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Der Klaviersommer bleibt, die Jazzbiennnale kommt

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Ein Festival bekommt den Blues – so titelte eine Münchener Tageszeitung als bekannt wurde, daß sich die Stadt München nicht länger an den Kosten für den Klaviersommer, das größte Jazzfestival in Bayerns Hauptstadt, beteiligen will. Nun ist der Jazz ohne den Blues nicht zu denken, sagte sich Konzertveranstalter Manfred Frei und eröffnete trotzig die 19. Ausgabe des von Friedrich Gulda 1981 mitbegründeten Traditionsfestivals, das einmal ein Vorreiter in Sachen Klassik meets Jazz und vice versa war. Profillosigkeit und Kommerzialität – Attribute, die dem Münchner Jazzfest seit Jahren anhängen, 1999 trafen sie nicht zu. Natürlich gab es Auftritte zugkräftiger Namen wie Al Jarreau, Martial Solal oder Chick Corea (das Konzert mit Oscar Peterson mußte mangels städtischer Subventionen ausfallen). Darüber hinaus boten aber gerade die weniger populären Ensembles Jazz erster Güte. Bei der Auswahl von Bandleadern wie Mike Mainieri, Maria Joao, Branford Marsalis, Marc Ribot oder Benny Green standen selbstverständlich nicht allein kommerzielle Aspekte im Vordergrund. Dasselbe galt auch für die herausragenden Solo-Klavierabende von Joachim Kühn oder Terry Riley. Erfreulich, daß die meisten Konzerte von einem zahlreichen Publikum fachkundig und mit Begeisterung mitverfolgt wurden. Daß das Festival überhaupt realisiert werden konnte, war nur Dank der Initiative von Innegrit Volkhardt vom Hotel Bayerischer Hof möglich. Seit acht Jahren bereits ist sie Mitveranstalter des Klaviersommers und bereichert zudem mit einer gut gemachten Jazz-Konzertreihe im Night Club das Münchener Jazzleben. Sie stellte dem Festival kurzfristig den Festsaal des Hotels mit 800 Plätzen (alternativ 2.000 Stehplätze) zur Verfügung. Die Notlösung hatte einen positiven Nebeneffekt: So kam der Klaviersommer, der bisher immer über die ganze Stadt verteilt stattfand, endlich zu einem festen Spielort. Der nächste Klaviersommer wird bereits angedacht: Im Jahr 2000, so Veranstalter Frei, gibt es gleich mehrere Anlässe, um programmatisch über den Jazz und seine Wirkungsgeschichte nachzudenken: Das Jahrtausend endet, ein neues beginnt, Jazzmusik ist etwas mehr als 100 Jahre alt, und der Klaviersommer kann 20jähriges Jubiläum feiern. Auch wenn es nach dem überraschenden Rückzug aus der Verantwortung für den Klaviersommer nicht so scheinen mochte: Münchens Kulturreferent Julian Nida-Rümelin, will dem Jazz in der Isarmetropole nicht an den Lebensnerv, sondern ihm neues Leben einhauchen. Die Stadt ist mitten in einer Jazz-Planungs-Offensive. Im Milleniumsjahr soll im Juni ein neues Jazzfestival Premiere feiern, mit Fortsetzung in biennalem Rhythmus. Das Kulturzentrum Einstein diente bereits als Laboratorium für das geplante Jazz-Projekt: Hier gelang die Verknüpfung von E- und U-Musik schlüssiger als in vielen Jahren Klaviersommer (siehe auch nmz 10/98 und 4/99). Es bleiben Fragen: Wird das neue Festival diesselbe überregionale Bedeutung erlangen wie das altbewährte? Graben sich zwei Veranstaltungen in dichter zeitlicher Folge nicht gegenseitig das Wasser ab? Zudem ist die internationale Konkurrenz der großen Jazz-Festivals stärker denn je – und in vielen Mittelstädten und Urlaubsregionen profilieren sich Kommunalpolitiker mit Festivals, die ein beachtliches Staraufgebot vorweisen können. Vielleicht unnötige Befürchtungen, denn zu unterschiedlich sind die ästhetischen Positionen der Veranstalter, zu verschieden ihre Absichten. Wir Jazzhörer aber freuen uns zunächst einmal über das Mehr an Jazz, das uns in München in Zukunft geboten wird. Denn ohne neue Festivals hat insbesondere der neue europäische Jazz wenig Chancen gegen das amerikanische „Original“.

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