Hauptbild
Steffen Wolf: Wege zum Liedgesang – ein deutscher „Vaccai“. 24 Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine für Singstimme und Klavier. Pädagogische Kommentare von Steffen Wolf in Texten von Carmen Hillers. Breitkopf & Härtel.
Steffen Wolf: Wege zum Liedgesang – ein deutscher „Vaccai“. 24 Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine für Singstimme und Klavier. Pädagogische Kommentare von Steffen Wolf in Texten von Carmen Hillers. Breitkopf & Härtel.
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Im Wald der Träume und Klagen

Untertitel
Neues Notenmaterial für Gesang und Klavier
Publikationsdatum
Body

Gabriel Fauré: Complete Songs. 34 Lieder für Singstimme und Klavier. Kritische Ausgabe von Roy Howat und Emily Kilpatrick. Peters Edition Ltd London. +++ Steffen Wolf: Wege zum Liedgesang – ein deutscher „Vaccai“. 24 Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine für Singstimme und Klavier. Pädagogische Kommentare von Steffen Wolf in Texten von Carmen Hillers. Breitkopf & Härtel. +++ Ernst Krenek: Frühe Lieder Für Gesang und Klavier, hg. von Claudia Maurer Zenck. Universal Edition. +++ Alban Berg: Jugendlieder. Band 3 (1901–1908). Lieder, Duette, Melodram, Fragmente und zweifelhafte Lieder für Stimme und Klavier, hg. von Christopher Hailey. Universal Edition

Gabriel Fauré: Complete Songs. 34 Lieder für Singstimme und Klavier. Kritische Ausgabe von Roy Howat und Emily Kilpatrick. Peters Edition Ltd London. Volume 1 für hohe Stimme, ISMN 979-0-014-11760-3, Volume 1 für mittlere Stimme, ISMN 979-0-014-11761-0.

„Kein Komponist hat einen wesentlicheren und vielfältigeren Beitrag zum französischen Liedrepertoire geleistet als Gabriel Fauré“. (Zitat aus dem Vorwort). Die Herausgeber recherchierten bestens und vermitteln auf sechs Seiten Originaltext, sowie dankenswerterweise in englischer und deutscher Übersetzung, informative Details auf der Grundlage unzähliger Manuskript,- Aufführungs- und gedruckter Quellen.

In Faurés Liedern finden sich reichlich rhythmisch-hemiolische Akzentverschiebungen, die höchstwahrscheinlich aus den Volksweisen seiner Heimatregion stammen. Das umfangreiche Werk zeichnet sich durch rhythmische Vitalität wie auch durch französisch geprägten melodischen Charme in besonderer Weise aus. Dass sich Faurés Intention (er war u.a. Titularorganist der Orgel von La Madeleine) stark an pragmatischer Aufführbarkeit orientiert, belegt die Vielzahl transponiert autorisierter Lieder. Die neu aufgelegte Edition mit 34 Liedern in zwei Bänden erscheint nun in hoher und tiefer Stimmlage, ohne Berücksichtigung der Tessitur oder Tonartcharakteristik. Fauré selbst verstand sich als personifiziertes Metronom. Ihm wiederstrebte jegliche sentimentale Affektiertheit. Die Tempoangaben beziehen sich auf das natürliche Sprachtempo des gesprochenen Gedichts, modifiziert jedoch an die jeweils ausführenden Interpreten. Um dem melodischen Verlauf seiner musikalischen Entwürfe zu folgen, nahm er sich die Freiheit, Gedichte aus ihrer poetischen Form, sei es in Satzstellung, sei es in der Entfernung von ganzen Strophen oder selektierter Zeilen, einfach zu verändern.

Der erste Band enthält sämtliche frühen Lieder von Opus 1 1861 bis Opus 27 aus dem Jahr 1882. Alle Lieder sind Sängern oder Freunden gewidmet. Die Liedtexte, ausschließlich französischer Poeten, sind in Originalsprache sowie in englischer und deutscher Übersetzung abgedruckt. Die Edition ist hervorragend und praxisentsprechend.

Steffen Wolf: Wege zum Liedgesang – ein deutscher „Vaccai“. 24 Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine für Singstimme und Klavier. Pädagogische Kommentare von Steffen Wolf in Texten von Carmen Hillers. Breitkopf & Härtel. Hoch: EB 8848, ISMN 979-0-004-18438-7; Mittel: EB 8849, ISMN 979-0-004-18439-4; Tief: EB 8850, ISMN 979-0-004-18440-0

Noch ein Vaccai? Das geniale, didaktische Meisterwerk Vaccais war und ist auch noch heute das Einmaleins zum Studium des Belcantogesangs. Und dies weltweit. „Der Vaccai“ bietet das Rüstzeug für kultiviertes Singen mit Intonations- und Treffsicherheitsübungen sämtlicher Intervalle, hilfreiche Angaben zur Ausführbarkeit von Portamento, Geläufigkeit, Verziehrungen, bis hin zum cantare recitando für korrekte Sprachdiktion. Musikalisch reizvolle, stilistisch vom 19. Jahrhundert geprägte, mit Metastasio-Texten unterlegt Arien, erfüllen alle Anforderungen für die Interpretation bedeutender italienischer Meister vom Range eines Rossinis oder Verdi.

