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Chefdirigent auf Zeit: Karl-Heinz Steffens. Foto: Susanne Diesner
Chefdirigent auf Zeit: Karl-Heinz Steffens. Foto: Susanne Diesner
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Eklat bei der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz

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Nach Chefdirigent Karl-Heinz Steffens nimmt auch Intendant Michael Kaufmann seinen Hut
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Eigentlich schien die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz seit Dienstantritt ihres Chefdirigenten Karl-Heinz Steffens 2009 und ihres Intendanten Michael Kaufmann 2011 auf einem guten Weg. Überzeugende künstlerische und programmatische Leistungen führten in den Jahren 2013 bis 2015 zu drei ECHO-Preisverleihungen, zuletzt als „Orchester des Jahres”, und 2016/17 zum Preis des Deutschen Musikverlegerverbandes (DMV) für das „beste Konzertprogramm der Saison”. Doch nachdem Steffens schon Ende 2016 seinen Vertrag nicht über die Saison 2017/18 hinaus verlängern wollte, wird nun auch Kaufmann die Staatsphilharmonie zu diesem Zeitpunkt verlassen. Die Umstände um seinen Weggang muss man als Eklat bezeichnen.

Kaufmann, der seit 2009 mit großem Erfolg als Intendant des Kurt-Weill-Festes in Dessau amtierte, löste dort im Januar seinen bis 2018 laufenden Vertrag vorzeitig auf, um sich auf die Ludwigshafener Intendanz zu konzentrieren. „Ich muss für mein Orchester einen neuen Chefdirigenten suchen”, bat er damals um Verständnis. In die Findungskommission für diesen Chefdirigenten wurde er dann allerdings vom zuständigen rheinland-pfälzischen Kultusministerium gar nicht erst berufen.

Wie er der Ludwigshafener Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ mitteilte, erfuhr er davon nicht etwa über das Ministerium, sondern durch ein Mitglied der Kommission, das sich über die Nichtberufung gewundert hatte. Kaufmann äußert sich eher vorsichtig, die anderen Beteiligten kaum oder gar nicht. Dem Affront ging offensichtlich eine an Querelen und Streitigkeiten reiche Vorgeschichte voraus. Obwohl die Strahlkraft des Orchesters durch Steffens’ und Kaufmanns künstlerische und programmatische Strategie wesentlich gestiegen ist, ist es dem Intendanten offensichtlich nicht gelungen, das Orches­ter selbst in seiner Gesamtheit davon zu überzeugen. Immer wieder muss es zu Auseinandersetzungen mit dem Personalrat gekommen sein, die soweit gingen, dass das Ministerium die Managementberatung „Metrum“ mit einem Mediationsverfahren beauftragte. Dass nun vor Abschluss dieses Verfahrens vollendete Tatsachen geschaffen wurden, gehört zu den Ungereimtheiten des Falles.

Die Ausgangslage für einen Ludwigshafener Intendanten ist schwierig. Die Staatsphilharmonie verfügt zwar über einen eigenen Bau, aber keinen eigenen Konzertsaal, und macht als reines Konzertorchester auch regulär keinen Operndienst. (Der viel beachtete Ludwigshafener „Ring des Nibelungen“ 2010–13 war ein gesondertes Projekt.) Stattdessen gastiert das Orchester ständig in Ludwigshafen und Umgebung, im Bundesland Rheinland-Pfalz und im länder­übergreifenden Rhein-Neckar-Raum. Die eher schwache Anbindung an ein städtisches Stammpublikum scheint ein Teil des Orchesters mit erhöhtem Standesbewusstsein zu kompensieren. Viele Beobachter schildern den Eindruck, etliche Musikerinnen und Musiker des Ensembles säßen „auf einem hohen Ross“.

In dieser Situation ist es zumindest problematisch, wenn, wie Kaufmann in einem „Rheinpfalz“-Interview berichtet, das Ministerium dem Intendanten zum Amtsantritt den Auftrag gibt, „aufzuräumen“. Möglicherweise waren hier die Weichen für die atmosphärische Eskalation schon gestellt. Und während die Ausweitung der Konzertprogramme mit höheren Belastungen für die Orches­termusiker einherging, blieben die Bemühungen von Chefdirigent und Intendant um die finanzielle Besserstellung des von der Landesregierung durchaus als „Aushängeschild“ betrachteten Landesensembles erfolglos. „Wenn man einen Haushalt nur noch aufrechterhalten kann, indem man Stellen im Orchester nicht mehr besetzt, dann ist man am Ende“, sagte Kaufmann nun dem SWR.

Während die Landesregierung immer wieder auf die „Schuldenbremse“ und das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes im Jahr 2020 verweist, bemängeln Kritiker, dass Rheinland-Pfalz bei der Kulturförderung mit 1,34 Prozent des Gesamthaushaltes im Vergleich zu allen anderen Bundesländern mittlerweile den letzten Platz einnimmt. Von einem „Armutshaushalt für die Kultur“ spricht in der jüngsten Ausgabe seiner Zeitschrift „Novelletto“ der Landesmusikrat Rheinland-Pfalz. Peter Stieber, Präsident des LMR, der den Weggang von Steffens und Kaufmann sehr bedauert, sieht als verschärfenden Faktor im Streit die personellen Veränderungen im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur mit Antritt der neuen Landesregierung im Mai 2016. Anders als im vorigen Kabinett gebe es keinen gesonderten Staatssekretär für Kultur mehr, und sowohl der neue Minister als auch der neue Staatssekretär brächten keine Erfahrung in diesem Bereich mit.

Frank Pommer, Leiter des Kulturressorts bei der „Rheinpfalz“, fragt nun: „Wer will schon Intendant werden in einem Orchester, in dem es möglich ist, bei der übergeordneten Dienststelle Frontalangriffe auf die Orchesterleitung zu fahren und damit auch noch zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen? Denn, ganz unabhängig, ob dies nun tatsächlich so war: So aussehen muss es für einen Außenstehenden.“  Pommer schreibt von einem „Scherbenhaufen“. Dem kann man kaum widersprechen.

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