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Salto mortale

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Uraufführungen 2022/06
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Plädoyers für die Freiheit der Kunst gab und gibt es immer wieder. Vielleicht sind sie gerade heute wieder nötiger denn je, wo Kunst, Theater und Musik immer mehr für nicht-künstlerische Absichten, Interessen und Botschaften in Dienst genommen werden sollen. Diese Tendenz ist bedenklich, und seien die Anliegen – gesellschaftlich, politisch, ökologisch, religiös oder sexuell – noch so richtig und wichtig.

Starke Sätze zur Freiheit der Kunst stammen von der Theaterregisseurin Karin Beier, der einstigen Intendantin des Schauspiels Köln und seit 2014 Intendantin des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. An der Universität Köln hielt Beier schon vor zehn Jahren einen Vortrag, der dann in ihrem Buch „Den Aufstand proben!“ (2013) erschienen ist. Darin liest man den Appell: „Seien wir politisch unkorrekt! Das Theater erlaubt mir, wissenschaftlich sträflich unpräzise, moralisch anrüchig und halbseiden zu sein. Wo sonst kann ich rauschhaft, triebhaft, intelligent, böse, politisch unkorrekt, politisch korrekt, sinnlich, unverschämt, lächerlich und – jetzt kommt das Allerbeste – frei von Instanzen sein.“

Weil diese Sätze so viele gute Impulse für eine kritische Diskussion über die Rolle von Kunst und Kultur enthalten, die wir möglichst offen und kontrovers über all die berechtigten Anliegen und unangemessenen Demarkationslinien von Identitätspolitik, Empowerment, Wokeness und Cancel Culture führen sollten, hier gleich noch ein weiterer starker Absatz aus Beiers Theaterbuch: „Der Clou an der Sache aber ist, der kulturgeschichtliche Salto mortale sozusagen: Das Theater kann keine Gründe geltend machen und es muss auch keine Gründe geltend machen, Theater rechnet sich nicht und es muss sich nicht rechnen – in einer Welt, in der sich alles rechnen soll. Theater erlaubt sich das lächerliche Scheitern, wo nichts scheitern darf. Sein Überflüssigsein ist sein Überfluss, seine Aufgabe. Darin erwächst sein Potential der Freiheit, sein unersetzbares Privileg, das eine große zivilisatorische Errungenschaft ist. Die heroische Geste ist nur möglich, weil sie in einem ewigen Kindergarten stattfindet.“

Seien wir also gespannt, ob und wie den im Juni uraufgeführten neuen Kompositionen dieser „Salto mortale“ womöglich gelingt. Von Philipp Maintz sind gleich vier neue Stücke zu erleben. In der Kölner Philharmonie erklingt am 12. Juni erstmalig sein Orchesterstück „red china green house“. Hinzu kommen neue Werke seiner Serie „Choralvorspiele“: Nummer XLV „veni sancte spiritus“ wird am 5. Juni im Dom von St. Pölten erstmalig gespielt, Nummer VII „o haupt voll blut und wunden“ am 25. Juni beim „Brandneu-Festival“ in der Kasseler Stadtkirche St. Martin, und Nummer XLII „meine seele erhebt den herren“ am 27. Juni beim Musikfest ION in der Nürnberger Frauenkirche. Das Festival Romanischer Sommer Köln bietet vom 19. bis 24, Juni in den romanischen Kirchen der Stadt sechs Uraufführungen von Kai Wessel, Annebare Kau, Christopher Collings, Markus Hechtle, Christina Fuchs und Caroline Thon.

Weitere Uraufführungen:

  • 01.06.: Karl Gottfried Brunotte, aschengloriëtraumbesitzosterqualm für räumlich verteilte Schallquellen, Christuskirche Bad Homburg
  • 02.06.: Gerald Barry, Double Bass Concerto, Berliner Philharmonie
  • 04.06.: Agata Zubel, Harmonia Sfer für Chor a cappella, WDR-Funkhaus Köln
  • 10.06.: Camille van Lunen, Oper „AMAL – over The Wall“, La Seine Musicale Paris
  • 13.6.: York Höller, Konzert für Violoncello, Klavier und Kammerorchester, Klavierfestival Ruhr, Stadthalle Mühlheim
  • 19.06.: Michael Quell, neues Streichquartett, Weserburg-Museum für moderne Kunst Bremen
  • 27.06.: Frank Gratkowski, neues Werk für Ensemble Musikfabrik, Studio Musikfabrik Köln

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