Warum noch ein deutscher „Vaccai? Das beantworten namhafte Sänger im Lehrberuf an deutschen Musikhochschulen so: „…Das Schönste ist: Diese Lieder sind nicht trockene Etüden, sondern man macht gleich ‚Musik‘ und obendrein kann man neben Gestaltung und Ausdruck auch technische Dinge wie Atemführung, Intonation, Legato, Beweglichkeit und Sprachbehandlung üben.“ (Prof .Margreet Honig, Amsterdam) Auch Prof. Peter Schreier begrüßt in seiner Empfehlung diesen „Vaccai“. Der Herausforderung kultivierten Singens wird diese Vaccai-Adaption vor allem vom Stil her gerecht. Steffen Wolf komponierte „echte Lieder“ mit unterlegten Heine-Gedichten, gelegentlich auch ausgewählter Gedichtzeilen aus „Das Buch der Lieder“, in denen auch der Humor nicht zu kurz kommt.

Apropos Sprache – da hapert’s doch grundlegend. Und nicht nur für Nicht-Muttersprachler, denen Prof. Tom Krause dieses Lehrbuch ausdrücklich nahe legt, ist die Hochsprache, gar die deutsche Bühnensprache, abstrakte Phonologie. Bedauerlicherweise kursiert der Fremdbegriff Phonetik an deutschen Bildungsanstalten genau so, ganz im Gegensatz zum Englischunterricht, in dem Pronunciation eifrig geübt wird und zwar so lange, bis jede Zunge beide „tee aitches“ gefunden hat. Doch das Kunstlied lebt in seiner Präsenz von der Klanglichkeit der Lyrik, seiner suggestiven Bildersprache, seiner Vokalfärbung, seiner Konsonantenvielfalt. All diesen Anforderungen wird der „deutsche Vaccai“ gerecht. Die Heine-Gedichte sind in unterlegter Umlauschrift präzisiert.

Die Interpreten der jedem Band beigelegten CD sind: Miriam Alexandra, Sopran, Steffen Wolf, Tenor, Yvi Jänicke, Alt,, Dávie Csizmár, Bariton, am Klavier begleitet von Henning Lucius.

Ernst Krenek: Frühe Lieder Für Gesang und Klavier, hg. von Claudia Maurer Zenck. Universal Edition. Heft 1: Opus 9, WoO 63 und 64 (1921–1922), UE 35741, ISMN 979-0-008-08601-4; Heft 2: Opus 13b, 15, 19, 45a, WoO 70, WoO 129 (1922 – 1924, 1926), UE 35742, ISMN 979-0-008-08602; Heft 3: Opus 30 (1924), UE 36611 UE 35743, ISMN 979-0-008-08603-8.

Ernst Krenek wurde in Wien geboren, begann dort als 16-jähriger sein Kompositionsstudium bei Franz Schreker, dem er, nach dessen Ruf als Direktor der Akademischen Hochschule für Musik, nach Berlin folgte. Aus Kreneks Wiener Studienjahren sind etwa 30 Lieder für Sologesang und Klavier erhalten. Die ersten Lieder entstanden schon während der Schulzeit im literarischen Umfeld seines Schulfreundes, des Dichters und Verfassers zahlreicher Liedtexte, Gerd Hans Goering. Bis zu dessen frühem Tod blieben beide sich freundschaftlich verbunden. Acht, in Heft 1 (Opus 9, 1–8) veröffentlichte Gedichtvertonungen stammen aus der Feder Gerd Hans Goerings, weitere acht in Heft 3. Mit Ausnahme des „Spruchs“ von Johann Wolfgang von Goethe und „Die frühen Gräber“ von Friedrich Gottlieb Klopstock (Franz Schubert!) liegen sämtlichen Liedern Texte zeitgenössischer Dichter oder auch Autoren seines näheren Bekanntenkreises zugrunde, darunter Franz Werfel, Karl Kraus, Hans Reinhart und Otfried Krzyzanowski.

