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Die Verbindung von Werk und Urheber ist unauflöslich

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„Wert der Kreativität“ ist das Motto des diesjährigen Aktionstags „Kultur gut stärken“ am 21. Mai 2012
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Wert der Kreativität: In diesem Begriffspaar werden sehr unterschiedliche Aspekte des künstlerischen Schaffens, des öffentlich geförderten Kulturbetriebs, der Vermittlung von Kunst und Kultur und nicht zuletzt der Kulturwirtschaft zusammengeführt. Wert der Kreativität heißt einerseits, dass Kreativität, dass vor allem das künstlerische Schaffen einen Wert für unsere Gesellschaft darstellt. In den künstlerischen Werken findet eine Reflexion der gesellschaftlichen Realität statt. Die gesellschaftliche Realität begegnet uns in der Kunst auf einer anderen Ebene, sie wird entkleidet von ihren Sachzwängen und Kompromissen. Das gilt sowohl für das zeitgenössische künstlerische Schaffen in der Schöpfung neuer, als auch in der Interpretation vorhandener Werke, etwa in neuen Inszenierungen tradierter Stücke im Theater. Künstler können und dürfen Anarchisten sein. Sie können und dürfen in ihren Werken die Welt radikal infrage stellen. Dass Kunst offenbar ein Grundbedürfnis gesellschaftlicher Reflexion ist, belegen archäologische Funde, die uns heute einen Eindruck davon vermitteln, wie Menschen in früheren Epochen mit Kunst gelebt haben, was sie künstlerisch bewegt hat, was sie durch Kunst gedacht haben. Die ungebrochene Aktualität beispielsweise der griechischen Tragödien illustriert die Wirkungsmächtigkeit künstlerischer Imagination, die uns heute noch in den Bann schlägt. Und sie zeigt auch, welchen Wert künstlerische Leistungen für unsere gesellschaftlichen Debatten haben. Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein, sondern braucht die Reflexion in der Kunst.

Wert der Kreativität heißt aber mehr, als den Wert von Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft zu verdeutlichen. Wert der Kreativität bedeutet ebenso, dass es sich bei der künstlerischen Arbeit um eine Profession handelt. Dass es eben nicht egal ist, ob jemand nebenbei aus dem Fundus künstlerischer Werke Versatzstücke herausnimmt und diese neu zusammensetzt, oder ob jemand eine eigenständige künstlerische Idee verfolgt. 

Dabei versteht es sich von selbst, dass Künstler sich mit den künstlerischen Ideen und Werken der Vergangenheit auseinandersetzen. Professionelle Kunst ist harte Arbeit. Darum werden Künstler an Musik- und Theaterhochschulen, an Kunstakademien, an Filmhochschulen und anderen Ausbildungsstätten ausgebildet. Gerade hier in der Ausbildung findet die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaffen der Vergangenheit und der zeitgenössischen Kunst statt. Das Studium an künstlerischen Hochschulen ist mehr als eine Ausbildung, in der vor allem Fertigkeiten erworben werden. Die Studierenden setzen sich intensiv mit der Kunst auseinander und versuchen ihren eigenen künstlerischen Ausdruck, ihren eigenen Weg zu entwickeln. 

Dass dieses nicht nur für den tradierten Kanon der sogenannten Hochkultur wichtig ist, wird am Beispiel der Popakademie Mannheim deutlich, die sich der Ausbildung im Bereich der populären Musik verschrieben hat. Ohne professionelle Künstler, die sich ganz dieser Aufgabe widmen, die Beruf und Berufung in ihrem oftmals obsessiven Schaffen vereinen, würde die Kulturlandschaft sehr bald verarmen.

Und wenn künstlerische Arbeit ein Beruf ist, muss auch ein finanzieller Ertrag aus der Weitergabe dieser künstlerischen Werke gezogen werden können. Dann folgt daraus zwingend, für den Schutz des geistigen Eigentums einzutreten, und zwar in seinen beiden nicht voneinander zu trennenden Elementen, dem Urheberpersönlichkeitsrecht und dem Verwertungsrecht. Im deutschen wie im kontinentaleuropäischen Urheberrecht gehören diese beiden Dimensionen unverrückbar zusammen. Die Verbindung von Werk und Urheber ist unauflöslich und der Urheber, also der Schöpfer, kann und muss die Entscheidung darüber treffen, ob und in welcher Form sein Werk veröffentlicht werden kann. Dass es manchmal gut sein kann, wenn sich über den Willen des Urhebers nach seinem Tod hinweggesetzt wird, wird an der Veröffentlichung des Werks von Franz Kafka deutlich, dieses ist aber eine der seltenen Ausnahmen. Und es ist das gute Recht des Künstlers, sein Werk zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung zu stellen. Es ist aber ebenso sein gutes Recht, genau dies nicht zu wollen, weil irgendwie auch sein Kühlschrank gefüllt werden muss.

