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WDR Sinfonieorchester ohne seinen Chefdirigenten Cristian Mãcelaru. Foto: Jurek Malottke
WDR Sinfonieorchester ohne seinen Chefdirigenten Cristian Mãcelaru. Foto: Jurek Malottke
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„Mutige Dinge tun“

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Der WDR präsentiert das neue Konzert- und Sendeformat „Miniaturen der Zeit“
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Wie andere Sendeanstalten steht auch der Westdeutsche Rundfunk gegenwärtig wegen unzureichender Erfüllung seines Kulturauftrags in der Kritik. Ein anderes Gesicht zeigt der Sender mit dem Vorstoß, die Konzerte des WDR-Sinfonieorchesters um „Miniaturen der Zeit“ zu bereichern. Gemeint sind maximal fünf Minuten dauernde Stücke verschiedener Besetzung, die an geeigneter Stelle im Konzertprogramm Hörerinnen und Hörer klassischer Musik mit etwas Anderem, Neuem, Aktuellem ansprechen und idealerweise für die Spezialreihe der Gegenwartsmusik „Musik der Zeit“ interessieren sollen.

Ausgedacht haben sich das Kleinformat Chefdirigent Cristian Mãcelaru, Redakteur Harry Vogt und Orchestermanager Sebastian König. Gemeinsam wählen sie zwölf Komponistinnen und Komponisten, deren Auftragskompositionen sich mit einem frei wählbaren Thema unser Zeit auseinandersetzen sollen, um auf diese Weisen „Relevanz“ unter Beweis zu stellen: Klimawandel, Pandemie, Bienensterben, Einsamkeit in Lockdowns. Wie wäre es noch mit Militärdiktaturen, Hungersnöten, Kriegen, Flüchtlingen, Obdachlosigkeit, Cyberkrimialität, Wettrüsten …? Brisante Themen gibt es zu Hauf. Bisher beteiligt sind Vito Žuraj, Birke Bertelsmeier, Malika Kishino, Sarah Nemtsov und Nico Muhly. Den Anfang machte bereits Ende Mai die 1982 geborene Britin Charlotte Bray mit „Where Icebergs Dance Away“. Auf die ehemalige Schülerin von Mark Anthony Turnage folgt am 11. Juni „Entwine“ von Dai Fujikura, einst Schüler von George Benjamin.

Die Uraufführungen sollen in den Abonnementskonzerten des Orches­ters gespielt und live zur Hauptsendezeit übertragen werden. Zu Zeiten von Corona werden daraus freilich Ursendungen, die WDR 3 einmal im Monat in der Reihe „Tonart“ von 15 bis 16 Uhr mit Reportagen und Gesprächen kombiniert, um die „Musik der Gegenwart von der Entstehung bis zur Uraufführung“ dem Radiopublikum näher zu bringen. Bei der Pressevorstellung der neuen Konzert- und Sendereihe betonte Valerie Weber: „Wir als Rundfunkanstalt müssen uns trauen, mutige Dinge zu tun, die andere nicht machen oder auch aus finanziellen Gründen nicht machen können.“ Der Satz gehört ins Protokoll und darf der WDR-Programmdirektorin gerne wieder vorgehalten werden, wenn es demnächst um die Nachfolge des seit 1985 amtierenden und bald pensionierten WDR-Redakteurs für Neue Musik Harry Vogt geht. Einstweilen betont man im WDR, Neue Musik sei „Chefsache“, weil der Chefdirigent die neuen Miniaturen selbst zur Aufführung bringt. Mãcelaru wollte nicht zuletzt Leiter des Kölner Orchesters werden, weil dieses zu einem der weltweit wichtigsten Kangkörper für die Musik der Gegenwart gehört: „Wir sind die Botschafter des Kulturlandes NRW in der Welt. Musik ist nie alt oder neu, sondern immer das, was und wer wir sind. Miniaturen passen gut in unsere Zeit, weil sie typisch für die Art sind, wie heute Aussagen getroffen werden, auch sehr persönliche, wie ein Haiku.“ Man darf gespannt sein: Wie klingen schmelzende Gletscher? Wie australische Buschbrände? Welchen Totentanz vollführen sterbende Insekten? Wie tönen vereinsamte Seelen?

 

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