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Capitol Records. Wie Amerikas Musik Europa eroberte“ (Voodoo-Verlag)
Capitol Records. Wie Amerikas Musik Europa eroberte“ (Voodoo-Verlag)
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Capitol Records oder Hooray for Hollywood

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Rüdiger Bloemekes Buch über die legendäre Plattenfirma
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Vor 80 Jahren wurde eine Plattenfirma gegründet, die eng mit Hollywood verbunden war: Capitol Records. Ein Label, das nach dem Krieg in Deutschland zuerst von Telefunken-Platte vertrieben wurde. Und so als erstes Label nach der Nazi-Zeit den „Eingeborenen von Trizonesien“ wieder amerikanische Musik näher brachte, wie Rüdiger Bloemeke in seinem Buch erzählt. Bloemeke, Jahrgang 1945, wuchs im Sendebereich des amerikanischen AFN und des englischen BFN auf. Die beiden Sender haben den Soundtrack seiner Jugend geprägt, zwischen jazzigen Schlagern und Rock‘n‘Roll. Im Laufe der Zeit hat er sich zum Spezialisten für die deutschen Plattenlabels entwickelt, die den Sound seiner Jugend nach Deutschland gebracht haben. Neben Bettina Greves toller Polydor-Geschichte („Sternenhimmel“) gehört Bloemekes „Teldec-Story“ zu den Klassikern der deutschen Labelgeschichten. Und so war es Zeit, endlich auch die Capitol-Geschichte nachzuliefern, die in Deutschland so eng mit der Teldec verbunden war: „Capitol Records. Wie Amerikas Musik Europa eroberte“ (Voodoo-Verlag).

„Capitol Records“ war bei der Gründung 1942 ein Kind Hollywoods. Es war ein Triumvirat: Der Songtexter und Komponist Johnny Mercer, der Paramount-Produzent Buddy DeSylva und Glenn Wallichs, Besitzer des größten Musikalien- und Plattenladens in den USA („Music City“) saßen in Los Angeles kurz nach Pearl Harbour an der Wiege von Capitol. Einer Firma, die in den 1940er- und 50er-Jahren mit Johnny Mercer, Peggy Lee, Nat King Cole und natürlich Frank Sinatra die amerikanische Popgeschichte prägen sollte. In den Sixties bot sie Heimat für den genialen Brian Wilson und seine Beach Boys – und natürlich in den USA durch die EMI-Verbindung auch für The Beatles, die man bekanntlich erst widerwillig vertrieb. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ursprünglich sollte ihre Firma Liberty Records heißen. Aber der Name war bereits vergeben. Ginger Mercer gab dem Baby einen neuen Namen: Capitol Records. Und Wallichs hat sofort das berühmte Logo entwickelt: eine Abbildung des Capitols in Washington, gesäumt von vier Sternen. Johnny Mercer sorgte als Sänger für die ers­ten Hits: „Strip Polka“, „Ac-Cent-Tchu-Ate The Positive“ oder „Personality“. Bald gesellten sich Nat King Cole und Peggy Lee dazu. Und es entstanden Klassiker des jazzigen Popgesangs, die heute, fast acht Jahrzehnte nach Entstehung, immer noch „frisch“ klingen. Auch wenn Mercer fünf Jahre nach der Gründung von Capitol das Label als „Chef“ verließ, als erfolgreicher Interpret blieb er der Firma erhalten. In seiner Capitol-Zeit hatte Johnny Mercer zusammen mit Harold Arlen am laufenden Band Klassiker des Great American Songbook geschrieben, die später Frank Sinatra bei Capitol ver­edeln sollte: „Blues In The Night“ oder „One For My Baby“. Alles Filmsongs, die das Repertoire von Capitol bis in die späten 50er hinein geprägt haben. Und Songs wie Nat King Coles „Mona Lisa“ oder Tex Ritters „High Noon“ entwickelten sich dann auch jenseits der Leinwand zu Evergreens. Apropos „High Noon“. In seiner akribischen Chronik des Labels, das in Deutschland seit 1949 von Telefunken vertrieben wurde, erfährt man auch dass „High Noon“ mit Tex Ritter 1952 ursprünglich nicht veröffentlicht wurde. Nur in einer Instrumentalversion mit dem späteren Frank-Sinatra-Arrangeur Billy May war der „Oscar“-Song hierzulande zum Filmstart erschienen. Andere europäische Lizenznehmer von Telefunken-Capitol in der Schweiz oder Dänemark waren da mutiger. In Deutschland jedenfalls machten Frankie Laine und Bruce Low das Hitparadenrennen. Telefunken ist es auch zu verdanken, dass „Stan Kenton und sein Orchester aus Hollywood“ 1953 in dem deutschen Revuefilm „Schlagerparade“ aufgetaucht sind. Flankiert von einem „Spiegel“-Cover: „Klang der gläsernen Stadt“.

Auftritt Frank Sinatra: Als 1952 der Vertrag mit „Columbia Records“ ausgelaufen war, begann Frankieboy ein „zweites Leben“ bei Capitol und im Kino. Seine Rolle als Angelo Maggio in Fred Zinnemanns „Verdammt in alle Ewigkeit“ hatte ihm einen „Oscar“ als „Bester Nebendarsteller“ eingebracht. Und nun begann seine Arbeit mit dem genialen Arrangeur Nelson Riddle. Es entstanden Alben für die Ewigkeit: „In The Wee Small Hours“, „Songs For Swingin‘ Lovers“, „Close To You“ und „Only The Lonely“. Während „Der Spiegel“ damals „In The Wee Small Hours“ nicht wahrnahm, schrieb „Die Schallplatte“: „Man muss zu schwärmen beginnen, hemmungslos und hingerissen von der Kunst, mit der hier Wort und Musik dargeboten werden.“

Nicht vergessen sollte man, dass auf Capitol auch Miles Davis’ „Birth Of The Cool“ erschien. Bloemeke hört in dem Sound einen „Gegenentwurf“ zum deutschen Alltag der 50er-Jahre. Er hätte es den „süchtigen Idioten“ erleichtert, dem „Weltbild ihrer Eltern den Rücken zu kehren.“ Sein Fazit: „Der Klang von Jazz und Pop wirkte durch die Projektion der eigenen Wünsche auf die Musik als Anstoß für erhoffte Veränderungen in der Gesellschaft. Der Anteil, den Capitol Records daran hatte, ist nicht zu unterschätzen.“ Ein treffendes Fazit, das zu dieser „Labor of Love“ passt.

 

 

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