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Dort wo der Klang gewachsen ist

Untertitel
Das Duo Old Splendifolia aus Berlin mit seiner ersten CD
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„Old Splendifolia“ – unter diesem auf den ersten Blick etwas sperrigen Namen verbergen sich die Sängerin Jana Plewa, Insidern schon durch den von ihr mitgegründeten Kat Cosm bekannt, und der Gitarrist Frank Schültge Blumm, alias F.S. Blumm, beide leben in Berlin. Ihr erstes Album ist in Japan bereits im August 2008, bei uns dann im November erschienen und schwingt den Bandnamen unter dem Titel „…waying boldly afar…“ dann gar nicht mehr so holprig weiter.

 Gefunden hat der hochschulausgebildete klassische Gitarrist Frank Schültge Blumm Jana Plewa auf einem Sampler des Kultlabels „staubgold“. Nachdem er jahrelang rein instrumental geforscht und musiziert hatte, suchte er eine Sängerin, doch der erste Kontakt gestaltete sich schwierig. Jana Plewa befand sich zu dem Zeitpunkt arbeitstechnisch bedingt auf einem Schloss ohne Internetzugang. So bekam sie die ausgedruckte Anfrage erst viel später, ein erstes Treffen klappte dann auch erst nach ein paar Monaten. Mit einem Lächeln erinnert sich Jana: „Frank hatte schon fleißig vorgearbeitet, praktisch wieder ein Soloalbum fertig … Dann haben wir Stücke rausgesucht, rumprobiert, und ich habe versucht, Lyrics zu schreiben. Ein paar Elemente mussten wir auch wieder entfernen, um das Ganze wieder minimalistischer zu gestalten, die Stimme kann ja vieles ersetzen. Das Banjo und andere Instrumente kamen dazu …“

Jana, die englische Sprachwissenschaft und Soziologie studiert hat und immer „forschend unterwegs im Feld der Lyrik“ ist, strickte dann eine poetische Geschichte rund um die Suche nach dem alten Prachtblatt „Old Splendifolia“, beziehungsweise dem Klang an der „Stätte, wo das Urblatt wächst“. Dieses erste Grün, das erst Blatt, das jemals auf Erden gesprossen ist, steht für einen Raum, einen Ort, der überall auf der Welt sein kann. Da die beiden aber Musik machen, sind sie auf der Suche nach dem Klang, den Geräuschen, nach der Atmosphäre, die an diesem Ort herrscht. „Da man diesen Ort aber wahrscheinlich nie finden wird, werden wir hoffentlich recht lange unterwegs sein. Wir suchen immer etwas Interessantes, etwas Neues, sammeln Sachen ein, die auf dem Weg liegen, Frank benutzt auch sehr gerne irgendwelche Blechbüchsen“, kommentiert Jana, und Frank meint: „Ja, wir sind beide forschend tätig, sowohl auf der Gitarre, wo die Stücke für mich entstehen, als auch hinterher auf der Produktionsebene, wenn ich dann Sachen, die ich gut aufgenommen habe, in ein Diktaphon spiele, das leiert, oder auf dieses Diktaphon wieder Pergamentpapier und eine Büroklammer lege, um so eine bestimmte Resonanz zu erreichen, ein Knistern und Knarzen …“

Ganz so kompliziert wie das klingt, ist das Album aber dann wieder nicht. Es sind 15 klangfarbenreiche Liedgedichte mit sparsamen Arrangements, die im Raum zu schweben scheinen, ineinander verwoben sind und eine heitere etwas versponnene Atmosphäre verbreiten. Je öfter man zuhört, um so mehr erfährt und hört man. Wenn ganz am Anfang die Töne eines alten, etwas verstimmten Klaviers erklingen, fühlt man sich gleich in eine Art altmodische Märchenwelt versetzt. Der Gesang ist leicht und klingt manchmal nach Kinderlied, manchmal nach feenhaftem Erzählton. Spärlich eingesetzt sind auch Cello, Waldhorn und Bassklarinette. Das moderne Element sind die Samples und die beigemischten Geräusche, die Frank wichtig sind.

Von der Einordnung in Stile wie Folk, Neo- oder Post-Folk halten die beiden wenig. Frank gibt zwar zu, dass die rein akustische Instrumentierung mit Gitarre und Banjo, das Zupfen schon wichtige Elemente sind, aber man möchte auf keinen Fall ins „Heimelige, Kitschige, in die heile Welt abdriften: Das was wir machen ist eher Weird Folk, Anti-Folk, wir wollen die heutige Zeit, das Leben in der Großstadt einbringen“. Digitales Knistern und Knacken, Medien wie das oben erwähnte Diktaphon sind die entsprechenden Stilmittel, außerdem spiele er keine Western-, sondern eine klassische Gitarre. Und Jana Plewa meint dazu: „Dieses Folkding kam ja eigentlich erst auf, als wir schon lange Musik gemacht haben. Damals wäre nur niemand auf die Idee gekommen, es Folk zu nennen. Man hat einfach auf akustischen Instrumenten gespielt. Die ganze Tradition des Volksliedes, in der Geschichten weiter getragen wurden, orale Gesellschaften, das spielt heutzutage ja keine Rolle mehr. Wir wollen mit Sprache spielen, Emotionen rüberbringen, Impulse geben, den Lyrics, die im Radioäther schweben, etwas entgegensetzen, inspirieren.“

Zuerst erschienen ist das Album kurioserweise in Japan, das hat aber weniger mit Vermarktung als mit einer bestimmten Szene zu tun, die international verbunden ist. Im November 2008 waren sie auch schon im fernen Osten auf Tournee. Dabei merke man schon einen Unterschied zu einem europäischen oder deutschen Publikum: „Es gibt ohrenfällige Unterschiede, es ist tatsächlich in Japan so, dass das Publikum sehr aufmerksam und respektvoll ist. Man kann da eine Feder fallen hören.“ (Blumm) Und Jana Plewa bemerkt: „Es ist irritierend, wenn man erst mal gar kein Feedback bekommt, denn erst am Schluss bricht eine kleine Begeisterungswelle los. Dann freut man sich, dass es halt wirklich das aufmerksame Zuhören war. In Deutschland werden dagegen an der Bar noch immer irgendwelche Bierflaschen ausgegeben, wird hier und da noch gequatscht …“

Jana Plewa wurde 2008 durch die Initiative Musik gefördert und findet eine staatliche Künstlerförderung enorm wichtig: „Als Künstler heutzutage, wenn man das hauptberuflich betreiben will, arbeitet man mehrere Jahre an einem Album und kriegt dann 300 Euro dafür. Ich weiß nicht, welcher Wirtschaftsmanager sich damit zufrieden gäbe … Dann tourt man oder gibt Konzerte, die Clubs teilen einem mit: „Naja, wir können euch aber keine Gage zahlen, nur das, was an der Tür gegeben wird.“ An der Tür wird aber nur ein Euro verlangt. Das ist eine fatale Situation in unserem Land. Die Musikindustrie jammert, letztendlich wird aber doch alles auf dem Rücken der Künstler ausgetragen, die eigentlich die Inhalte für die Musikindustrie und die Inhalte für Radio sowie Medien schaffen. Die sind aber am untersten Glied der Kette, haben auch keine Lobby, weil sie sich auch nicht zusammenschließen, denn die meisten Künstler versuchen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren …“ Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

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