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Klar, übersichtlich und gewinnbringend

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Zur Studie über Koordinationsprozesse beim gemeinsamen Musizieren
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Es ist einer der glücklichsten Momente und eines der zentralen Momente des gemeinsamen Musizierens: der gelingende Augenblick beim Finden einer gemeinsamen Ausdrucksweise und schließlich das Verschmelzen der Musiker zu einem homogenen Klangkörper. Wie aber kommt es zu diesen geglückten Musiziererfahrungen? Und wie kann dies auch im instrumentalen Gruppenunterricht gelingen?

Dieser Frage geht Bianca Hellberg, Schulmusikerin und Instrumentalpädagogin, in ihrer Dissertation nach. Dabei interessiert sie besonders, wie die Musizierenden sich in solchen Musiziersituationen koordinieren und unter welchen Bedingungen dies auch im instrumentalen Gruppenunterricht möglich ist.

Was geschieht beim Gruppenmusizieren?

Das instrumentale Gruppenmusizieren hat in den letzten Jahren im Instrumentalunterricht von Schulen wie Musikschulen Hochkonjunktur. Zahlreiche Publikationen haben sich dieses Themas angenommen – von praktischen Ratgebern bis zu wissenschaftlichen Publikationen. Die vorliegende explorative Studie geht dabei dem Phänomen der interpersonalen Koordination, also der Angleichung individueller Handlungen beim Musizieren im instrumentalen Gruppenunterricht von JeKi (Jedem Kind ein Instrument) sowie Bläser- und Streicherklassenunterricht nach.

Zunächst untersucht sie den Begriff der Koordination im Zusammenhang mit musikalischem Handeln und unterzieht diesen anschließend einer lerntheoretischen Betrachtung (Musiklernen durch Musikmachen, Gemeinsames Muszieren als Teilhabe, das Lernfeld des Zusammenspiels und der Koordination). Das Zentrum bildet dann eine empirische Studie, die sich der Videografie sowie der qualitativen Befragung bedient.

Videografische Untersuchungen dienen der Beobachtung „von außen“, die Befragung geht dem Erfahren und Erleben von Koordinationsprozessen beim Musizieren nach. Es zeigt sich, dass koordinative Prozesse im Zentrum des musikalischen Miteinanders und Lernens stehen. Die Aufmerksamkeit der Lehrenden ist auf diese Fähigkeit gerichtet, wobei sie mit einem „schweigenden Wissen“ umgehen. Die Herausarbeitung koordinativer Prozesse in der Studie macht diesen Wissensbereich der pädagogischen Reflexion zugänglich.

Wichtig: die räumliche Anordnung

Eine besondere Rolle spielt dabei der koordinative Raum. Dieser ergibt sich als Kernkategorie aus der Untersuchung und meint die räumliche Gestaltung der Unterrichtssituation. Denn Koordination lässt sich nicht in einer direkten Intervention von Lehrenden erzeugen, sondern bedarf einer Bereitstellung von Bedingungsfaktoren. Die räumliche Konstellation, die Anordnung der Lernenden und Musizierenden hat dabei eine wesentliche Bedeutung, wie Hellberg zeigt. Innerhalb der räumlichen Anordnungen können Blicke, Bewegungsimpulse, nonverbale Signale für das Musizieren genutzt werden – oder auch bei ungünstiger Aufstellung verhindert werden.

Insgesamt gibt die Arbeit einen interessanten Einblick in einen bislang in der musikpädagogischen Lehr-Lernforschung noch kaum thematisierten Bereich. Die differenzierte Beschreibung und reflektierte Begrifflichkeit öffnen eine Perspektive, die gleichermaßen für den didaktischen Gebrauch wie auch für die musikpädagogische Forschung fruchtbar ist. Die Studie ist klar und übersichtlich gestaltet – zentrale Unterrichtssituationen werden mithilfe von Standbildern verdeutlicht – und sprachlich gut verständlich auch für den wissenschaftlichen Laien dargestellt. Eine gewinnbringende Lektüre nicht nur für Instrumentalpädagogen.

Bianca Hellberg: Koordinationsprozesse beim Musizieren im Instrumentalen Gruppenunterricht. Münster/New York (Waxmann) 2019, Perspektiven musikpädagogischer Forschung, Band 11, 354 Seiten, broschiert, 37,90 Euro, ISBN978-3-8309-4002-9

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