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Musik-Assoziationen

Untertitel
Der neueste Band der „BR Radiobücher“
Publikationsdatum
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Wolf Loeckle (Hg.): Identitäten. MusikWeltDenken. München, Belleville. 275 S.,
€ 19,80. (BR Radiobuch Nr. 5) – Angabe zum Preis nur anhand der anderen BR-Bände vermutet!

Wort-Neuschöpfungen bei Buchtiteln haben derzeit Konjunktur. Nach Opernbüchern wie „OperMachtTheaterBilder“ und „AngstBilderSchauLust“ gibt es nun „MusikWeltDenken“, ein von Wolf Loeckle herausgegebener Band, der außerdem mit dem Begriff „Identitäten“ überschrieben ist. Der Titel lässt viele Assoziationen zu. Wer den Band aufschlägt, wird feststellen, dass genau das wohl auch beabsichtigt ist. Zwanzig Beiträge zu den unterschiedlichsten Themen sind hier versammelt. Das breite Spektrum zeigt, was Musik ist und was sie sein kann. Da es sich bei den Artikeln ausnahmslos um Manuskripte beziehungsweise Gespräche handelt, die vom Bayerischen Rundfunk gesendet wurden oder zumindest Sendekonzepte des BR beschreiben, handelt es sich, auf einer zweiten Ebene, auch um ein Buch, in dem das Medium Radio thematisiert wird, seine Grenzen, aber mehr noch: seine Möglichkeiten.

Die Vielfalt der behandelten Sujets erstreckt sich über die Wechselwirkungen zwischen Radio und Internet, über Features zur Musikstadt Wien und zur Oper in Südamerika bis hin zu Fragen der Beschreibung von Musik oder Formen der Wechselwirkung von Musik und Literatur, konkretisiert an der versprachlichten Musik bei Ludwig Tieck. Dazu gibt es die Verlaufsprotokolle von hochkarätig besetzten Diskussionsrunden zu den Themen Schostakowitsch, Bach und „Kulturnot/Notkultur“ sowie den Abdruck einer (von insgesamt zwölf musikhistorisch orientierten) hörspielartigen Sendung von Reinhard Schulz zum Thema „Theresienstadt“. Mag die Heterogenität der Sujets zunächst verwirrend oder gar beliebig erscheinen, allen Texten ist eines gemeinsam: Sie zeigen, dass der Rundfunk – entgegen mancher Meinung – immer noch hinreichend Chancen dazu bietet, in die Tiefe zu gehen. Oberflächlichkeit oder die Reduzierung komplexer Themen auf ein Minutenminimum spiegelt sich in den hier abgedruckten Manu-skripten nicht. Die sprachliche Herangehensweise der meisten Autoren verrät, dass der Faktor verständlichen Erzählens nicht automatisch mit den Verlusten von Qualität und Liebe zum Detail einhergehen muss.

Der Leser kann sich vom Inhaltsverzeichnis leiten lassen, er ist nicht an eine chronologische Lektüre gebunden. Die Qualität der Texte ist so unterschiedlich wie die Themen, die Darstellungsstile so verschieden wie ihre Autoren. Da ist Ulrich Schreibers konzise Bewertung des Musikschriftstellers „Leonard Bernstein“, da ist Dietmar Hollands fundiert-thesenfreudige Auseinandersetzung über die unterschiedlichen Arten von Musikbeschreibung und da sind Markus Vanhoefers historisch virtuos vernähte Ausführungen über das klingende Paris. Vernetzungen zwischen den Texten ergeben sich teilweise zufällig. Wenn Ursula Schneewind über das „Jüdische Musikleben in Wien, München und Berlin“ berichtet und dabei auch auf Gustav Mahler zu sprechen kommt, so findet sich eine nahtlose Fortsetzung in Bernhard Neuhoffs Text über Wiener „Lokalkolorit und Machtfragen“. Auch wenn der herausgeberische Aufwand deutlich größer gewesen wäre, an Stellen wie diesen zeigt sich, dass ein Register den Band leichter handhabbar gemacht hätte.

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