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Wahrlich goldener Platten-Herbst

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Neuveröffentlichungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Neuheiten von Kings of Leon, Phil Collins, Bruce Springsteen, Eric Clapton, Wanda, Sportfreunde Stiller und Clueso, kritisch abgehört.

Kings of Leon. Schlichtweg grandioses Album. „Walls“ betitelt. Die Meis­ter des dynamischen Spielchens. Laut leise in Perfektion. Platt, aber: Das beste Kings of Leon Album. Warum? Weil es eine ernstzunehmende und beängstigende Kontinuität hat. Flachten frühere Alben nach der Hälfte der Songs ab, wird „Walls“ an dieser Stelle mit „Muchacho“ erst richtig spannend und hörenswert. Fazit: coole Rockmusik. Mit eigener Note, ohne Brimborium und trotz der typischen Kings-of-Leon-Wiedererkennungsmerkmale unheimlich abwechslungsreich (RCA Records).

Nein. Man muss Phil Collins „solo“ nicht mögen. Und nein. Man muss auch nicht ewig die Mär vom Schlagzeuger und Genesis erzählen. Alles vorbei. Und höchstens durch die aktuelle CD „The Singles“ als Gesprächsstoff taugend. Drei CDs, die Phil Collins’ beste Hits vereinen. Großartiges wie „Don’t lose my number“, „You can’t hurry love“ oder „Easy Lover“ trifft auf Sodbrand- Songs wie „Against all odds“ oder „One more Night“. Mehr muss man zur Zweischneidigkeit dieses Künstlers nicht sagen. Eher ein Fanartikel eben (Warner).

Gerade hat Bruce Springsteen eine vielbeachtete Biographie veröffent­licht, die genauso ehrlich wie jeder einzelne seiner Songs daherkommt. Zur Biographie gibt es den Soundtrack „Chapter and Verse“. Zum Soundtrack die schnöden Zahlen: achtzehn Songs mit Aufnahmen aus den Jahren 1966 bis 2012, fünf Songs werden dabei als bislang unveröffentlicht angekündigt. Nun. Best-of-Alben gab es jede Menge von Springsteen. Ob man „Chapter and Verse“ aus musikalischen Gründen haben muss, ist fraglich. Der Vollständigkeit halber sollte man jedoch zuschlagen, denn die Platte neben dem Buch sieht im Regal schon lässig aus (Sony Music).

Von Eric Clapton existieren wohl hunderte Livealben, die in irgendeinem Kontext aufgenommen und veröffentlicht wurden. So auch „Live in San Diego“. Hier geht es um das Jahr 2007, als es während des Konzerts zum letzten Aufeinandertreffen zwischen Eric Clapton und JJ Cale kam, bevor JJ Cale 2013 verstarb. Erwähnenswert neben JJ Cale: die Mitwirkung der Gitarristen Derek Trucks und Doyle Bramhall II (Warner).

Die Wiener Wahnsinnsband Wanda erleben wohl nach zwei Alben und der jetzigen Liveveröffentlichung „Amore Meine Stadt“ demnächst einen kleinen Einschnitt. Ein Innehalten, das Album? Ein Durchschnaufen? Egal. Man muss Wanda live gesehen haben. Ja, muss. Denn erst live kommt das Zerstörerische, das Kokettierende, das Absinnige und das Tragische dieser Band und ihrer Songs zur beabsichtigten Wirkung. Das klappt zwar mit CD und Schallplatte daheim oft auch gut. Aber nur live wird das Alles hysterisch. Aufgenommen wurde die Platte am 22.4.2016 in der Wiener Stadthalle. Heimspiel quasi. Bravourös bestanden. Etwas pathetisch und epochal spricht der bandeigene Manager von einem „Dokument“, das „Amore meine Stadt“ sein soll. Gewagt. Aber mei, definitiv richtig (Universal).

Ein paar Längen- oder Breitengrade weiter tummeln sich seit vielen Jahren die Sportfreunde Stiller. „Sturm & Stille“, das neue Album lädt wieder ein, die alten Vorurteile zu säen. Können nicht singen, können nicht spielen, können nicht Musik machen. Tja, ganz ehrlich. Würde gerne tauschen mit den Jungs. Denn die Jungs haben Rückgrat. Haltung. Und immer Humor. Den man nicht immer verstehen muss. Aber egal. Das Album ist eben ein Stiller-Album. Refrains wie Hymnen, Strophen wie Bienenstiche (das Gebäck ist gemeint) und irgendwann kommt trotz dezent überflüssiger orchestraler „Pimpung“ doch ein hörbarer und im Radio spielbarer Song heraus. Liebe Nörgler. Muss man ja nicht kaufen. Und Hörzwang gibt es nur in Guantánamo. Also, raus in den Rausch. Und freuen, dass Künstler einfach auch mal am Boden bleiben (Universal).

Auch so ein bodenständiger, glaubhafter Künstler ist Clueso (Foto). Skandalfrei. Klassetyp. Nett, smart und mit der beste Songschreiber dieses Landes. Unfassbar, wie „jung“ der noch klingt. Stimmlich. Dabei ist „Neuanfang“ tatsächlich einer. Warum, kann man nicht so genau sagen. Ist schon noch Clueso irgendwie. Aber eventuell aufgeräumter? Vielleicht sortierter? Schwer zu sagen. Aber die Songs klotzen richtig. Schon der Einsteiger „Neuanfang“ ein Manifest. Oder das Kehle einschnürende „Jeder lebt für sich allein“. Wow. Wunderschönes Album (Vertigo).

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