Bei einem, zugegeben ironisch-spöttischen, Gespräch unter Musikfreunden vor einigen Wochen überfiel einen der Anwesenden eine vielleicht etwas makabre Vision: Hamburgs neue Elbphilharmonie, festliches Eröffnungskonzert, Musiker und Stadtprominenz im hellen Saal, der Dirigent hebt den Taktstock und ...
Und dann gibt plötzlich unter dem Glaskubus die alte Speichermauer nach, das strahlend leuchtende Musiksymbol für die Hanse- und Kulturstadt gleitet ins Wasser, schwimmt langsam tiefer sinkend flussabwärts, das Orchester intoniert einen Choral und dann „Titanic“: Auch dieser Untergang entsprang menschlicher Vermessenheit.
Manchmal holt die Wirklichkeit die Fantasie ein. An die ewigen Kostensteigerungen für den Bau des Elb-Konzerthauses hatte man sich ja schon fast gewöhnt, auch an die ständigen Zeitverschiebungen für die Eröffnung. Jetzt aber wurden auch noch gravierende Baumängel festgestellt. Irgendwelche stählernen Stützstreben seien unsachgemäß eingebaut worden. Die böse Vision des Musikfreundes rückt näher. Der Normal-Bürger, nicht nur in Hamburg, aber fragt sich verzweifelt, ob alle Beteiligten am Bau der Hamburger Elbphilharmonie noch alle Notentassen im Kopf haben. Es kann doch nicht wahr sein, dass ein geplantes Bauvorhaben auf die inzwischen fast vierfache Summe, auf rund fünfhundert Millionen Euro, anwächst. Und lange noch nicht fertig gestellt ist.
Gäbe es in Hamburg nicht eine Initiative verantwortungsbewusster Steuerbürger, die diesem verantwortungslosen Treiben via Einstweiliger Verfügung eines höheren Gerichts den Garaus machte? Ein potenter Investor könnte dann aus der Bauruine ein farbenfrohes Hafenkaufhaus zaubern, mit allen Accessoires der Weltschifffahrt. Es scheint, dass in Hamburg die alten Hanseaten ausgestorben sind. Renommiersucht war ihnen fremd. Zurückhaltung eine Zier. Die historische Musikhalle mag in ihren Kapazitäten nicht mehr den heutigen Erfordernissen, vor allem wirtschaftlich, entsprechen. Alles ist teurer geworden, die Orchester, die Solisten, die Allgemeinkosten. Also braucht man entsprechend größere Säle, die mehr Einnahmen versprechen. Aber schrumpft nicht gerade der traditionelle klassische Konzertbetrieb?
Das alles wäre doch vorher zu überlegen gewesen. Stattdessen klotzt die Hansestadt samt ihren Politikern mit einem teuren Prestigeobjekt à la Bilbao, Kopenhagen oder Sidney. Nur dass Sidneys Vorbild, die architektural attraktive Oper am Wasser, schon vor vielen Jahrzehnten erheblich billiger erbaut wurde, Kopenhagens ebenfalls repräsentativ an einem Beltarm gelegenes Opernhaus auf Wunsch eines Milliardärs entstand, der alles bezahlte. Das Hamburger Ärgernis wird auch durch einen jetzt eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht geringer.