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Foto: Heike Henning
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Singen statt still sitzen

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„klasse.im.puls“-Chorklassen und Nürnberger Symphoniker konzertierten
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Im Juli 2012 fanden gleich zwei aufeinanderfolgende Kooperations-Konzerte der Nürnberger Sinfoniker und der Chorklassen bayerischer Realschulen in Nürnberg statt. Unter der Leitung von Chefdirigent Alexander Shelley fanden sich das sinfonische Orchester und die insgesamt 310 Chorklassenschüler auf der Bühne des Nürnberger Sinfonieorchesters ein.

Zur Aufführung brachten die fünften Klassen eine speziell für das Projekt „klasse.im.puls“ komponierte Chorhymne von Heinrich Hartl, die im letzten Jahr bereits uraufgeführt wurde. Sie basiert auf Textfragmenten der Schüler („immer still sitzen“, „stets mitdenken“, „dauernd ruhig sein“…) und beginnt mit von perkussiven Rhythmen begleiteten Sprechgesängen, die den Puls angeben. Es folgen lyrische Passagen, textiert mit „nicht einsam sondern gemeinsam, ’ne ganze Klasse im Puls“. Hier werden soziale Ziele besungen, die das Projekt genauso verfolgt wie musikalische. Zweiter Programmpunkt war die Suite aus der Oper „Carmen“ von Georges­ Bizet, deren zweiter Satz von den Initiatoren für Kinderchor und Orchester eingerichtet wurde. Die deutsch textierte Melodie war eine große artikulatorische Herausforderung für die Kinder. Dennoch klangen die Bizet-Darbietungen feurig, festlich und feierlich. 

Ausgehend von einer derzeit bundesweit strapazierten musikpädagogischen Vision, jedem Kind (s)ein Instrument zur Verfügung zu stellen, zeigte „klasse.im.puls“ konkret für Bayern an diesem Abend und weit darüber hinaus, was erreicht werden kann: Der Kreis der Menschen, den „klasse.im.puls fördert“, erstreckt sich mittlerweile auf insgesamt 30 Haupt- und Mittelschulen sowie 63 Realschulen, in 117 Musikklassen also knapp 3.000 „klasse.im.puls“-Schüler, die allesamt durch dieses Projekt ein Instrument erlernen und spielen oder in einer Chorklasse singen dürfen. Sie erfahren in der Gruppe, was es bedeutet, ein wichtiger Teil einer Gemeinschaft zu sein, dort eine verantwortungsvolle Rolle für das Team zu übernehmen und sich ein- (und beizeiten ebenso unter-)zuordnen. Sie lernen in vielfältiger Weise gezielte Formen des Hörens: hinhören, zuhören, aufeinander hören… 

„klasse.im.puls“ stellt als bundesweit erstes Projekt das aktive Musizieren in den Mittelpunkt des Musikunterrichts der Jahrgangsstufen 5 und 6 an Haupt-, Mittel- und Realschulen. Ziel ist, dass jedes Kind (unabhängig vom soziokulturellen Hintergrund) ein Instrument erlernen kann. Dabei möchte „klasse.im.puls“ zur Stärkung der Persönlichkeit der Schüler, zu deren Teamfähigkeit und Rücksichtnahme, zur Entwicklung und Schulung von Toleranz beitragen und alle Kinder zur Teilhabe am kulturellen Leben befähigen. Zentraler Aspekt hierbei ist die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Jedes Kind dieser Chorklassen konnte durch das Einstudieren dieser Werke seine stimmlichen Möglichkeiten erweitern und einen intensiven Bezug zur Musik und Kultur entwickeln. 

Nimmt man die Vision „Jedem Kind sein Instrument“ jedoch wörtlich, ist man noch lange nicht am Ziel. Dafür ist eine weitere Ausbreitung an allen Schulen und wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Lobby für die ästhetische Bildung an Schulen gefragt. Der Abend zeigte, stellvertretend für viele dieser Bemühungen eine Form des Möglichen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen dafür bereitgestellt werden. Ein Großteil dieser Schüler hat in diesem Kontext zum ers­ten Mal ein professionelles Orchester gehört und erlebt. Der dabei entstehende persönliche Bezug eröffnet diesen Kindern die Möglichkeit einer entsprechenden Interessenbildung. Wenn etwa Alexander Shelley auf Tuchfühlung mit den Kindern geht und im Stile eines Popstars Autogramme verteilt, kann das als Indiz dafür gelten, dass gegenseitiges Interesse und Bezug gewachsen sind. 

Aus der Interessenforschung ist bekannt, dass ein situationelles Interesse, das an einem solchen Abend geweckt wird, zu einem lang anhaltenden persönlichen Interesse heranreifen kann. Mögen noch viele weitere Schulen und Klassen ihren Puls fühlen, ihren Herzenswünschen nachspüren und diese klanglich zum Ausdruck bringen.

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