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Wenigstens bei den Nachwuchspreisen Frauenpower: Anna-Marlene Bicking, Lina Maly und Kathrin A. Renner. Foto: Martin Hufner
Wenigstens bei den Nachwuchspreisen Frauenpower: Anna-Marlene Bicking, Lina Maly und Kathrin A. Renner. Foto: Martin Hufner
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Jubiläum im Shitstorm

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10 Jahre Musikautorinnenpreis der GEMA
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Über viele Jahre gehörten die GEMA und die GEZ zu Reizworten in der öffentlichen Diskussion. Immer gab es viele Leute, die etwas gegen die Institutionen hatten. Man war im Dauerfeuer der Kritik. Die GEZ gibt es mittlerweile nicht mehr. Und die GEMA, die gibt es selbstverständlich noch. Aber sie ist längst nicht mehr so stark im Fokus von Angriffen von innen wie außen. Das ist gut so. Die Kritik bleibt natürlich nötig, sie wird aber in der Regel viel sachlicher geführt. Fast immer. Doch dieses Jahr entzündete sich ein Shitstorm anlässlich der Durchführung der 10. Ausgabe des Deutschen Musikautorinnenpreises. Was war denn da passiert?

Die Frage in der Vergangenheitsform ist ein Symptom für aktuelle Diskussionsführungen. Während sich früher Kritik und Diskussion über Wochen und Jahre hinzogen, hat man es heute mehr oder minder mit zeitlich eng begrenzten Tornados zu tun. Für Momente tauchen Themen auf, die dann von anderen lokalen Wetterstörungen verdrängt werden. Was also war passiert?

Man hatte ein deutliches Problem mit der Beteiligung von Frauen bei der Jubiläumsausgabe des Musikautorinnenpreises. Bekanntlich führt die Veranstaltung den Untertitel: Autoren ehren Autoren. Und das war sehr wörtlich zu nehmen. In der Jury des Preises saßen nur Männer (sieben Bart-, zwei Brillen und ein Hutträger), unter den Nominierten waren mit einer Ausnahme ebenfalls nur Männer. Die einzige „regulär“ nominierte Frau, Balbina Jagielska, erhielt dann den Preis in der Kategorie „Text Pop“ und muss zugleich – so dialektisch ist das Leben – damit leben, dass dies in so einem Umfeld als Feigenblatt-Auszeichnung missverstanden werden kann, was es hoffentlich nicht war.

Der Preis für das erfolgreichste Werk ging ebenfalls an eine Frau (Alice Merton). Doch da spielt bei der Auswahl die Jury keine Rolle, es handelt sich um objektive Daten. Spät nachgereicht wurden die Preisträgerinnen für den einzig dotierten Preis in der Kategorie Nachwuchs, der seit letztem Jahr sowohl gleichzeitig für die Bereiche E- und U-Musik vergeben wird. Hier waren allerdings nur Frauen dabei: Anna-Marlene Bicking, Lina Maly (die sich den Preis im U-Sektor teilen müssen) und Kathrin A. Renner.

„So geht das nicht!“

Grußwort [Ausschnitt] von Monika Grütters MdB from Martin Hufner on Vimeo.

Die Sache ist also sehr unglücklich gelaufen und Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien und zugleich Schirmherrin des Musikautorinnenpreises, sagte in ihrem Grußwort auf der Gala-Veranstaltung: „So geht das nicht!“. Nein, so geht es wirklich nicht. Aber so geht es eben manchmal doch. Seitens der GEMA hieß es zur Frage der Besetzung der Jury, dass diese von der Akademie der Musikautorinnen bestimmt werde (die sich aus den vergangenen Preisträgerinnen und Nominierten zusammensetzt). Offenbar gab es Vorschläge für eine weibliche Beteiligung der Jury, doch schlugen wohl die Vorgeschlagenen ihre Teilnahme aus. Das ist das Bedauerliche, was dem Shitstorm aber ein wenig die Luft nimmt. Hinten kann dann eben auch nicht mehr herauskommen, als man in die Jury hineingesteckt hat. Trotzdem bleibt das „So geht das nicht!“ von Monika Grütters mit Grund gesagt. „Frauen verdienen auch in der Musikbranche mehr Anerkennung und Gewicht. Und zwar nicht nur aus Gründen der Fairness, sondern auch mit Blick auf die künstlerische Vielfalt von der eben auch die Musikwirtschaft nur profitieren kann. Dafür braucht es keine Wunder, sondern nur den Mut und den Willen zur Veränderung. Bei der Besetzung von Gremien und Jurys, da kann man auch jetzt und hier schon – dafür braucht es weder Gesetze noch große Einrichtungen – für einen angemessenen Frauenanteil sorgen, damit bei Förderentscheidungen und Preisen die künstlerischen Leistungen von Frauen überhaupt erst einmal stärker ins Blickfeld rücken“, sagte sie nicht nur in Richtung der Kreativen selbst, sondern auch in Richtung der Institution GEMA als solcher. Klare Worte, die man vielleicht nicht erwartet hätte.

Zur Chronistenpflicht: Die restlichen Preise gingen an: Enis Rotthoff (Komposition Audiovisuelle Medien); Martin Stimming (Komposition Dance/Elektro); David Moss (Komposition Experiment Stimme, siehe auch Seite 16); Rammstein – Richard Z. Kruspe, Paul Landers, Till Lindemann, Flake Lorenz, Oliver Riedel, Christoph Schneider – (Komposition Rock/Metal); Michael Pelzel (Komposition Solokonzert) und Prinz Pi (Text Hip-Hop). Der Preis für das Lebenswerk ging an Klaus Doldinger.

Wichtigere Frage: Was wird passieren? Man wird spätestens im nächsten Jahr sehen, wie lernfähig sich die Akademie der Musikautorinnen und die GEMA zeigen werden – vielleicht sollte man schon mal mit der Umbe­nennung des Preises und der Akademie einen ersten, einfachen, schnell umzusetzenden Schritt „wagen“. Das wäre wahrlich nicht zuviel verlangt. Vielleicht sorgt der diesjährige Shitstorm für ein wärmendes Lüftchen im nächsten Jahr. Noch so einen Fauxpas wird man sich nicht leisten können, Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich hin oder her.

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