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Peter Michael Hamel: „Vom spielenden Gelingen“. Klavierstücke zum Improvisieren. Anregungen, Beispiele, Empfehlungen, Fortspinnungen. 3 Bände (Buch 1, Buch 2, Buch 3), Verlag Neue Musik Berlin NM 2656/ 2657/2658
Peter Michael Hamel: „Vom spielenden Gelingen“. Klavierstücke zum Improvisieren. Anregungen, Beispiele, Empfehlungen, Fortspinnungen. 3 Bände (Buch 1, Buch 2, Buch 3), Verlag Neue Musik Berlin NM 2656/ 2657/2658
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Den Händen beim Improvisieren zusehen

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Für Unterricht und Selbststudium: Peter Michael Hamels Zyklus „Vom spielenden Gelingen“
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„Vom spielenden Gelingen“: Der Titel der drei von Peter Michael Hamel vorgelegten Notenbände klingt zugleich verheißungsvoll und modisch. Schließlich haben „spielerische“, möglichst niedrigschwellige und mühelose Zugänge zu Musik und zum Musizieren seit einigen Jahren Hochkonjunktur. Doch bereits ein Blick in die kurze Einführung zeigt: Dem Komponisten geht es nicht um ambitionsloses Herumspielen. Er lässt zunächst den Schweizer Kulturphilosophen Jean Gebser zu Wort kommen. Spielendes, also ungezwungenes und müheloses „Gelingen“ ist demnach eine voraussetzungsreiche Angelegenheit, deren Basis: unablässig übende Mühe. Das improvisationspädagogische Konzept, das Peter Michael Hamel in wenigen Worten als „Gebrauchsanweisung“ entwirft, setzt diesen Gedanken konsequent um.

Die drei Hefte enthalten insgesamt 25 Klavierstücke, die sich einfach als ansprechende Klavierliteratur spielen lassen. In erster Linie sollen sie aber zum eigenen Gestalten, Variieren und Fortentwickeln herausfordern – ähnlich dem Ansatz, nach dem Hamels Mentor Carl Orff vor Jahrzehnten sein  „Schulwerk“ für Kinder konzipierte. Am Ende steht das Ziel freier Improvisation ohne Bindung an das Notenmaterial. So sind die Kompositionen auch als „Baukasten“ musikalischer Elemente und syntaktischer Möglichkeiten zu verstehen, mit deren Hilfe sich das eigene Repertoire vergrößern lässt – eine wesentliche Voraussetzung für künstlerisches Improvisieren im Sinne Hamels: eines „Findens“ als zielgerichtetes Agieren in einem Raum von Möglichkeiten. Spieltechnische Erfordernisse wie das längere Durchhalten repetitiver Strukturen und die Unabhängigkeit beider Hände werden quasi nebenbei trainiert: „übende Mühe“ als Voraussetzung für ein „Spielenlassen“, bei dem man den Händen zusehen kann, wie sie „von selbst improvisieren“. Die Faktur der Stücke – einerseits patternbasiert, andererseits an der Idee einer vokalen, atmenden Gestaltung orientiert – verführt schon bei der Prima-Vista-Lektüre zum selbständigen Fortspinnen, Üben, Nachsinnen über eine mögliche Weiterführung, Vergleichen der eigenen Ideen mit denen des Komponisten, zum spielerischen Weiterimprovisieren: Finger und Geist sind schon nach ein paar gespielten Takten zu autonomem Handeln eingeladen.

Protypisch vorgestellt sei das Stück „Vom spielenden Gelingen“ aus der Mitte des zweiten Bandes: Zu Beginn werden die lang ausgehaltenen Töne h und a als Ausgangsmaterial vorgestellt. Aus ihnen formt sich, stets im leisen Bereich des dynamischen Spektrums, ein ebenso minimalistisches wie energiereiches 3+3+2+2+2-Pattern. Durch additive Fortspinnung kommen nach und nach neue Töne und Klangschichten hinzu, beginnend mit jeweils nur einem Ton, dann taktweise einen weiteren Ton hinzunehmend, bis zur Vervollständigung zur sich wiederholenden Achtelkette, die als Ostinato den weiteren Verlauf des Stücks prägt. Aus einer behutsam offengelegten musikalischen Quelle entspringt so nach und nach ein sprudelnder Fluss, der später zur Begleitung für ein Thema im tiefen Register wird. Hinuntergleitende Quarten mit phrygischen Anklängen und das Metrum erinnern entfernt an spanische Musik. Das Thema wandert in höhere Oktaven, zu glockenartigen Quartenstapeln erweitert. Gegen Ende des Stückes wird das Prinzip der schrittweisen Erweiterung rückläufig angewandt, bis von der anfänglichen Achtelkette nur noch ein (Schluss-)Ton übrigbleibt. Allzu erwartbaren formalen Abläufen wird kunstvoll aus dem Weg gegangen: Zwar baut sich das Stück zur Mitte hin auf, doch geht die Dynamik bereits vor Erreichen des vermeintlichen Höhepunkts wieder zurück, ohne das Forte erreicht zu haben. Das Ganze wirkt filigran und unprätentiös, der Notentext geradezu asketisch – das Stück kommt ausschließlich mit weißen Tasten aus.

Fazit: Peter Michael Hamel hat hier eine Sammlung von Klavierstücken vorgelegt, die tatsächlich vom ersten Ausprobieren an zum Improvisieren und Experimentieren verführen. Empfehlenswert  für Klavierunterricht mit Fortgeschrittenen ebenso wie für „klassisch“ geschulte Pianistinnen und Pianisten, die sich im Selbststudium Grundlagen künstlerischer Improvisation aneignen wollen.

  • Peter Michael Hamel: „Vom spielenden Gelingen“. Klavierstücke zum Improvisieren. Anregungen, Beispiele, Empfehlungen, Fortspinnungen. 3 Bände (Buch 1, Buch 2, Buch 3), Verlag Neue Musik Berlin NM 2656/ 2657/2658

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