Ernst Krenek komponierte schnell und viel, experimentierfreudig, mit großer stilistischer Bandbreite. Die frühen Lieder lassen spätromantische sowie expressionistische Züge in vielfältiger harmonischer Fluktuation irisierender Akkorde, tonale Elemente ohne funktionale Bedeutung erkennen. Opus 15 und Opus 19 entstanden in Breitenstein am Semmering im Ferienhaus Alma Mahlers, deren Tochter Anna er während eines zweijährigen Aufenthalts in der Schweiz inklusive mehrerer Stopps in Paris 1924 heiratete. Die Ehe scheiterte. Nach längerer Komponierpause änderte Krenek seine Tonsprache unter dem Einfluss Strawinskys und des französischen Neoklassizismus stilistisch hin zur Neoromantik, kehrte zurück zur Tonalität. Lieder, so auch die im Anhang des 1. Bandes erschienenen Opera 9,2 und 9,4 wurden mehrfach umgearbeitet, transponiert, mit leichterem Klaviersatz versehen oder auch neu vertont. Erst in späteren Jahren nutzte der vom Nationalsozialismus Verfemte, ab 1938 in den USA wirkende Komponist Ernst Krenek alle Stilelemente des 20. Jahrhunderts.

Die Edition enthält 37 Lieder in 44 Fassungen aus den Jahren 1920 bis 1926. Buntes Vielerlei in der Einleitung, detailgenaue Quellenangaben einschließlich informativem kritischem Bericht in jedem einzelnen Heft, sowie die Liedtexte sind in Deutsch und Englisch abgedruckt.

Alban Berg: Jugendlieder. Band 3 (1901–1908). Lieder, Duette, Melodram, Fragmente und zweifelhafte Lieder für Stimme und Klavier, hg. von Christopher Hailey. Universal Edition UE 36 611. ISMN 979-0-008-08703-5

Anlässlich des 100. Geburtstags Bergs veröffentlichte die Universal Edition entgegen einer vom Autor nicht verbrieften Verfügung der 1976 verstorbenen Komponistenwitwe 46 von insgesamt mehr als 70 Jugendliedern aus den Jahren 1901 bis 1908 in zwei Bänden. Alle übrigen bisher unzugänglich verbliebenen Lieder sind in dem neuerdings erschienenen 3. Band enthalten. Darunter befinden sich zwei Fragmente, zwei nicht zweifelfreie Kompositionen, sowie das nach dem Goethe-Gedicht vertonte Melodram „Klagegesang von der edlen Frauen des Asan-Aga“ sowie zwei Duette aus dem Jahr 1903: „Im Wald“ und „Viel Träume“. Eine Ausgabe in kritischer Revision wird folgen.

Nach dem Verlust des Vaters ermutigte der jugendliche Freund und Mentor Hermann Watznauer den 15-jährigen literaturbegeisterten, auch musikalisch talentierten Alban Berg Lieder zu komponieren. Theater-, Opern-, Konzertbesuche, häusliches Musizieren, selbst halböffentlich für Freunde und Gäste aus der Wiener Kultur- und Geschäftswelt wurde im Hause Berg intensiv gepflegt. Im Frühjahr 1901 entstand Bergs erste Komposition nach einem Gedicht von Franz Evers („Heiliger Himmel“, Band 3, Nr. 1). In den kommenden Jahren komponierte Berg autodidaktisch eine Fülle (angeblich 140) von Liedern, die er allerdings später selbst für eine Veröffentlichung nicht für Wert hielt.  Der um 10 Jahre ältere „Watz“ dokumentierte dankenswerterweise Bergs erste Entwicklungsjahre, die Entstehung seiner Lieder, bis zu dessen 1906 gefasstem, unabänderlichem Entschluss Komponist zu werden.

Zufall oder Schicksal – Tyche? Die Schwester Smaragda liest eine Unterrichtsanzeige Schönbergs in der „Neuen musikalischen Presse“ (8.10.1904), Bruder Charly packt heimlich ein Bündel Lieder, legt diese Arnold Schönberg vor, der sich nach sorgfältiger Durchsicht entschloss, den damals 18 Jahre alten Staatsverrechnungswissenschaft Studierenden ohne Honorar in seinen Schülerkreis aufzunehmen.  

Bergs jugendliche Neigung zum Klavierlied bezieht seine Quelle aus dem Zeitgeist, aus der Wiener Affinität zur inhaltlichen und ästhetischen Strömung des Fin de Siècle, der Idee des Aufbruchs, der Secession. Die Jugendlieder lassen trotz anfänglicher Ungeschicklichkeiten im Detail (vorherrschende Sequenzen, unvermitteltemsNebeneinander von Akkorden in „Wenn Gespenster auferstehen“) eine originäre Handschrift erkennen, ab 1905 auch technisches Fundament. Nach seiner Lehrzeit bei Arnold Schönberg komponierte Alban Berg nie wieder Klavierlieder, mit Ausnahme des Storm-Liedes II von 1925.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!