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Orte für’s Zeitgenössische

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Die Münchner Gesellschaft für Neue Musik stellt vor
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Das Millionendorf München ist eine wachsende Stadt. 2009 glaubte man noch, dass 2020 die Schallmauer von 1,4 Mio. Einwohnern durchbrochen würde. Diese Zahl wurde aber bereits 2013 erreicht. Potenziell bringt dies auch einen Anstieg an Kulturfans. Heißt das andersrum, dass zugleich die Kunstmusikszene wächst?

Ist da nicht die Diskussion um die Qualität der Akustik der Philharmonie im Gasteig und die bisher vergebliche Standortsuche des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks für einen eigenen Konzertsaal kontraproduktiv? Sind im Bereich der zeitgenössischen Musik nicht der Wegfall der Klangspurenreihe der Musiktheaterbiennale und des Festivals Klangaktionen sowie die Aufgabe der Klangkunstplattform „tube“ ähnlich düstere Vorzeichen? Direkt Betroffene empfinden das so. Es sind aber viel eher Zeichen des Wandels! Waren die Klangaktionen eng mit der Person Josef Anton Riedl verknüpft, der aus Altersgründen sein Festival nicht mehr weiterführte, hat das aDevantgarde-Festival, so sehr es mit Moritz Eggert assoziiert wird, sein Leitungsteam kontinuierlich erneuert.

Wie man die Klangaktionen als einziges Festival der freien Neue-Musik-Szene wahrnahm, so sah man das Xsemble als das einzige Ensemble für dieselbe Sparte. Anfang der Neunziger Jahre gründete Roger Epple ein Münchner Ensemble für Neue Musik, das sich leider bald wieder auflöste, als er GMD in Halle wurde. Wenig später gelang mit dem Ensemble pianopossibile eine Initiative, die nach schwierigen Anfängen heute nicht mehr wegzudenken ist. Es folgte die Taschenphilharmonie von Peter Stangel, auch wenn diese nicht nur auf Neues spezialisiert ist. Gar eine eigene Konzertreihe stellte Markus Elsner mit seinem Ensemble Zeitsprung auf die Beine, gefolgt vom jungen Index-Ensemble. Peter Tillings Ensemble Risonanze Erranti ist die jüngste Gründung. Zwar beschäftigt keines dieser Ensembles seine Musiker exklusiv. Im Gegensatz aber zu den BR-Sinfonikern hat pianopossibile mit dem Giesinger Pöllatpavillon seinen eigenen Probenort. Ist das Orchester selbst mit „musica viva“ nur Gast im Herkulessaal, veranstaltet pianopossible kleine Konzerte im eigenem Haus. Zugleich ist es die Heimat für Musiker und Komponisten, die in der Service-, Sicherheits- und Schlafhochburg München weder in ihren Wohnungen noch in nicht exis-tierenden Ateliers tätig sein können. Das wird auch ein wunder Punkt bleiben, wenn das Kreativquartier eröffnet sein wird, das viele Künste bedienen soll und so wiederum nur wenige versorgen wird.

Neben den kleineren Sälen des Gas-teig-Kulturzentrums sind jetzt das i-camp/Neues Theater München, der Giesinger Bahnhof, die alten Bierkeller des Einstein-Kulturzentrums, wo unter anderem der interdisziplinär forschende Signalraum zu Hause ist, die Aufführungsorte der zeitgenössischen Musik. Der wichtigste Ort ist allerdings nun das Schwere Reiter. Dieses wird wohl im Kreativquartier aufgehen, womit sein einzigartiger provisorischer Charme fehlen wird. Finanziert wird das alles durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt. Getragen wird es durch die Musikerinnen und Musiker, die sich beispielsweise im Münchner Tonkünstlerverband, der mit seinem Studio für Neue Musik eine eigene traditionsreiche Konzertreihe pflegt, oder auch in der musica femina organisierten.

Ein Querschnitt durch all diese Festivals, Verbände und Freischaffenden ist die Münchner Gesellschaft für Neue Musik (MGNM). Zuerst von Reinhard Schulz geleitet, stehen ihr nun Nikolaus Brass und Minas Borboudakis vor. Bisheriger Höhepunkt war das zahlreiche Schaffende präsentierende biennale Musikfest. Nach den Jahren im Schwere Reiter fand es dieses Jahr interdisziplinär mit der „Schwabinger Kunst im Karre“ in diversen Ateliers statt. Mit Schwestergesellschaften in anderen Zentren des Landes pflegt man inzwischen Austauschkonzerte. Besonders aufregend war 2012 ihr Festival „Verspielte Maschinen“ im Deutschen Museum. Die Symposien der MGNM sind Anlass für Musikszene und Kulturpolitik, sich über Kunst, Wissenschaft und Verwaltung auszutauschen. Das löst nicht immer die Probleme, arbeitete diese aber in der Vergangenheit oft erstmals deutlich heraus. Am 15. November 2014 wird es erneut ein Symposium im Orff-Zentrum geben: „Kreative Interpreten“ fragt nach den sich aufhebenden Grenzen zwischen Komposition und Interpretation. Nachdem allerdings auch der Begriff Kreativwirtschaft in aller Munde ist, wird es garantiert auch wieder politische und soziale Links in das Alltagsleben der Musikschaffenden geben.

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