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Body Percussion mit dem türkischen Ensemble KeKeCa. Foto: Katharina Herkommer
Body Percussion mit dem türkischen Ensemble KeKeCa. Foto: Katharina Herkommer
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Auf dem Weg zur gesellschaftlichen Inklusion

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30 Jahre „Berufsbegleitender Lehrgang Instrumentalspiel mit Behinderten an Musikschulen“ (BLIMBAM)
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Zu Beginn der 1980er-Jahre war die Behauptung, Kinder und Jugendliche mit Behinderung könnten ein Instrument erlernen, in vieler Hinsicht noch Avantgarde. Was Eltern und Musikpädagogen aber auch damals schon wussten: Mit den richtigen Methoden machen Kinder mit Behinderung selbstverständlich Fortschritte im Instrumentalspiel.

Der Modellversuch „Instrumentalspiel mit Behinderten und von Behinderung Bedrohten“, initiiert und durchgeführt von Werner Probst, belegt dann in den Jahren von 1979 bis 1983 die musikalischen und instrumentalen Fortschritte dieser Kinder. Der Modellversuch macht aber auch deutlich, dass viele der Lehrerinnen und Lehrer an Musikschulen eine zusätzliche und berufsbegleitende Ausbildung für die Arbeit mit Kindern mit Behinderung brauchen. Deshalb begründet Werner Probst 1981 einen Kurs der beruflichen Weiterbildung für Musikschullehrer mit dem lautmalerischen Titel „BLIMBAM“ – Berufsbegleitender Lehrgang Instrumentalspiel mit Behinderten an Musikschulen. Der Verband deutscher Musikschulen unterstützt den Lehrgang seither – wie auch generell den Musikunterricht für Menschen mit Behinderung. Unter dem Stichwort MUSIK INTEGRATIV sind auf der Homepage des VdM alle diesbezüglichen Informationen und Aktivitäten zu finden.

Die Akademie Remscheid, Heimat für BLIMBAM von Anfang an, war Ende Januar auch Schauplatz des Festes zum 30-jährigen Jubiläum. Rückblick und Ausblick machten deutlich, was in den vergangenen 30 Jahren aus dem geworden ist, was Werner Probst angestoßen hat. Heute gibt es 6.700 Kinder und Jugendliche mit Behinderung, die an Musikschulen im ganzen Bundesgebiet unterrichtet werden; 1981 waren es 400. Es gibt einen Fachausschuss „Behinderte an Musikschulen“ im VdM, der die Arbeit ständig weiterentwickelt. Kein Musikschulkongress geht mehr ohne Forum und Auftritt von integrativen Musikgruppen. DIS, FIS und HIS sind das Dortmunder, Fürther und Hannoveraner Integrative Soundfestival. Der 30. BLIMBAM-Kurs hat 30 Teilnehmer – so viele wie noch nie.

Die gesellschaftliche Richtung stimmt: Mit dem Sozialgesetzbuch IX von 2001 haben Menschen mit Behinderung das Recht auf kulturelle Teilhabe, mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen von 2009 das Recht auf Inklusion in ihre jeweilige Gesellschaft. Inklusion, die selbstverständliche Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, macht sich freilich nicht von selbst. Auch Inklusion ist, um mit Karl Valentin zu sprechen, schön, macht aber viel Arbeit.

Die Musikschule leistet hier einen wichtigen Beitrag: Sie vermittelt der Gesellschaft ein neues Bild vom Menschen mit Behinderung, das Bild eines kompetenten und musikliebenden Menschen. An der Realisierung dieses Bildes arbeiten die jetzigen Kursleiter von BLIMBAM, Claudia Schmidt und Robert Wagner, selbst mit größtem Engagement. Claudia Schmidt leitet an der Musikschule Bochum die inklusive Bigband „just fun“, und Robert Wagner, Leiter der Musikschule Fürth, hat mit „Max Einfach“ ein Lernsystem entwickelt, das kleine und große Gruppen mit Kindern unterschiedlicher Lernvoraussetzungen eigenständig und ohne Dirigat spielen lässt. Die Professionalisierung schreitet in vieler Hinsicht voran: Nicht nur 400 Lehrkräfte an Musikschulen sind für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung gerüstet. Auch Jugendliche mit Behinderung werden mittlerweile zu Musikern ausgebildet. Das Pilotprojekt „Berufung Musiker“ an der Musikschule Fürth gibt begabten jungen Erwachsenen mit Behinderung die Gelegenheit zu einer für sie konzipierten musikalischen Ausbildung. „Vollgas“ heißt die Gruppe von acht jugendlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dambacher Werkstätten, die für drei Vormittage in der Woche zur Musikschule Fürth kommen und systematisch in Harmonielehre und Instrumentalspiel ausgebildet werden. Das Ziel: Zumindest einen Teil des Lebensunterhaltes mit Auftritten zusammen mit anderen Musikern und Bands zu bestreiten (www.die-musikschulgang­.de/projekt.html).

„Vollgas“ war dann auch das musikalische Highlight des BLIMBAM-Jubiläums. Zusammen mit Bläsern der Gnibbom KA aus Fürth brachte die inklusive Band auch das gesetztere Publikum zum Tanzen. BLIMBAM war und ist Avantgarde in Sachen musikalisch-kulturelle Teilhabe. Zentrale Aspekte sind und bleiben bis auf Weiteres der Abschied vom Behindertenbonus und der Weg in Richtung Ausbildung und Professionalisierung. BLIMBAM – weiter so!

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