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Mit Alice Merton und ihrem Album „Mint“ wird es jetzt mal frischer.
Mit Alice Merton und ihrem Album „Mint“ wird es jetzt mal frischer.
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Die Alten müssen erst mal ran

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Neuerscheinungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Von alten und neuen Hasen: Sharon van Etten, Alice Merton, Herbert Grönemeyer, Papa Roach, Thunder.

Neues Jahr, alte Hasen. Thunder zum Beispiel. Hard Rock wie eh und je. Live immer noch ungebrochen authentisch und in Dauerschleife unterwegs. Jetzt mit neuer Veröffentlichung „Please remain seated (rerecorded)“. Keine neuen Songs, aber immerhin alte Kracher in frischem Gewand. Akustisch haben die Engländer ein paar ihrer Gassenhauer umgepflügt. Nicht ganz unplugged, nicht ganz akustisch. Trotzdem sehr laid back und ziemlich cool. Was wieder einmal zeigt: Ein guter Song ist durch nichts kaputt zu bekommen. Sicherlich, „Please remain seated (rerecorded)“ ist eine reine Fan-Platte. Bleibt zu hoffen, dass Neues kommt. Als Übergang ist diese Veröffentlichung wirklich okay. Anspieltipps: „Fly on the wall“, „Empty City“, „She’s so fine“. (BMG)

Andere alte Haudegen sind Papa Roach. Mit „Who do you trust“ kommt mehr als ein Lebenszeichen. Und ein kleiner Richtungswechsel. Für den Papa Roach durch diverse Alben bekannt ist. Diesmal wird es elektronischer. Was das bedeutet? Die klassisch-rotzigen Papa Roach Riffs werden von ein paar elektronischen Einwürfen begleitet. Die sich wiederum hauptsächlich in Beats und Sounds verlieren. Ansonsten kratzen die Gitarre und der eventuell etwas „rappigere“ Gesangsstil gekonnt an den Nerven. Dennoch gelingen fast in jedem Song elegante Kurven zu hymnischen und markanten Refrains. Und „I Suffer well“ ist dann gegen Ende noch ein astreines Punk-Core Stück, für das man Papa Roach echt mal danken muss. Definitiv kein Album für nervöse Typen, die sich gerne auf dem Bürostuhl stampfend austoben. Anspieltipps: „Not the only one“, „Top of the World“, „I suffer well“. (Eleven Seven Music)

Nach zwei alten Hasen kommt der Meister Lampe persönlich. Bereits im November veröffentlichte Herbert Grönemeyer „Tumult“. Nun nach dem ersten Durchgang steht fest: Auch „Tumult“ kann „Bleibt alles anders“ nicht das Wasser reichen. Dennoch gibt es Lichtblicke. Grönemeyer wirkt sehr reduziert. Sehr konzentriert. Man könnte jeden dieser Songs opulenter gestalten. Überladen. Mit Orchestern, Streichern, Elektro- Pomp und Sounds aus dem Studio- PC. Findet nicht statt. Deswegen wirken Songs wie „Bist du da“, „Warum“ und „Wartezimmer der Welt“ so unheimlich dicht. Und nach. Es dauert, „Tumult“ anzunehmen, vielleicht zu verstehen. Natürlich kann man jetzt behaupten, Herbert Grönemeyer wäre erwachsener geworden. So einfach ist es dann auch nicht. Obwohl, Grönemeyer hat sich mit jedem dieser Songs neu justiert. Seltsamerweise steht jeder Song für sich selbst und mag auf den ersten Blick kein Albumsong sein. Und einen roten Faden kann man als Außenstehender nicht so recht sehen. Aber irgendwoher kommt das Lichtlein. Der Faden. Und irgendwie ist es dann doch ein Album, das schlicht, aber erhaben dasteht. Anspieltipps: „Bist du da“, „Der Held“, „Lebe mit mir los. So“. (Vertigo Berlin)

Mit Alice Merton und ihrem Album „Mint“ wird es jetzt mal frischer. Auch altersmäßig. Alice Merton macht viel richtig. Das ist schon Popmusik. Allerdings gut verpackte. Immer wieder blitzen Songwriter-Momente durch. Immer wieder unterbricht sie erwartbare Tonfolgen mit brachialen Arrangements. „Mint“ wird so an vielen Stellen ein lautes Album. Das zweifellos leise kann, das aber so perfekt in den Zeitgeist derer passt, die zu alt für Pop und zu geerdet für Taylor Swift sind. Und trotz mancher grenzwertiger oder vielleicht sogar frecher 80er-Jahre-Keyboardsounds macht Alice Merton hören eine Menge Spaß. Anspieltipps: „2 Kids“, „Homesick“, „Speak your mind“. (Paper Plane Records)

Sharon van Etten. Die nächste Junge. Im Konzert der alten Hasen. Ziemlich kaputt klingt „Remind me tomorrow“. Fragil. Destruktiv. Mal verliert sich die Stimme im kilometerlangen Hall, dann scheppern die Drums wie die Autopresse auf dem Schrottplatz um die Ecke. Zwischendurch meldet sich Sharon van Etten zu Wort. Singt wunderschöne Refrains. Heult sirenengleich dahin oder biegt mal ab Richtung Punk aus der Garage. Wunderbar. Auch weil das nirgendwo reinpasst. Vielleicht noch im hintersten Eck an Lana Del Ray erinnert, aber Sharon van Etten sucht nicht wirklich nach Erlösung oder Auflösung. Ihre Songs bleiben stehen. Anspieltipps: „Memorial Day“, „Comeback Kid“, „Malibu“. (Jagjaguwar) 

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