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Das Professoren-Duo Hans-Peter und Volker Stenzl. Foto: Thomas Zehnder
Das Professoren-Duo Hans-Peter und Volker Stenzl. Foto: Thomas Zehnder
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Verdoppelte künstlerisch-pädagogische Energie

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Die Rostocker Klavierduo-Professoren Hans-Peter und Volker Stenzl im Gespräch
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Mit einem Klavierabend und einer „Open Class“ hat Bernd Glemser im Mai das „Internationale Pianistenforum“ an der Hochschule für Musik und Theater Rostock eröffnet. Mit dieser Veranstaltungsreihe im Barocksaal möchte die Hochschule ihren Studierenden und dem interessierten Publikum die Möglichkeit geben, mit Künstlern unterschiedlicher Generationen und Provenienzen die ihnen eigenen Stile des Spiels, des musikalischen Denkens und des Unterrichtens kennenzulernen. Das Pianistenforum findet am 7. Juli mit Stephen Kovacevich und am 15. Oktober mit der „Concours de Genève“-Preisträgerin Aya Matsushita seine Fortsetzung. Am 7. und 8. November wird dann Alfred Brendel in Rostock zu Gast sein, im Gepäck hat er seine Vorträge „A bis Z eines Pianisten“ und „Schubert: die letzten drei Sonaten“. Eine Besonderheit des „Klavierstandorts“ Rostock ist die seit November 2012 bestehende Professur für Klavierduo, die von Hans-Peter und Volker Stenzl besetzt wird. Wolfgang Seibold traf die beiden nach einer gemeinsamen Unterrichtseinheit.

neue musikzeitung: Welchen Vorzug hat es, wenn zwei Studenten von zwei Lehrern unterrichtet werden?

Hans-Peter Stenzl: Wir tun es ja gar nicht so oft. Dass wir gemeinsam auf ein Klavierduo „losgehen“, findet ein-oder zweimal im Semester statt. Dies sind dann Stunden mit anders gelagerter Intensität. Erstens ist die pädagogisch-künstlerische Energie im Raum etwa verdoppelt, und das müssen die Studenten erst mal aushalten. Sinn macht dies erst, wenn sich ein Duo mit einem Werk in fortgeschrittenem Stadium befindet. Zweitens hat es den Vorteil – auch für uns selbst als Lehrende –, dass gleichzeitig unsere durchaus unterschiedlichen Blickwinkel auf die Werke unmittelbar an die Studenten weitergegeben werden können. Somit findet das, was eigentlich einen ganz wesentlichen Aspekt künstlerischer Arbeit im Allgemeinen ausmacht, nämlich immer wieder musikalische Dinge und damit auch die technische Ausführung in Frage zu stellen, aus anderen Perspektiven an Problemstellungen heranzugehen, durch die gemeinsame Arbeit auf ganz natürliche Weise statt. Das gibt den Studenten Aufschluss darüber, dass eben auch die künstlerischen Vorfahren und Vorbilder letztendlich nur durch Auseinandersetzung und durch Diskussion zu bewundernswerten Ergebnissen gelangt sind. Drittens: Es ist ja so, dass wir nie beide Stimmen einer Partitur – sei es nun an zwei Klavieren oder an einem Klavier zu vier Händen – aktiv beackert haben. Es gibt deshalb vielleicht noch umfassendere Ergebnisse in solchen Stunden, weil jeder mit dem Spieler seiner Stimme manche Geheimnisse durchgehen kann … Letztendlich ist für uns das schönste Unterrichtsergebnis, wenn die Studenten rausgehen mit der Erkenntnis, ihren eigenen Weg finden zu müssen – und zu können!

Volker Stenzl: Dem gibt es so gut wie nichts hinzuzufügen. Ich möchte nur anmerken, dass es für mich persönlich sehr bereichernd ist, wenn ich erlebe, wie mein Bruder den Studierenden seinen Part erklärt.

nmz: Sie unterrichten schon seit vielen Jahren Klavierduos. Was waren in der letzten Zeit die größten Erfolge für Ihre Studenten?

Volker Stenzl: Im Mai vergangenen Jahres fand in Miami der weltweit bedeutendste Wettbewerb für Klavierduo, die „Murray Dranoff Two Piano Competition“, statt. Es war ein Riesenerfolg, dass der erste Preis an aktuelle Studenten von uns gegangen ist, an die Schwestern Yamamoto, und der dritte Preis an ehemalige Studenten (duo imPuls), die zusätzlich auch noch alle weiteren Sonderpreise eingeheimst haben.

