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Bayernhymne in Moll: Beim Münchner Protestmarsch der Lehrbeauftragten bläst Martin Kraemer den Verantwortlichen den Marsch. Foto: Juan Martin Koch
Bayernhymne in Moll: Beim Münchner Protestmarsch der Lehrbeauftragten bläst Martin Kraemer den Verantwortlichen den Marsch. Foto: Juan Martin Koch
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Der Staat als zynischer Arbeitgeber

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Lehrbeauftragte brauchen Solidarität und hochschulpolitische Lösungen · Von Juan Martin Koch
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Es war schon ein ganz beachtlicher Marsch, der da den Verantwortlichen geblasen wurde: Etwa 130 Protestierende, darunter einige Trommler und ein Trompeter, zogen Mitte November von der Münchner Musikhochschule, vorbei am Haus der Kunst, zur Staatskanzlei. Die Musik-Lehrbeauftragten an bayerischen Hochschulen und Universitäten hatten zur Demonstration aufgerufen, wobei diese den Auftakt zu einem zweiwöchigen Streik bilden sollte.

Beim Begriff „Streik“ sind wir allerdings schon mittendrin im betrüblichen Thema. An der Nürnberger Universität wurden die Verantwortlichen von der Verwaltung angewiesen, das Wort von ihren Aushängen zu entfernen, entsprechende Plakate wurden abgehängt. Die Begründung: Keine Gewerkschaft hatte zum Streik aufgerufen. Entsprechend konnte die überwiegende Mehrzahl der Dozenten mangels Mitgliedschaft in einer gewerkschaftlichen Interessenvertretung also nicht mehr tun, als Stunden unvergütet ausfallen zu lassen. Dass viele davon dann wohl später nachgeholt würden, war von vornherein klar, was der Aktion einiges an Schlagkraft nahm.

Weitere Indizien für den noch ausbaufähigen Organisationsgrad der bayerischen Lehrbeauftragten (die allerdings auch eine sehr heterogene Gruppe darstellen): die etwas ungelenk vorformulierten Protestschreiben, die Studierende nach dem Ausfall einer Stunde an das Wissenschaftsministerium hätten schicken sollen – die Zahl eingegangener Briefe lag laut Pressestelle gegen Ende der Aktion im einstelligen Bereich – und die Tatsache, dass zunächst ein Marsch zum Landtag geplant war. So mussten sich die Organisatoren vor der Staatskanzlei von Oppositionsabgeordneten dann auch erklären lassen, dass dessen Wissenschaftsausschuss eigentlich der richtige Adressat für den Protest gewesen wäre. Dort hatte schon im Juli ein Fachgespräch zum Thema stattgefunden.

Dennoch ist es beachtlich, was die Initiatoren einschließlich einer Online-Petition auf dem Portal avaaz.org auf die Beine gestellt haben, und kurz nach der Münchner Demo kam es im Landtagsausschuss auf der Basis eines Eilantrags immerhin zu einem kleinen Kompromiss: Die Staatsregierung wurde aufgefordert, eine Angleichung an die deutlich höheren Honorare der „Lehrbeauftragten für besondere Aufgaben“ zu prüfen und entsprechende Mittel im Nachtragshaushalt für 2018 einzustellen. Außerdem stellte Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle ein Gespräch mit den Beteiligten im Dezember in Aussicht.

Um mehr für die Lehrbeauftragten, auch für die an den Unis, zu erreichen und endlich nachhaltig etwas an der chronischen Unterfinanzierung der musikalischen Ausbildung zu ändern, bedürfte es freilich einer viel größeren, sicht- und hörbaren Solidarität an den Häusern. Es war bezeichnend, dass bei der Münchner Demo kaum Studierende oder Professoren mitmarschierten. Wenn eine Musikhochschule zwei Wochen lang wirklich stillstünde, bis auf eine weithin hörbare Protestklangaktion vielleicht – das wäre eine starkes Signal.

Ein weiteres wäre es, wenn sich in Sachen „dritter Studienzyklus“ an deutschen Musikhochschulen endlich etwas Substanzielles täte. Seit der Bologna-Reform ist davon die Rede und die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen hat das Thema in den vergangenen Jahren immer wieder ins Spiel gebracht. Die naheliegende Idee: Analog zu Qualifizierungsstellen an den Universitäten müsste es auch an Musikhochschulen die Möglichkeit geben, Studierende über ihren Abschluss hinaus ans Haus zu binden, wo sie sich auf befristeten Stellen, zum Beispiel in Projekten der pädagogischen oder der künstlerischen Forschung (siehe hierzu auch das beiliegende Hochschulmagazin), als denkende Interpreten und innovative Musikpädagogen weiterentwickeln und natürlich auch Lehraufgaben übernehmen könnten. Der übrige, nicht durch Professuren abgedeckte dauerhafte Lehrbedarf müsste dann durch feste, sozialversicherungspflichtige Anstellungen aufrecht erhalten werden. Für speziellen, zeitlich befristeten Bedarf könnte ein ordentlich bezahlter Lehrauftrag dann gerne die Ausnahme sein.

Eine solche Lösung auf lange Sicht bringt den unter der momentanen Situation Leidenden natürlich erst einmal nichts. (Siehe hierzu auch den ausführlichen Artikel von Gabriele Puffer auf den Seiten des Verbands Bayerischer Schulmusiker 32 und 33) Weiterhin werden sie miserabel bezahlt, laufen Gefahr, in der Altersarmut zu enden, sind in den Hochschulgremien häufig nicht hinreichend mitspracheberechtigt und müssen sich in Bayern neuerdings auch noch Fragebögen der Verwaltungen gefallen lassen. Die Lehrbeauftragten sollen darin bestätigen, dass sie nicht mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Höchstzahl an Lehrstunden erteilen und nicht an verschiedenen Hochschulen gleichzeitig unterrichten. In Würzburg müssen die Betroffenen außerdem bestätigen, dass sie auf das Lehrauftragshonorar wirtschaftlich nicht angewiesen sind. Hintergrund sind Änderungen im Verwaltungsvollzug der entsprechenden Vorschriften, bei denen sich die Hochschulen auf Vorgaben des Bayerischen Obersten Rechnungshofs berufen.

Zynischer geht’s kaum: Auf Kosten der Betroffenen sollen diejenigen juristisch reingewaschen werden, die jahrzehntelang von der stillschweigend geduldeten Ausbeutung profitiert haben. Stetiger Protest gegen diese beschämenden Zustände tut Not, bundesweit.

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