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Echos für den Frieden

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Konzert im Gedenken an Fukushima und für die Ukraine
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Zwei großen Einschnitten auf zwei Kontinenten war der Abend des 11. März 2022 im Münchner Einstein Kultur gewidmet, den die Violinistin Anna Kakutia, die Pianistin Masako Ohta und der Kontrabassist Juan Sebastián Ruiz gestalteten. Ursprünglich war das vom Duo Gen (Kakutia, Ohta) veranstaltete Konzert „Songlines-Echoes“ dem Gedenken an die elfte Jährung der atomaren Katastrophe in Fukushima vom 11. März 2011 verschrieben, im gemeinsamen Wunsch für Frieden konzipierten sie es nun als Benefiz-Konzert für die Ukraine.

Das Programm bestand größtenteils aus Werken von Nikolaus Brass (geb. 1949), ein Stück von Peter Kiesewetter (1945–2012) gab ein Intermezzo. Anna Kakutia eröffnete den Abend mit „Songlines I“ von Brass für Violine solo, einer düster-melancholischen Fantasie, die dem inneren Singen nachempfunden die reine Melodie behandelt. Formal gestaltete der Komponist dieses wie auch die anderen Werke des Abends durch Unterteilung in verschiedene Abschnitte, die eine deutliche Trennung aufweisen und wo doch immer wieder Querverweise durchschimmern, sodass ein Geflecht der Bezüge entsteht, das schon beim erstmaligen Hören wahrgenommen wird und somit das Empfinden der Wegsuche in einem Labyrinth angleicht. Kakutia bot das Stück hoch konzentriert wie feinfühlig dar, fokussierte sich auf die innermusikalischen Bezüge und die Erhabenheit der Melodie. Die drei Musiker*innen riefen nach dieser Eröffnung zu einer Schweigeminute auf.

„Ton“ komponierte Brass als unmittelbare Reaktion auf die Nuklearkatastrophe von 2011 für Kontrabass und Klavier, interessanterweise spielten die beiden Instrumente über weite Strecken voneinander losgelöst solistisch, fanden nur in manchen Episoden zusammen. Den Händen von Juan Sebastián Ruiz entströmten wahre Urgewalten, sein Kontrabass brachte das Einstein Kultur förmlich zum Beben. Erstaunlich, wie bei ihm zugleich das einzelne klangliche Ereignis in sich erblüht und die großgriffigen, bis in die höchsten Lagen begehrenden Linien zusammenhalten. Auf knappem Raum kreierte er vielschichtige Erlebnisse. Die folgenden „Stücke für leere Hände“ für Klavier solo bezeichnete Ohta als ein Ritual; sie versuchte gar nicht, ihre Zuneigung dem Zyklus gegenüber zurückzuhalten und grinste herzlich, als sie sich ans Klavier setzt. Die elf Stücke mit Pro- und Epilog stellen aphoristische Gedanken dar, kristalline Momente, die einen Rhythmus, eine Idee oder ein Konzept beleuchten. Was die Darstellung durch Masako Ohta auszeichnete war ihre ausstrahlende Ruhe, das beinahe meditative Innehalten. Sie ließ die Musik sich frei entfalten, horchte in jeden Klang hinein, wog jede Stimme eines jeden Akkordes minutiös aus.

Zwei Duette für Geige und Klavier beschlossen den Abend. Peter Kiesewetters „Hed“ (hebräisch: Echo) von 1990 stellt eine Studie der Reduktion dar, mit nur wenigen Tönen große Wirkung zu schaffen. Das sehnsüchtig klagende Thema wird so weit als möglich erweitert, dass es noch als Einheit erfasst werden kann. Und wahrlich: Kiesewetter meisterte beide Aufgaben und schuf ein zeitlos ergreifendes Werk. „Music by Numbers“ von Brass rundete ab; hier keimte durch eine freie Anordnung aufeinander bezugnehmender Abschnitte ein Spiel aus Erwartetem und Unerwartetem. Im Duo schwangen Masako Ohta und Anna Kakutia in harmonischer Einheit, sie nahmen sich Zeit, jeden Ton zum Blühen zu bringen und die kleinen wie großen Bögen in sich zu formen, den Hörer*innen ein vieldimensionales Bild auf die Klanglandschaften zu geben. Als Zugabe überraschte ein Beethoven-Satz, im Kontext des Abends wie aus einer anderen Welt erscheinend, dabei als einkehrender Frieden zu verstehen.

 

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