Hans-Peter Stenzl: Es sind allerdings nicht nur Wettbewerbe, die uns interessieren und an denen wir den Erfolg unserer Studenten messen. Es geht vielmehr darum, für jedes Duo entsprechend seinen Fähigkeiten Wege im Studium freizulegen, die hoffentlich lange ins Leben der beiden jungen Menschen hineinreichen und ihnen ein erfülltes Künstlerdasein ermöglichen. Das garantiert ein Wettbewerbspreis auf keinen Fall. Und so möchte ich als Beispiel eines sehr befriedigenden Ergebnisses auch ein Projekt der ersten Beethovenwoche vom Januar 2014 in Bonn nennen, wo unser Duo Synthesis, bestehend aus Hana Lee und Alessandro Palumbo, die vierhändige Klavierfassung von „Fidelio“, die Alexander Zemlinsky hergestellt hat, zusammen mit dem Musikwissenschaftler und Musikkabarettisten Konrad Beikircher auf höchstem und erhellendem Niveau dargeboten hat – mit schöner Kritik in den Bonner Nachrichten. Erfolg misst sich unter anderem auch daran, ob es zu Wiedereinladungen kommt, und genau das ist an diesem Abend passiert: Die beiden sind spontan für die Beethovenwoche 2015 engagiert worden, wo sie die vierhändige Fassung von Beethovens Großer Fuge, die vom Komponisten selbst stammt, spielen dürfen.

Volker Stenzl: Wir versuchen natürlich, unsere Kontakte zu nutzen, um sie unseren Studenten zugute kommen zu lassen. So geben wir hin und wieder auch gemeinsame Konzerte mit unseren Meisterschülern.
nmz: Fürchten Sie nicht, dass Sie Ihre eigene Konkurrenz heranziehen? Denn der Markt für Klavierduos ist überschaubar und schon heute von einer großen Zahl ausgezeichneter Duos besetzt.
Hans-Peter Stenzl: Ich glaube, dies so zu sehen, ist entschieden zu eng. Sind denn Eltern eifersüchtig auf ihre Kinder, wenn diese nach ihren Vorstellungen blühen und gedeihen und sich zu selbstständigen Wesen entwickeln? Wir betrachten zwar unsere Studenten nie als unsere Kinder, aber es gibt dennoch in diesem Zusammenhang für uns nichts Schöneres, als zu erleben, dass die Studenten eben nicht nur in Vortragsabenden an der Hochschule Erfolg haben, sondern tatsächlich das erreichen, was sie ja, indem sie dieses Studium einschlagen, tatsächlich aus den Tiefen ihrer Herzen beabsichtigen, nämlich Fuß zu fassen in der schwierigen Konzertlandschaft. Und wir selbst fühlen uns durch Höchstleis-tungen unserer Studenten eher positiv gefordert. Wir sehen es so: Diejenigen Absolventen von uns, die wirklich gut spielen – und das sind zum Glück nicht wenige –, spornen uns an, selbst bei der Stange zu bleiben, und das ist ein so großer Gewinn, dass andere Überlegungen da gar keinen Platz haben.

nmz: Was sind Ihre nächsten Ziele für die Arbeit hier an der hmt in Rostock?

Volker Stenzl: Es gibt in diesem Jahr im September auch einen großen Klavierduowettbewerb in Polen, von der Chopin-Akademie, Zweigstelle Bialystok, ausgerichtet, auf den sich einige Duos aus unserer Klasse vorbereiten. Und dann freuen wir uns natürlich, dass wir hier an der hmt Rostock vom 21. bis 29. August im Rahmen des Sommer-Campus einen Klavierduokurs geben dürfen: höchst intensive Arbeit mit unseren Teams, aber auch mit Duos von außerhalb, die (noch) nicht bei uns studieren. Das Besondere bei diesen Sommerkursen ist das „Orchestra in Residence“, die Polnische Kammerphilharmonie. Sie bietet den teilnehmenden Duos die Möglichkeit, einen Satz aus einem Konzert für zwei Klaviere mit Orchester zu musizieren.

Hans-Peter Stenzl: Und dann haben wir unsere namhaftesten und künstlerisch bedeutendsten ehemaligen Lehrer in diesem Jahr eingeladen, im Rahmen des „Internationalen Pianistenforum“ an der hmt für ein paar Tage zu wirken. Im Juli wird Stephen Kovacevich einen Klavierabend im Barocksaal geben und zwei Tage lang mit Studierenden der hmt arbeiten. Im November wird Alfred Brendel kommen und im Barocksaal zwei Vorträge halten. Unsere Studenten werden in diesen großartigen Künstlern erkennen, was wir von ihnen gelernt haben und was wir versuchen weiterzugeben: einerseits das Bewahren einer gewissen Tradition und andererseits die Anpassung an die ständigen Veränderungen im heutigen Konzertbetrieb. Dies alles mitzuerleben, trägt entschieden dazu bei zu erkennen, dass künstlerische Arbeit ein Prozess ist, der nie aufhört, der immer wieder, im Grunde genommen Tag für Tag, neu mit frischen Ideen und allen Sinnen angegangen werden muss.

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