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Aus dem Sax-Winkel

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Ein monophones Instrument wie das Saxophon muss nicht unbedingt im Vordergrund sein, sondern kann auch aus einem bestimmten Winkel zu einer Gruppe eine zugeordnete Funktion haben.

In diesem Sinne übernehmen Arild Andersen (Bass), Paolo Vinaccia (Drums) und Tommy Smith (Tenorsax) „In-House Science“ (ECM 2594) – der Titel meint auch den Aufnahmeort, die Villa „Pythagoras Kepler System“, Rothstein – gleichberechtigt und situativ angepasst führende und begleitende Rollen. Beginnend mit einem moderaten Flageolett-Ostinato und punktuellem Swing im 3er-Metrum fädelt sich „Mira“ die elegisch-rauchige Saxstimme ein, nur um bald dem Bass den Vortritt zu lassen. Solch intensivste Interaktivität, auch in der Dynamik und Dramaturgie, kennzeichnet wohl einzig dieses Trio.

Nahe dran ist Josephine Davies (Sopran- und Tenorsax), denn sie strebt mit Dave Whitford (Bass) und Paul Clarvis (Drums) nach „Satori“ (Whirlwind 4700) – erleuchteter Gegenwart. In flexiblen oder gar schwebenden Rhythmen parliert sie in nasalen Orient-Sounds, kontemplativen Garbarek-Elegien oder drängender Passion, wobei ihre Partner auf organischen Zusammenhalt achten.

Anders ist das Konzept beim Trio Laccasax, das „In Music At Home“ (GLM FM 239-2) Kontrapunktik bevorzugt, und zwar, indem Andrey Lakisov entweder langsame Kantilenen gegen die Klavier-Arpeggien von Timofey Sattarov setzt oder umgekehrt dessen Modulationen expressivo aufreizt. Ziemlich unabhängig von, aber doch im Kontakt mit ihnen setzt Bernd Gesell eigene (solistische) Bass-Akzente in dezenten Klangfarben.

Beeinflusst von klassischer Moderne (Hanns Eisler u.a.), enthalten die Kompositionen von Katrin Scherer manchmal, so der Bandname, Cluster (Green Deer Music 10), die sich durch verhakelte Jazzrock- oder Marsch-Motive zeigen können. Mit Moritz Wesp (Posaune) stellt Katrin Scherer (Alt- und Baritonsax) ihre kühl-rationalen Themen oft in Dialogen vor, lyrisch versus impulsiv und ähnliche Dialogmuster verwendend. Motorische Minimalistik und fragmentierte Rhythmen von Stefan Schönegg (Bass) und Leif Berger (Drums) geben diesen robusten und manchmal filigranen Lineaturen Richtung und Balance.

Als Pendant dazu kann man „Fire“ (Jazzline 77050) hören, denn Dave Liebman (Tenor- und Sopransax, Flöten), Jack DeJohnette (Drums), Dave Holland (Bass) und Kenny Werner (Klavier), wahrlich eine Allstarband, suchen noch einmal die Herausforderung spontaner Intuition. Ihre Version des Free Jazz in Altersreife sprießt aus geduldigem Zuhören, wodurch kollektive Klangfresken durch anscheinend gelassene Kreativität entstehen. Nicht die Flammen der Vergangenheit lodern hier noch einmal auf, sondern aus Erfahrung wird die Glut angenehmer Wärme geschürt.

Ebenso folgt diesem Prinzip das Ralf Frohnhöfer Jazz Ensemble: Referenzen zu den Cool-Jazz-Modellen von Gil Evans und und seiner Adeptin Maria Schneider hat der Tenorsaxophonist mit Entlehnungen aus klassischer Musik als „Blaupunkt“ (Rodenstein 061) verbunden, sodass sein Samt-Sound perfekt zu „Maria’s Lament“ passt und zugleich diskret an den „Dies irae“ (Tag des Zorns) erinnert. Diskrete Sentiments fügen sich in geschliffenen Arrangements und solistische Episoden zu einem eigenwilligen Porträt der vitalen Metropole New York aus europäischer Perspektive. ¢

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