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SaVaSa Trio: „Calls, Studies & Games“
SaVaSa Trio: „Calls, Studies & Games“
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Früh, erschüttert, verspielt, flimmernd

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Neue CDs neuer Musik, vorgestellt von Dirk Wieschollek
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Aktuelles von und mit: ensemble]h[iatus, Peter Jakober, Ensemble Modern, SaVaSa Trio, Helmut Oehring, Wolfgang Rihm, VERTIGO Ensemble.

In Wolfgang Rihms unbändig wuchernder Produktion war das Streichquartett immer ein ästhetischer Dreh- und Angelpunkt. Das Minguet Quartett erweitert seine Gesamteinspielung nun mit der Ausgrabung zweier „Jugendwerke“. Das „Streichquartett in g“ (1966) erprobt klassische Satztechniken im Bann Beethovens. Was der 14-jährige Gymnasiast dort fand, weist voraus auf den späteren Subjektivisten: ein rauer Ton, extreme Kontraste und die Lust am Unvorhersehbaren. Wuchtige Ostinati beherrschen zwei Jahre später das „Streichquartett 1968“, in dessen drängender Motorik Bartók und Schostakowitsch deutliche Fährten gelegt haben. Einen nach längerer Zeit mal wieder ungemütlich expressiven, weniger „eklektizistischen“ Rihm verkörpert das Kernstück dieser Produktion, die „Geste zu Vedova“ (2015). Die krassen Tutti-Schläge in sperrigen Mehrfachgriffen und ihre sonoren „Kollateralschäden“ scheinen direkt der vehementen Pinselführung von Emilio Vedovas informeller Malerei, ihrer Impulsivität und kantigen Rhythmik abgelauscht. (Wergo)

„Jeder, der hier mittut, soll etwas suchen und versuchen, das er oder sie in seinem Leben möglicherweise noch nicht gemacht hat. Um eben auch dieses Glatteis der Erschütterung, des Neuen, des Zerbrechlichen zu betreten.“ Jeder heißt in Bezug auf Helmut Oehrings „Angelus Novus II“: Studierende und Dozierende der Hochschule der Künste Bern, das VERTIGO Ensemble, ein Jazz-Trio, Opernsänger, Kammerchor, Sprecher (u.a. David Moss), Tänzer und Medienkünstler, die ein kollektiver Arbeitsprozess verband. Der visuelle Aspekt dieser um Walter Benjamin und Paul Klee gleichermaßen kreisenden „Collage instrumental-vocal mis-en-scène“ gerät im Medium CD naturgemäß ins Hintertreffen, die musikalische Intensität der UA aus der Dampfzentrale Bern (2015) beflügelt jedoch umso mehr die eigenen Assoziationen. Eine eindringliche Ortlosigkeit schwebt über diesen mit suggestiven Textfragmenten und O-Tönen bestückten Klangbildern. (Neos)

Neues aus dem Hause Ensemble Modern: das SaVaSa Trio, benannt nach den Vornamen von Sava Stoianov (Trompete), Valentin Garvie (Trompete) und Saar Berger (Horn). Nicht gerade alltäglich besetzt, bringt es in „Calls, Studies & Games“ eine Auswahl von 20 maßgeschneiderten Kompositionen zu Gehör. Der Titel passt, denn das provisorische und spielerische ist vielen der aphoristisch angelegten Stücke eigen. Zwei Aspekte ziehen sich wie ein roter Faden durch diese Kompilation: irisierende Farbmischungen flächiger Bauweise auf der einen (Márton Illés: „Én-kör I“), burleske Instrumentalgestik auf der anderen Seite (Martin Matalons „Metal sobre Metal“). Es geht aber auch ‚postmodern‘: Herrmann Kretzschmar, altgedienter Pianist des Ensemble Modern, hat in seinen „SaVaSa Games“ für seine Kollegen ein Sammelsurium polystilistischer Miniaturen geschaffen. Die Freude an ‚falschen‘ Motiven, Melodien und Sujets überträgt sich unmittelbar, gipfelnd in durchaus origineller Tristan-Parodie („Wagnis“). (Ensemble Modern Medien, 2 CDs)

Das ensemble]h[iatus bewegt sich programmatisch zwischen Interpretation und Improvisation und hat sich auf seiner ersten CD-Produktion mit dem österreichischen Komponisten Peter Jakober zusammengetan, will heißen: ausgewählte Ensemblestücke mit raumgreifenden Improvisationen kombiniert, die Aspekte der Kompositionen weiterdenken. Jakober, ein Schüler von Georg Friedrich Haas, schreibt eine Musik, die von minutiösen rhythmischen Verschiebungen und mikrotonalen Klangvaleurs geprägt ist, eine flimmernde Zwischenwelt aus Klang und Geräusch, Instrumentalgestik und Elektronik, deren brüchige Mikrostrukturen den Klang gleichsam von Innen ausleuchten. Jakobers Filigran-Ästhetik findet beim ensemble]h[iatus dankbare Abnehmer und inspiriert Klangtexturen, deren Dünnhäutigkeit ebenso aufhorchen lässt, wie ihre Neigung zum Chaos. (Césaré)

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