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Wer oder was ist binär?
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„Non-binär“ meint weder Frau noch Mann noch heterosexuell, sondern ein anderes, drittes, viertes Geschlecht und eine andere Sexualität. So weit so bekannt. Doch Negativbestimmungen sind schwach, weil sie sich nur durch das Positive definieren, statt selbst zu benennen, was sie meinen. Welche alternativen Arten von Kommunikation sind „non-verbal“? Welche Formen des Denkens und Wissens sind „non-zerebral“? Welche Klänge lassen sich „non-cochlear“ wahrnehmen? Welche Erzählweisen sind „non-linear“? Eindeutig sind diese Non-Komposita nur in dem, was sie nicht meinen. „Binär“ sind dagegen alle digitalen Codierungen mit 1 oder 0, Plus oder Minus. Doch welchen Sinn macht dieser Begriff bei Menschen?

Das in den Sprachgebrauch einsickernde „non-binär“ ist problematisch, weil es behauptet, was es nicht gibt. Denn kein Mensch ist „binär“, jeder ist „non-binär“, weil komplex, vielschichtig, vielseitig oder gar multipel. Jeder hat sowohl Östrogene als auch Testosteron in sich. Keiner ist nur lieb oder böse, schön oder hässlich, sympathisch oder abstoßend. Alle haben wir etwas von diesem und jenem, mal mehr hiervon oder davon. Die Condition humaine zeigt in allen Kategorien ein stufen- und nahezu endloses Kontinuum. Deshalb ist jeder Mensch einzigartig. Manche sind heller, manche dunkler, größer oder kleiner, schlauer oder weniger klug.

Wir sollten daher nicht länger wie die spätantiken Manichäer starre Gegensätze fortschreiben, die immer schon falsch waren und auch unter neuen Namen wie „binär“ und „non-binär“ ideologisch bleiben. Stattdessen sollten wir endlich die ganze Bandbreite unendlich vieler Spielarten des Homo sapiens sehen, anerkennen und schätzen lernen.

Menschen sind nicht nur im Vergleich miteinander divers, sondern alle sind auch für sich genommen durch vielfältige Faktoren zusammengesetzt, geprägt, wandelbar, fluide und offen für weitere Einflüsse und Veränderungen. Niemand ist identitär, alle sind wir divers. Das lehrt uns auch Musik, nicht zuletzt die von Wolfgang Rihm, der am 13. März 70 Jahre alt wird. Seine über 500 Werke aus 55 Jahren sind höchst vielgestaltig und entziehen sich eindeutigen Festlegungen auf Stil, Methode, Technik, Klang, Harmonik, Expressivität, Bedeutung, Traditionsbezug… Musik kennt kein simples An oder Aus, Gut oder Schlecht, Spannend oder Langweilig, Alt oder Neu. Denn alle Kunst ist mehrdeutig, andersartig, ambivalent, ambig, ungreifbar, schillernd, fluktuierend… Begriffe wie „binär“ oder „non-binär“ sind nur etwas für pauschalisierende Schwarz-Weiß-Zeichner. Also weg damit! Und her mit den neuen Kompositionen, die im März uraufgeführt werden und deren Diversität uns vielleicht die eigene neu erleben lässt.
 

Weitere Uraufführungen:
01.03.: Stefan Heucke, Konzert für Klavier und Orchester, Theater Münster
04.03.: Benjamin Schweitzer, Xenolith für Mitteldeutsche Kammerphilharmonie, Schönebeck
08.03.: Wolfgang Rihm, Liederzyklus für Bariton und Klavier, musica viva Herkulessaal München
13.03.: Chia Yin Ling, Daniele Ghisi, Lucy Amstrong, Katharina Roth, neue Werke für Ensemble Fontana Mix, Sprengel Museum Hannover
18.03.: Anno Schreier, Mina, oder Die Reise zum Meer, eine Balladenmärchenoper, Theater Bonn
19.03.: Hèctor Parra, Wanderwelle für Bariton und Orchester, Kölner Philharmonie
27.03.: Marko Nikodijevic, Neues Werk für Viola und Orchester, Kölner Philharmonie

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