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Digitale Bühne des DTKV Berlin

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Musiker und Komponisten des DTKV in der Schwartzschen Villa
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Am 29. August 2020 wurden drei Konzerte von Mitgliedern des DTKV Berlin gespielt, die auf einer neu eingerichteten Digitalen Bühne gezeigt werden: YouTube Digipodium DTKV Berlin.

Als Konzertort wurde der „Große Salon“ der Schwartzschen Villa in Berlin-Steglitz gewählt, die Konzertbühne des Kunst- und Kulturamts Steglitz-Zehlendorf, die dem Berliner DTKV seit 25 Jahren mietfrei für seine Konzerte inklusive des Studio Neue Musik des DTKV zur Verfügung gestellt wird. Auch die Mikrophone, mit Ständern und Mischpult des Kulturamts konnten mietfrei genutzt werden. Zwei Musikstudenten hatten ihre Laptops sowie als Hauptmikrophon ihr eigenes mitgebracht und in den Proben, die den Konzerten vorangingen, die Einstellungen vorgenommen. Dabei unterstützte der Vorsitzende des Berliner DTKV, Detlef Bensmann, sie intensiv mit seinen Erfahrungen von 40 Jahren Schallplatten-, CD- und Rundfunkproduktionen. Bis zu 23 Gäste hätten zuhören dürfen, was beim Mittags- und Nachmittagskonzert nur von wenigen Interessierten genutzt wurde. Das Abendkonzert war dann jedoch voll besetzt.

Im ersten Konzert spielten ausschließlich Musikerinnen: Das 2015 gegründete Trio Südwest mit der Pianistin Frauke Jörns, der Geigerin Petra Lipinski und der Cellistin Marika Gejrot hatten von Johann Schobert  op. 6 Nr.1 und von Joseph Haydn Hoboken XV:9 Adagio, Vivace  klanglich ausgewogen und abwechslungsreich interpretiert.  Sie hatten sich für diese Werke entschieden, weil beide avantgardistisch auf ihre Zeitgenossen wirkten.

Die Pianistin Christina Marton-Argerich präsentierte ihre Master-Studentin Antonia Miller. Vierhändig mit Ungarnbezug spielten sie auf sehr hohem Niveau Werke von Kurtág, Schubert und Brahms. Als Franz Schuberts Divertissement à la hongroise kurz vor dem Ende abgebrochen wurde, um den Akku der professionellen Kamera auszuwechseln, und anschließend wieder von Anfang gespielt wurde, war deutlich: Diese Konzerte sind für die digitale Bühne, nicht in erster Linie für die anwesenden Hörer. Das letzte Drittel des ersten Konzerts gestaltete das Trio 2019 mit der Flötistin Jingyi Cao, der Saxophonistin Moyi Chen und der Pianistin Jiachen Qin, die an der UdK Berlin studieren. Sie hatten eine eigene Fassung des 1. Satzes aus op. 114 von Johannes Brahms vorgestellt, welches er im Original für Klarinette und Cello mit Klavier komponiert hatte. Ich empfand ihre Interpretation klanglich wie auch in der musikalischen Gestaltung und Aufführungspraxis gelungen. Ihr zweites Trio war eine Bearbeitung von Chick Coreas „Spain“ durch Russell Peterson, einen U.S.-amerikanischen Saxophonisten und Komponisten, der selbst in einem Klaviertrio dieser Besetzung spielt. Hier wechselte Moyi Chen vom Alt- zum Sopransaxophon und Jingyi Cao spielte mit Alt- und C-Flöte. Die drei jungen Musikerinnen zeigten große Spielfreude und rhythmische Sicherheit.Im zweiten Konzert musizierte Marika Gejrot

mit dem Fagottisten Wolfgang Bensmann vier Stücke von Paul Hindemith, dessen 125. Geburtstag wir heuer feiern. Sie spielten mit einer beeindruckenden Leichtigkeit, in jeder Hinsicht perfekt und im letzten Satz charmant miteinander tanzend. Zuvor erzählten Jenny Marielle Dilg mit ihrer Bratsche und Kim Kiyeon am Klavier Schumanns Märchenbilder op. 113. Ich hätte mir stärkere Kontraste, mehr Phantasie und Intensität im Vortrag gewünscht. Kiyeon Kims Interpretation zweier Sätze aus Debussys Estampes ließen dagegen kaum Wünsche offen.

Wolfgang Bensmann trug darüber hinaus Petit Conversation für Fagott solo von Dietrich Erdmann vor, dem Gründer des Arbeitskreis Neue Musik 1935 und Gründer des Studio Neue Musik 1965, der den DTKV Berlin zeitweise als Vorsitzender leitete und über 40 Jahre wesentlich mitprägte. Dieses virtuose und kontrastreiche Werk interpretierte Wolfgang Bensmann mit voller Hingabe.

