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Puccini-Handbuch, hrsg. v. Richard Erkens, Metzler/Bärenreiter, Stuttgart/Kassel 2017, ca. 452 S., Abb., € 79,95, ISBN 978-3-476-02616-3
Puccini-Handbuch, hrsg. v. Richard Erkens, Metzler/Bärenreiter, Stuttgart/Kassel 2017, ca. 452 S., Abb., € 79,95, ISBN 978-3-476-02616-3
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Überragende Theaterbegabung

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Ein differenziertes Puccini-Porträt in 36 Kapiteln
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Giacomo Puccini? Eine Säule weltweiter Spielpläne, dazu eine Vielzahl populärer Werkführer, speziell zu den fünf meistgespielten Opern – dafür kaum profunde Analysen in deutscher Sprache: dieses Missverhältnis moniert Herausgeber und Mitautor Richard Erkens – und behebt es mit dem neuen, gewichtigen Handbuch.

Jenseits aller wissenschaftlichen Rivalitäten hat er die bestmöglichen Autorinnen und Autoren für die 36 Kapitel vereint: aus Italien, der Schweiz, Deutschland, England sowie den USA – und allen hat er zur Aufgabe gemacht, Fachliteratur bis ins Jahr 2016 zu verarbeiten. Von nun an kann es bei Fragen zu Puccini heißen: „Schau mal im Erkens nach!“

Das Handbuch wendet sich an den „breit“ interessierten Musiktheaterfreund. Gleich eingangs wird „Oper“ eben nicht als isoliertes, weltabgehobenes Kunstgebilde verstanden: eine 26 Seiten umfassende, exakt detaillierte Zeittafel stellt in zwei Spalten das Leben des Komponisten einer kompakten Zusammenschau von Politik-, Kultur- und Operngeschichte gegenüber. Dem folgt auf rund 20 Seiten ein biografisches Porträt, in dem der deutsche Puccini-Fachautor Dieter Schickling neueste Erkenntnisse verarbeitet hat. Dann wird das Komponieren Puccinis in die Kunst- und Musikwelt der Jahre 1870 bis 1920 eingebettet.

Mitautor Emmanuele d’Angelo macht das Ringen um und mit Librettisten anschaulich. Anselm Gerhard bietet dem eingehend interessierten Leser dann profunde Analysen zu Libretto-Sprache, Vers und Rhythmen. Riccardo Pecci untersucht Melodie und Vers, während Erkens auf „komponierte Regie“ blickt. Die Kapitel 18 bis 27 sind dann jeweils einem Bühnenwerk gewidmet: auf bis zu 13  Seiten werden Entstehung, Inhalt, Umarbeitungsvarianten, Wirkung und maßgebliche Inszenierungen dargestellt – womit das Handbuch über bisherige Nachschlagewerke hinausgeht und wichtige Bühneninterpretationen bis ins Jahr 2016 einbezieht. Erfreulich, dass dabei auch Schwächen und Probleme etwa in „Le Villi“ oder „Edgar“ nicht verschwiegen werden. Weitere drei Kapitel analysieren die sinfonischen und kammermusikalischen Kompositionen, die geistlichen Werke sowie Puccinis Liedschaffen.
Bei aller guten Lesbarkeit der Aufsätze muss der normal gebildete Leser doch gelegentlich nachschlagen, denn Erkens und einige der Autoren verwenden immer wieder musikologische Fachbegriffe, die nur teilweise durch Einfügungen in Klammern erläutert werden, in einigen wünschenswerten Fällen allerdings weder auf diese Weise noch im Glossar am Ende erklärt werden.

Kurt Tucholskys Diktum „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini“ bleibt zwar ein köstliches Bonmot. Doch wird über den Frauenhelden, Technikfan und Kettenraucher Giacomo hinausgehend deutlich: Puccini war eine viele Zeitgenossen überragende Begabung, beeindruckend auch als „ein aus empirischer Theatererfahrung und präzisem Partiturstudium schöpfender Komponist“ – neugierig über Torre del Lago und Mailand hinaus in der Theaterwelt von Paris-London-Wien unterwegs. Durch die kritische Kenntnisnahme von Projekten und Premieren seiner Zeitgenossen in einem Spektrum vom „Boulevard bis Schönberg“ vollzog er immer wieder eine reale und dann auch imaginierte Prüfung potenzieller Opernstoffe auf ihre Bühnentauglichkeit. Sowohl Vielfalt und Erschließungstiefe der kompositorisch verarbeiteten Einflüsse von „Le Villi“ bis zu „Turandot“ sind exzeptionell. „Ich muss gute Aufführungen hören und neue Musik von welcher Art auch immer“, sagte er selbst – das könnten seine Hörer, Leser und die meisten heutiger Komponistenkollegen sich zu eigen machen.

  • Puccini-Handbuch, hrsg. v. Richard Erkens, Metzler/Bärenreiter, Stuttgart/Kassel 2017, ca. 452 S., Abb., € 79,95, ISBN 978-3-476-02616-3

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