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„Ein wahnsinnig spannendes Werk“

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Beer-Walbrunn-Tage 2021 mit einer wiederentdeckten Violinsonate
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Kohlberg. Man könnte meinen, die Oberpfälzer 1200-Seelen-Gemeinde Kohlberg sei der Inbegriff eines verschlafenen Nests. Doch ganz so unberühmt ist das nahe Weiden gelegene Örtchen dann doch nicht.

Denn immerhin verbrachte Reger zu seiner Weidener Zeit gerne die Sommerferien in Kohlberg. Und: Anton Beer-Walbrunn kam hier 1864 zur Welt. Bis vor zwei Jahren stand das Geburtshaus des Komponisten noch; im April 2019 hatte die ohnehin strukturschwache Gemeinde sich trotz vieler Widerstände dafür entschieden, das Gebäude abreißen zu lassen. Dabei hatten Pfarrer Martin Valeske, bis 2020 Pfarrer in Kohlberg (jetzt im Ruhestand) und seine Mitstreiter vom Kunst- und Kulturverein Kohlberg e. V. alles daran gesetzt, das Haus zu bewahren und in eine Erinnerungsstätte zu verwandeln. Überhaupt ist es Valeske zu verdanken, dass man sich heute wieder an Beer-Walbrunn erinnert (die nmz berichtete in der Ausgabe 2/2019). Dass es seit 2014 die „Beer-Walbrunn-Tage“ gibt, geht ebenfalls auf seine Initiative zurück. Letztes Jahr fielen die Festival-Tage coronabedingt aus, jetzt im Oktober konnte das schon für 2020 anvisierte Programm gespielt werden; wie gewohnt an historischem Ort: der evangelischen Nikolauskirche zu Kohlberg. Dort wurde Beer-Walbrunn am 30. Juni 1864, einen Tag nach seiner Geburt, getauft. Den Taufstein hatte man für die zwei Konzerttage allerdings beiseiteschieben müssen, um Platz zu schaffen für die Musiker. Am Samstag, den15. Oktober, waren das: Burkhard Maiß, Geiger und Bratschist in Personal­union, und seine Klavierpartnerin Ji-Yeoun You, die sich als Duo MAISS YOU einen Namen gemacht haben. Zum Auftakt gab es die Violinsonate KV 301 von Mozart. Dann wechselte Maiß das Instrument. Die folgende Violasonate von Roland Leistner-Mayer, 2018 für das Duo geschrieben, ist ein modernes Urbild der Gattung: tief schürfend, meisterhaft gearbeitet und dem Instrument buchstäblich auf den Leib geschrieben. Anschließend stand Beer-Walbrunns d-Moll-Violinsonate op. 30 auf dem Programm. Der Komponist schrieb das Werk 1905 für den weiland berühmten Geiger Felix Berber, der es zwei Jahre später mit Bernhard Stavenhagen (Klavier) uraufführte. Weitere Aufführungen des Werks sind nicht belegt, aber sicher zu vermuten. Die expressive Interpretation dieses originellen Riesen-Opus durch das Duo MAISS YOU geriet zum Fanal, nicht nur des Abends, sondern der beiden Festival-Tage. Maiß äußerte sich nach dem Konzert sichtlich angetan: „Diese hoch virtuose Sonate ist nicht nur hervorragend konstruiert, sondern auch wahnsinnig spannend – weil wir Geiger diese Art von Musik gar nicht haben.“ Maiß hört „exotische Harmonik in einem ganz klassischen Gefüge“, sieht „Einflüsse der Neudeutschen Schule“, er findet das Werk stellenweise aber auch „ein bisschen eklektizistisch“. Doch die Begeisterung überwiegt: „Man sollte die Sonate oft aufführen. Sie hat es absolut verdient!“ Auf die CD wird das Werk seinen Weg „ziemlich sicher finden“, sagt Maiß und lacht.

Am Sonntag zelebrierte Pfarrer Valeske an selbem Ort den „Kirchenmusikalischen Gottesdienst“, mit dem die „Beer-Walbrunn-Tage“ traditionell zu Ende gehen. Ein der Violinsonate vergleichbares Highlight gab es zwar nicht zu hören, wohl aber eine kleine Entdeckung. Und die stammte von Beer-Walbrunns Schüler Josua Benjamin Carnap (1867–1914), einem Halbbruder des Philosophen Rudolf Carnap. Sein „Abendlied“ op. 4/4 nach dem gleichnamigen Gedicht von Otto Julius Bierbaum, von Angelika Huber (Sopran) einfühlsam gesungen mit Cornelia Böck am Klavier, atmet zwar noch den Geist der Romantik, setzt dabei aber doch sehr eigene Akzente. Auch die Lieder von Beer-Walbrunn („Mutter! Süßer klingt kein Ton“, op. 27/1, und „So komme, was da kommen mag“, op. 27/4) gestalteten Huber und Böck eindringlich. Weniger überzeugend klang dagegen Beer-Walbrunns „Sonate für Violine und Klavier“ in d-Moll, op. 33/2, eine Bearbeitung von Evaristo Felice Dall’Abacos Violinsonate op. 1/2. Das lag aber weniger an den Interpreten Böck und Gerhard Urban (Violine), sondern an dem nicht sonderlich spannenden Urtext des italienischen Barockkomponisten. Zum Schluss der Fes­tival-Tage gab es noch eine Fuge (op. 28/3) des Kohlberger Meisters zu hören, die Anna-Magdalena Bukreev auf der Orgel der Nikolauskirche spielte.

Und was sagt Beer-Walbrunn-Tage-Initiator Martin Valeske selbst zum „Jahrgang“ 2021? „Alle, die ich gesprochen habe, waren glücklich und zufrieden. Natürlich wünscht man sich immer noch mehr Zuspruch, aber angesichts der Corona-Lage waren die Besucherzahlen gut. Und die mediale Aufmerksamkeit unseres kleinen Fes­tivals wird von Mal zu Mal besser.“

 

 

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