Anschließend spielte sein Bruder, Detlef Bensmann, mit seiner Partnerin Lilly Paddags als Duo Zeitlos das Konzertstück für zwei Altsaxophone, welches Paul Hindemith 1933 für den Saxophonpionier Sigurd Rascher komponierte. Auch das Duo Zeitlos musizierte voller Hingabe, die unterschiedlichen Stimmungen auslotend und die stilistischen Bezüge humorvoll herausarbeitend. Das Duo sollte im dritten Konzert noch einmal zu hören sein. Doch zuvor trug Detlef Bensmann, diesmal am Baritonsaxophon, mit Jenny Marielle Dilg und der Sopranis­tin Mirjam Parmer drei Lieder mit Texten von Friedrich Hölderlin von Siegfried Thiele vor. Auch wenn die Sängerin manchmal aufgrund einer leichten Erkältung indisponiert wirkte, haben mich die Texte des Jubilars Hölderlin in der Vertonung des früheren Rektors der Musikhochschule Leipzig angesprochen. Überraschend war, wie gut Bratsche und Baritonsaxophon klanglich harmonierten.

Das dritte Konzert, für mich der dramaturgische Höhepunkt des Tages, kam ohne Klavier aus. Das Duo Zeitlos eröffnete mit Trias für Alt- und Baritonsaxophon von Detlef Bensmann, der mit den Tönen, die sich aus dem Namen des Widmungsträgers ergeben,  raffiniert und symbolträchtig spielte. Das Duo interpretierte auch noch den ersten Satz des für sie komponierten „Charisma“ mit Sopran- und Tenorsaxophon von Gabriel Iranyi, der als Leiter des Studio Neue Musik seit Jahren mit großem persönlichen Einsatz für den DTKV Berlin tätig ist. Es gelang dem charismatischen Duo Zeitlos, mich mit zunächst kaum hörbaren Linien, die immer wieder in mehrstimmige Klänge auf den Saxophonen geführt wurden, wie auch mit den kurz aufblitzenden ausdrucksstarken Momenten und virtuosen Abschnitten mit polytonalen Verläufen in ihren Bann zu ziehen. Ganz anders komponiert waren zwei musikalische Szenen aus dem „Wunderkind“ für zwei Saxophone von Detlef Bensmann, der hier aus klanglichen Gründen mit einem anderen Baritonsaxophon als im ersten Werk hantierte. Für die international bedeutende Geigensolistin Christiane Edinger hatte Gabriel Iranyi 2014 das dreisätzige Werk „Verborgene Landschaften“ komponiert, welches sie auswendig mit beeindruckender Intensität sowohl im Pianissimo als auch im Fortissimo mit sicherer Virtuosität und Klangvielfalt interpretierte.  Zuvor hatte Thilo Krigar seine Komposition Leuchten für Cello solo vorgetragen, welches er 1988 unter dem Eindruck der Besteigung eines Berges von 5.100 Meter Höhe in Kolumbien komponierte. Mit wilden Flageolettkaskaden gelang es ihm das Flimmern der Luft und stehende dünne Klänge zu erzeugen, die nach seinen Ausführungen wohl nur dort in der extremen Höhe zu vernehmen sind. Lilly Paddags komponierte schon während ihrer Schulzeit am Bach-Gymnasium, hier präsentierte sie „den musikalischen Ausdruck von Winkelfunktionen“ für Sopransaxophon solo. Mit ihrem besonderen Glocken-Sopransaxophon, wie der Erbauer Karsten Gloger seine Saxophone wegen des besonderen Herstellungsverfahrens nennt, gelang es ihr, mich mit wunderschönen, ausdrucksstarken Klängen und ihrem charismatischem Vortrag zu verzaubern. Staunen ließ mich auch der Klang des Campanula-Cellos von Stephanie Jones, an dem sie selbst einige Bündel von mitschwingenden Saiten angebracht hatte. Auch sie spielte ausdrucksvoll und technisch überzeugend Eigenkompositionen, in denen sie die Besonderheit ihres Campanula-Cellos voll zu entfalten wusste. Überraschend waren auch die Lieder mit Texten von Hermann Hesse, Baudelaire und Dagmara Kraus, die Matthias Kadar in der Tradition von Liedermachern beeindruckend komponierte und mit seiner Gitarre mal stimmgewaltig, mal zart vortrug. Als letzter Programmpunkt erklang eine gemeinsame Improvisation mit einem Gedicht von Dagmara Kraus.

 

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