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Blaibach: kompromisslose, erstklassige Konzerthausarchitektur im Bayerischen Wald. Fotos: Juan Martin Koch
Blaibach: kompromisslose, erstklassige Konzerthausarchitektur im Bayerischen Wald. Fotos: Juan Martin Koch
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Monolith mit Klangnestern

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Eröffnung des Konzerthauses Blaibach im Rahmen des „Kulturwald“
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„Kaum zu glauben, dass jetzt eröffnet wird, wenn man bedenkt, wie es gestern noch hier aussah.“ Sinngemäß war das der häufigste Satz, den man am Abend des 12. September bei der Eröffnung des Konzerthauses Blaibach zu hören bekam, meist natürlich mit entsprechender dialektaler Note. Ein gewaltiger Kraftakt war es in den Wochen zuvor gewesen. Jeder, der nur mal eben die Baustelle besichtigen wollte, lief Gefahr, eine Schaufel oder eine Schubkarre in die Hand gedrückt zu bekommen.

Doch nachdem das „Großer Gott, wir loben dich“ verklungen und der Weihrauch der Segnungsfeier verzogen ist, darf man endlich hinein ins neue kulturelle Schmuckkästchen des Bayerwaldes (siehe auch nmz 5/2014). Schmuckkästchen? Das gottlob nicht im Sinne tümelnder Stadelgemütlichkeit, dafür aber in Form von kompromissloser Architektur auf der Höhe der Zeit und der Erfordernisse eines Konzertraumes: Der kantige Charakter des aus dem Blaibacher Kirchplatz förmlich herauswachsenden Granitblocks – eine Hommage an die örtliche Steinhauertradition – setzt sich im Inneren fort. Dabei ist der Sichtbeton jedoch in luftige Lamellen aufgebrochen. Aus den mit Bassabsorbern bestückten Schlitzen kommt die indirekte Beleuchtung, die Oberfläche der erstmals in dieser Form eingesetzten Betonmischung ist aufgrund des hohen Glasanteils vielfach aufgebrochen. Das dient der Akustik (Absorbtion der Mitteltöne) und der Optik gleichermaßen. Wie grafische Muster beleben die Risse und „Nester“ die hellen Flächen, das Auge findet Halt und Anregung, ohne von der Hauptsache, der Musik, abgelenkt zu werden.

Obwohl einige Elemente der Innenausstattung (darunter die Sitzbezüge und der Podiumboden) noch fehlen, ist der Raumklang schon vielversprechend. Er bewältigt die Grenzbelas­tung durch ein Originalklangorches­ter plus Chor in Haydns „Schöpfung“ ebenso, wie er die Töne einer einzelnen Klarinette mit Klavierbegleitung warm und präzise bis in die letzte Reihe des steil aufsteigenden Zuschauerraumes trägt.

Das Orchester ist an diesem Eröffnungswochenende, dem End- und Höhepunkt des diesjährigen Kulturwald-Festivals, die Capella Augustina. Zusammen mit den Frauenstimmen der Lofoten Voices und den Herren der Max Reger Vereinigung entsteht unter der Leitung Andreas Sperings ein frischer, farbiger Lobpreis der „Schöpfung“ – im Allgemeinen und dieser im speziellen. Kulturwald-Erfinder und Konzerthaus-Initiator Thomas E. Bauer trotzt den sichtbaren Er-Schöpfungserscheinungen und komplettiert mit bisweilen allzu bildgewaltiger Stimme das exzellente Solistentrio mit Sopranistin Ilse Eerens und Tenor Sebastian Kohlhepp.

Die Klarinette spielt zwei Tage später die fabelhafte Lisa Shklyaver, am Flügel sitzt kein geringerer als Jos van Immerseel. Warm und durchsichtig klingen auf dem herrlichen Steingraeber-Instrument Debussy, Poulenc und andere Franzosen. Den programmatisch nicht wirklich einleuchtenden Kontrast bildet im gleichen Konzert „D’Waidler Musi“ mit echter, unverfälschter Volksmusik. Ein kleines klassisches Augenzwinkern darf dabei nicht fehlen: Offenbachs Barcarole lädt zum dezenten Schunkeln, Verdis Gefangenenchor zum Mitsingen ein.

Das lokale Publikum lässt sich darauf ebenso ein, wie es zuvor Debussy gelauscht hat und sich anschließend in den Bach’schen Kantatenkosmos einführen lässt – ein Vorgeschmack auf einen der künftigen Programmschwerpunkte im Blaibacher Konzerthaus. Marianne Beate Kielland gestaltet die Alt-Kantaten bravourös, kundig und anregend erläutert von Christoph Spering, einem der Protagonisten der geplanten Bach-Akademie Bayerischer Wald

Ein Ziel hat Thomas Bauer also offenbar schon erreicht: die Menschen vor Ort für „ihr“ neues Konzerthaus und anspruchsvolle Musik verschiedenster Couleur zu interessieren. Nun muss der umtriebige Musikmanager zusammen mit Uta Hielscher und seinem Team beweisen, dass man den Elan der Eröffnungseuphorie auch über eine Konzertsaison hinweg aufrecht erhalten kann. Das bisher veröffentlichte „Rumpfprogramm“ (O-Ton Bauer) lässt mit dem einen oder anderen „üblichen Verdächtigen“ noch Luft nach oben, aber es kursieren auch schon andere Namen, die neugierig machen auf vieles, wofür sich die Fahrt nach Blaibach in Zukunft lohnen könnte.

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