Wert der Kreativität heißt ebenso, dass in vielen Fällen nach der Schöpfung eines Werkes eine Wertschöpfungskette in Gang gesetzt wird, in der verschiedene Akteure einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Verwertung eines Werkes ziehen. In diesem Sinne unterscheidet sich die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht von anderen Wirtschaftszweigen. Auch in anderen Wirtschaftsbereichen gibt es eine Wertschöpfungskette von der unmittelbaren Produktion bis hin zum Verkauf an den Konsumenten. Dass die an diesem Prozess Beteiligten einen wirtschaftlichen Ertrag aus ihrer Arbeit ziehen müssen, versteht sich bei körperlichen Produkten von selbst, muss in der digitalen Welt als selbstverständliches Recht noch erkämpft werden. 

Wie eng die sogenannten Verwerter künstlerischer Leistungen, also die Unternehmen der Kulturwirtschaft, mit den Künstlern verflochten sind, wird durch den vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1987 beim Rechtsstreit um die Künstlersozialversicherung geprägten Begriff des symbiotischen Verhältnisses auf den Punkt gebracht. Unter symbiotischem Verhältnis wird verstanden, dass Künstler und Verwerter eng miteinander verbunden sind und, wie bei einer biologischen Symbiose, für das Überleben einander brauchen. Dieses symbiotische Verhältnis ist übrigens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eine der Grundlagen, dass die Verwerter sich mit der Künstlersozialabgabe an den Kosten für Sozialversicherung der freiberuflich arbeitenden Künstler in der Künstlersozialversicherung beteiligen. 

Wert der Kreativität schließt aber auch die Finanzierung von Kultureinrichtungen sowie die finanzielle Unterstützung von freien Trägern mit ein. Kultureinrichtungen präsentieren künstlerische Werke. Künstler und Kultureinrichtungen stehen in einem engen Wechselverhältnis. Ohne Kultureinrichtungen gäbe es kaum professionelle Orte zur Präsentation von künstlerischen Leistungen, das gilt für alle künstlerischen Sparten gleichermaßen, von Theatern über Museen und Kunstvereine bis hin zu soziokulturellen Zentren. Kultureinrichtungen haben innerhalb des Gesamtgeflechts kulturellen Lebens eine wichtige Funktion. Sie sind die Orte der Präsentation von und des Austauschs über Kunst und Kultur. Sie bieten damit einen Raum für Reflexion und Auseinandersetzung über das eigene Leben, über die Gesellschaft, über Werte.

Ebenso leisten Kultur- und Bildungseinrichtungen wesentliche Beiträge in der Kulturvermittlung und kulturellen Bildung. Hier werden junge und alte Menschen an Kunst und Kultur herangeführt. Sie können sich ausprobieren, erlernen künstlerische Praxen und finden unter Umständen so viel Freude daran, dass sie eine künstlerische Laufbahn einschlagen. Kulturelle Bildung vermittelt den Wert der Kreativität.

Wert der Kreativität ist das Motto des diesjährigen Aktionstags. Der Deutsche Kulturrat lädt ein, sich unter diesem Motto zu beteiligen und mit eigenen Beiträgen für den Wert der Kreativität zu werben. Dabei können und sollen die Beiträge so vielfältig, so bunt, so unterschiedlich, so subversiv, so anarchisch, so bieder, so angepasst, so avantgardistisch, so … sein, wie Kunst und Kultur eben sind. Lassen Sie uns gemeinsam am internationalen Tag für kulturelle Vielfalt, dem 21. Mai 2012, zeigen, dass der Wert der Kreativität die Voraussetzung für ein lebendiges kulturelles Leben ist. Machen Sie mit! Weitere Informationen unter http://kulturstimmen.de.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

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