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Jubilate? Das Festivalprogramm der ARD. Foto: Hufner
Jubilate? Das Festivalprogramm der ARD. Foto: Hufner
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Schleichschaltung: das Festivalprogramm der Öffentlich-Rechtlichen im Sommer 2010

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Der Angriff auf die Kulturradiowellen der ARD kommt aus der eigenen Mitte. Wie anders wäre zu erklären, dass man die hochsommerliche Zeit nutzt, um die Wellen offenbar widerstandslos auf eine Linie zu bekommen? Unter dem Motto „Das Beste genießen“ versammeln sich die Kulturwellen der ARD zu einem achtwöchigen „Radiofestival“, jeweils von 20 Uhr bis Mitternacht, vom 17. Juli bis zum 11. September. Letzteres ein Datum mit Symbolcharakter, wie man weiß.

Das Motto selbst ist an Dürftigkeit wirklich kaum zu überbieten. Hat man den Hörern sonst das Beste bislang immer nur vorenthalten? Bringen die regionalen Kulturwellen ansonsten nur zweitbes­te Magerkost? Warum nicht dann den Weg konsequent fortsetzen und sich mit dem ORF, der BBC und anderen Rundfunkanstalten mit Anspruch zusammentun und das „wirklich“ Beste bringen? Ebenso fraglich ist, ob Kulturprogramme im Faktor Genuss aufzugehen hätten, mithin das Kantige, Eckige und Widerborstige aus dem Abendprogramm sich herauszuhalten habe, so wie ganze Werke tagsüber im NDR.

Der möglicherweise gut gemeinte Gedanke, durch das Aufdiewellebringen der Sender auch überregional einmal zeigen zu können, was in den einzelnen Kulturwellen so steckt, ist wenigstens angesichts der Streammöglichkeiten über das Internet auch nicht mehr nachvollziehbar, selbst unter der Maßgabe, dass nicht jedermann einen Internetanschluss besitzt. Die Idee des Radiofestivals ist mithin weder gut, noch technisch legitimiert.

Die Vorteile liegen eher intern im Bereich der Vereinfachung des Programmgebindes. Es gibt weniger Programm zu koordinieren, weniger Autoren zu beschäftigen, kurz: es ist weniger Inhalt nötig, um ganz Deutschland mit „dem“ Kulturradio zu versorgen. Als Ausblick für die Zukunft des Kulturradios mag dies sogar kontraproduktiv sein. Vielleicht eilt man auf diese Weise auch nur mit gutem Beispiel etwaigen Erwägungen eines so genannten Kulturstaatsministers voraus, der im Mai in einem Interview mit dem Weser-Kurier eine Koppelung von Gebührengeldern an Einschaltquoten vorschlug. Schon vergessen, was die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vor drei Jahren feststellte? „Eine reine Quotenorientierung ist gerade im Bereich der Kultur nicht angemessen. Einschaltquoten allein dürfen keine Indikato-ren zur Messung der gesellschaftspolitischen Relevanz einer Sendung sein. Gerade Kultursendungen sind oftmals von dem sich gegenseitig verstärkenden Effekt bedroht, dass eine schlechte Quote die Verschiebung auf einen schlechteren Sendeplatz zur Folge hat, was wiederum zu noch weniger Zuschauern führt“ (S. 155). Natürlich müssen sich die öffentlich-rechtlichen Sender „in der Pflicht sehen, auch ihr kulturelles Programm für breite Bevölkerungsschichten zu produzieren. (…) Dies darf aber nicht zur Verflachung und nicht zu einer Event-Orientierung des Programms führen“ (S. 154). Was heute noch absurd anmuten mag, ist morgen längst Realität geworden.

Wie man es auch dreht: Ist das Radiofestival erfolgreich, muss man sich fragen, wozu die einzelnen regionalen Kulturwellen dann überhaupt noch nötig sind. Ist es aber nicht erfolgreich, ist das Radiofestival überflüssig.

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