sind, weil sie die Einzigartigkeit und Wichtigkeit dieses Sinnes bewusst machen. Da alle Dinge, Löffel, Tasse, Tür und jede Taste auf dem Labtop nur dem Hörenden beim Berühren akustisch Antwort geben, hängt vom Hören zu einem guten Teil die Einbindung des Menschen in die Welt ab: „Hören ist eine Daseinsbestätigung für eine Person. Seit ich höre, begreife ich, dass früher die Selbstmordrate bei Spätertaubten zehnmal größer war als bei Späterblindeten: Der Ertaubte war von der Welt abgeschnitten“. Bei aller Verunsicherung, die zuweilen von neuer Musik ausgehen mag, vermittelt auch sie dem Hellhörigen die Erkenntnis: Ich höre, also bin ich.
Die ganze Welt der Neuen Musik ist dieses Jahr in der Schweiz zu Gast. Vom 3. bis 12. November bieten die IGNM-Weltmusiktage unter dem Motto „Trans-it“ zahlreiche Uraufführungen, Konzerte, Events und Informations-Veranstaltungen quer durch das Land, davon einige sinnigerweise an Bahnhöfen und in Zügen zwischen Basel und Lugano, Zürich und Genf, Winterthur und Lausanne. Weniger im Hinblick auf Hochgeschwindigkeitszüge denn hinsichtlich neusachlicher Motorik und virtuoser Tastengeläufigkeit veranstaltet der WDR Köln unter dem Motto „Tempo“ vom 12. bis 14. November ein „Musik der Zeit“-Wochenende mit Uraufführungen von vier Werken Conlon Nancarrows sowie neuen Stücken von Andreas Dohmen, Markus Hechtle, Gérand Pesson und Paul Usher. Das Festival Wien Modern schließlich bietet vom 28. Oktober bis 30. November neben Schwerpunkten auf Musik von John Cage und Olga Neuwirth, Uraufführungen von Mark Applebaum, Bálint Bolcsó, Christopher Fox, Reinhard Fuchs, Thomas Heinisch, Klaus K. Hübler, Fausto Romitelli, Peter Ruzicka, Jorge Sanchez-Chiong, Wolfram Schurig, Judith Varga und Jennifer Walsh.
Weitere Uraufführungen
6.11.: Misato Mochizuki, Ima, koko, Auditorium Reinier III Monaco
7.11.: Hans-Joachim Hespos, Frame, Total Music Meeting Berlin
14.11.: Virtú Maragno, Arturo Pantaléon, Anna Rubin, Gabriel Soto, neue Werke, Nikodemuskirche, Berlin-Neukölln
27.11.: David Sawer, Mirrow Sword Jewel für zwei Klaviere, Huddersfield Contemporary Music Festival
Eberhard Streul/Jürgen Weissner, Aschenputtel oder Rossini kocht eine Oper, Musiktheater Gelsenkirchen
29./30.11.: Andrea Agostani, Emanuele Casale, Hans W. Koch, Harald Muenz, Fausto Romitelli, Nicola Sani, Valerio Sannicandro, Chao-Ming Tung, Ricardo Vaglini, neue Werke, Italienisches Kulturinstitut Köln