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Kunst schafft Wissen

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Uraufführungen 2015/12
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Als sich in den Savannen Afrikas unsere Vorfahren einst zum aufrechten Gang erhoben, wurden ihre Vorderbeine zu Händen und damit in die Lage versetzt, Dinge anzufassen, Werke und Werkzeuge herzustellen – mit weitreichenden Folgen.

Im Laufe von Jahrtausenden lagerte dann Homo sapiens sapiens immer mehr Funktionen seines Körpers in Hilfsmittel aus, welche die Grenzen seiner Wahrnehmung und Erschließung von der Welt erweiterten. Die Hand wurde zum Hammer und schließlich zum Walzwerk, die Füße wurden zum Rad und endlich zum Automobil oder Düsenjet, das Sprechen wurde zur Schrift und das Gedächtnis ausgelagert in Tontafeln, Bücher, Tonträger, Computer und Internet. Zahllose dieser „Exteriorisierungen“ bescherten dem Menschen eine eigene „Exo-Evolution“, die nun aktuell das ZKM Karlsruhe in einer Ausstellung unter die Lupe nimmt. In den Fokus gestellt werden bis Ende Februar 2016 insbesondere künstlerische Anwendungen verschiedener Technologien, die unsere Realität bereits prägen oder in nächster Zukunft bestimmen werden: 3D-Drucker, Roboter, Cyborgs, Sensoren, Gen-Pools, synthetische Lebewesen, bionische Anzüge, Silikonnetzhäute, künstliche Gewebe und und und.

Längst reagiert Kunst auf technische Entwicklungen, die dem Menschen zuvor verborgene Dinge erfahrbar machen, wie etwa Mikroskop, Teleskop, Fotografie, Nanotechnologie, Weltraumforschung, Computertomografie et cetera. Künstler erobern sich mediale Techniken apparativer Perzeption, um damit – so die Karlsruher Ausstellungsmacher – „ein Bewusstsein für die Verschränkung von natürlicher und apparativer Wahrnehmung, von Gegenstandswelt und Medienwelt, Kunst und Wissenschaft“ zu schaffen. Da Medien jedoch nicht nur Text-, Bild- und Ton-Maschinen sind, sondern auch selber neue Wahrnehmungsweisen, Kommunikationsformen und Wirklichkeiten konstruieren, bewegen sich heute immer mehr Künstler auf den Feldern von „artistic research“ mit wissenschaftlich forschenden Methoden: „Eine Verwissenschaftlichung der Kunst wie in der Renaissance zeichnet sich ab, eine Renaissance 2.0.“

Auch die sechste und letzte Ausgabe der vom NRW KULTURsekretariat veranstalteten Reihe „Sichtungen“ zu Kunst und Theorie beschäftigt sich am 8. Januar 2016 in der Studiobühne Köln mit den Veränderungen des Lebens durch Wissenschaft und technische Erfindungen. Soziologen, Kulturwissenschaftler, Biologen, Wissenschaftshistoriker und Künstler verschiedener Disziplinen überdenken beim Symposion „Endstation Zukunft“ die durch das digitale Zeitalter beschleunigte Gegenwart und „umfassende Mobilmachung der kreativen Reserven“ samt der Zukunftsaussichten unseres „ästhetischen Kapitalismus“.

Praktische Probe auf’s Exemplar solcher Digi- und Exo-Theorien unternimmt die elfte Ausgabe des Festivals für experimentelle Musik „klub katarakt“ auf Kampnagel in Hamburg mit überwiegend multimedialen und interdisziplinären Projekten. Zur Eröffnung am 13. Januar gibt es vom 1934 geborenen Composer in Residence Christian Wolff neben „Burdocks“ für mehrere Ensembles und beliebig viele Mitwirkende die Uraufführung von dessen „Where“ für mehrere Trios und Quartette. Den Abschluss bildet am 16. Januar eine lange Nacht mit neuen Kompositionen, Experimentalfilmen und audiovisuellen Performances der hanseatischen Experimental-Szene, namentlich von Sascha Lino Lemke, Moxi Beidenegl und Gregory Büttner, sowie von Neele Hülcker und des Berliner Audiovisualisten Rainer Kohlberger. Für Party sorgt ab Mitternacht das Hamburger DJ-Kollektiv Sutsche.

Weitere Uraufführungen

04.12.: Cathy Milliken, Earth plays für Mezzosopran und Orchester, musica viva München
08.12.: José Maria Sánchez-Verdú, Porträtkonzert mit neuem Werk für Ensemble E-MEX, domizil Dortmund
10.12.: Detlev Glanert, Megaris für SWR Vokalensemble und RSO Stuttgart
15.01.: Hans Zender, 2 Polymeter nach Jean Paul für Tenor und Klavier, Konzerthaus Dortmund
22.01.: Francesca Verunelli und Isabel Mundry, Neue Werke, musica viva München
24.01.: Juan Allende-Blin, neues Werk im Gedenkkonzert für Gerd Zacher, Evangelische Kirche Essen-Rellinghausen
29.01.: Hans Abrahamsen, Left, alone für Klavier linke Hand und Orchester, Musik der Zeit Köln
31.01.: Miroslav Srnka, South Pole, Bayerische Staatsoper München

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