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Instrumentales Musizieren bestimmt das Musikangebot im Strafvollzug. Foto: Annette Ziegenmeyer
Instrumentales Musizieren bestimmt das Musikangebot im Strafvollzug. Foto: Annette Ziegenmeyer
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Verborgene Talente entdecken und fördern

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Einblick in ein studentisches Lehr-/Lernprojekt in der JVA Wuppertal-Ronsdorf
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Die Gestaltung eines musikpädagogischen Angebots im Freizeitbereich des Jugendstrafvollzugs kann vielfältige Perspektiven aufzeigen, die eigene Haltung in Bezug auf straffällig gewordene und gefährdete Jugendliche zu reflektieren. Letztere haben oft ein problematisch geprägtes Verhältnis zum System Schule und den hier wirkenden Autoritätspersonen. Im Sinne eines fördernden und auf die individuellen Ressourcen ausgerichteten Ansatzes bietet die JVA einen Raum, die Jugendlichen fernab von ihren Straftaten primär als künstlerische Akteure wahrzunehmen.

Das Lehr-/Lernkonzept „Musikpädagogisches Handeln im Freizeitbereich des Jugendstrafvollzugs“ richtet sich an Studierende mit Berufsziel Lehramt und findet im Rahmen einer Kooperation zwischen der Bergischen Universität Wuppertal und der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf statt. Während die pädagogisch-künstlerische Gesamtleitung bei den Lehrenden der Universität liegt (Annette Ziegenmeyer und Andreas Hallmann-Rieger), übernehmen zwei Lehrkräfte der JVA (Mathias Dreger und Frank Zipfel) die Aufsicht, Logistik und Kommunikation mit dem Personal der Anstalt. Da das Musikangebot im kreativen Freizeitbereich des Jugendstrafvollzugs angesiedelt ist, erfolgt die Teilnahme der Jugendlichen auf freiwilliger Basis und nach individueller Anmeldung. Um die Jugendlichen nicht auf ihre Rolle als Straftäter zu reduzieren, sondern sie als künstlerisch wirkende Menschen wahrzunehmen, werden die einzelnen Tatbestände nicht mitgeteilt.

Der Seminarverlauf gliedert sich in eine einführende, vorbereitende Phase sowie in die tatsächliche Durchführung, die zirka acht aufeinanderfolgende Proben umfasst. In der Einführungsphase werden die Besonderheiten der Zielgruppe und die damit verbundenen Möglichkeiten und Potenziale musikpädagogischen Handelns in diesem Setting eruiert und vorbereitet. Außerdem erfolgt eine Hospitation mit einhergehender Sicherheitseinweisung. In der anschließenden Probenarbeit leiten jeweils Teams von zwei bis drei Studierenden Gruppen von sechs bis acht Jugendlichen. Diese Gruppengröße scheint insofern ideal, weil aufgrund von plötzlicher Verlegung oder Entlassungen immer wieder mit einer veränderten Teilnehmeranzahl gerechnet werden muss. Die kooperative Begleitstruktur – in beiden Räumen ist jeweils ein Lehrender der Universität und der JVA vor Ort – ermöglicht wiederum einen multiperspektivischen, differenzierten Blick und Unterstützung aus beiden Systemen. Die Inhalte der Workshops entwickeln sich aus den Interessen und Kompetenzen der inhaftierten Jugendlichen und der Studierenden.

Stimmen von Studierenden zum Projekt:

„Wenn man zum gemeinsamen Arbeiten mit Jugendlichen in eine Justizvollzugsanstalt geht, dann lernt man schon nach kurzer Zeit die eigene Freiheit zu schätzen und in einem anderen Licht zu betrachten. Es war schön, verborgene Talente der jungen Insassen zu entdecken und zu fördern, ich hoffe sehr, dass die Teilnehmer da am Ball bleiben. Zudem ist es was Besonderes, wenn man feststellt, wie seine eigenen Vorurteile gegenüber Inhaftierten bei solch einer Begegnung vernichtet werden.“
Matthias Wiercinski

„Die Zusammenarbeit der Bergischen Universität Wuppertal mit der JVA Ronsdorf hat mir als angehender Sonderpädagoge eine völlig neue Arbeitsperspektive offenbart. Für mich galt bis dahin die Arbeit in der Justiz als völlig fremd und Neuland in der Pädagogik. Nun weiß ich aber, welchen Weg ich nach meinem Referendariat einschlagen werde und freue mich schon auf die bevorstehende Zukunft.“
Simon Heinen

„Ich habe durch das Seminar unglaublich viel gelernt, vor allem über mich selbst. Dadurch, dass wir so gut wie alles selbst entscheiden, planen und durchführen konnten, habe ich mich enorm weiterentwickeln können und weiß nun besser als jemals zuvor, was ich alles schon gut kann und in welchen Bereichen ich noch etwas mehr Übung brauche. Die Jugendlichen waren freundlich und höflich und haben alles mitgemacht, was wir ihnen angeboten haben. Auch musikalisch waren manche sehr gut vorgebildet und wir konnten wirklich gut mit ihnen arbeiten. Durch dieses Seminar habe ich die Möglichkeit bekommen, in ein völlig neues Feld zu gelangen, meine Vorurteile zu erkennen und abzubauen und mich meines eigenen Standes meiner Ausbildung bewusst zu werden. Ich habe total Lust bekommen, es noch einmal zu machen, da ich im Laufe des Seminars noch so viele Ideen entwickelt habe. Es war eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte.“
Svenja Dee

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