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Für Siegfried Ehrmann, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag, ist Lobbyarbeit für Jazz zum Lebenswerk geworden. Es gratulierten Felix Falk (li.) und Gebhard Ullmann vom UDJ-Vorstand. Foto: Stefan Pieper
Für Siegfried Ehrmann, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag, ist Lobbyarbeit für Jazz zum Lebenswerk geworden. Es gratulierten Felix Falk (li.) und Gebhard Ullmann vom UDJ-Vorstand. Foto: Stefan Pieper
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„Wohin will ich und wer passt zu mir?“

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Workshops, Podiumsdiskussionen und Ehrungen beim Kölner Forum der Union Deutscher Jazzmusiker
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„In Zeiten, die leider wieder unfreier werden, brauchen wir Jazz als Symbol für Toleranz und positive Globalisierung mehr denn je“ plädierte der NRW-Landtagsvizepräsident Oliver Keymis beim Forum der Union Deutscher Jazzmusiker. Aber gerade in einer so individualisierten Kunst wie dem Jazz braucht es ein tragfähiges Miteinander. Die Union Deutscher Jazzmusiker liefert hierzu eine Infrastruktur, die im Wachstum begriffen ist.

Entsprechend herrschte eine gute Aufbruchstimmung im Kölner Stadtgarten. Felix Falk, stellvertretender UDJ-Vorsitzender, verwies auf einen stetigen Mitgliederzuwachs, der zeigt, dass der Sinn von gemeinsamer Interessensvertretung erkannt wird. Die neuen empirischen Daten der jüngsten Studien über reale Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusikern sind ein wichtiges Instrument zur politischen Argumentation. Gemäß der statistischen Erhebungen gibt es nach wie vor erschütternde Diskrepanzen zwischen dem künstlerischen Potenzial und der realen Erwerbssituation vieler Musiker. Eine Mindestgage muss dringend her! Aber die ist auf breiter Ebene noch ferne Zukunftsmusik angesichts der – vielfach nicht minder prekären – Situation vieler Spielstätten, vor allem der zahllosen kleinen Jazzclubs.

Die aktuelle Praxis der Spielstättenförderung repräsentiere hier einen zarten Ansatz, der noch lange nicht ausreiche – so brachte es Siegfried Ehrmann, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag kritisch auf den Punkt. Förderpreise wie APPLAUS für eine Handvoll herausgehobener Locations (die zugleich meist die einzigen wirklich professionellen Jazzspielorte sind) befeuern nach wie vor nur die Leuchttürme, ohne in die Breite zu wirken. Zumindest erstrahlt einer davon künftig mit neuer Energie: Der Kölner Stadtgarten kann sich ab 2017 mit einer sechsstelligen institutionellen Förderung von Stadt und Land mit ungekannter Nachhaltigkeit dem künstlerischen Kerngeschäft widmen. Als „Europäisches Zentrum für improvisierte Musik“ sind endlich jene Zeiten vorbei, wo ein –pekuniär notwendiger – überlaufener Event- und Gastrobetrieb viele ambitionierte Konzertereignisse oft arg ins Randgeschehen verdrängt hat.

Dass dieser Plan, der schon lange im Kölner Kulturentwicklungsplan schlummerte, endlich Wirklichkeit wurde, steht in direktem Zusammenhang mit einem neuen Kulturfördergesetzt in NRW. Vor allem Landtagsvizepräsident Oliver Keymis hat sich mit viel Herzblut für dieses Gesetz stark gemacht, um damit Kultur künftig viel öfter zur Chefsache machen zu können.

Die UDJ will auch die eigenen Potenziale der Musiker selbst stärker machen. In vielen informativen Workshops gaben erfahrene Brancheninsider ihr Wissen an junge Musiker weiter: „Seid euch bewusst, dass die Energie und der künstlerische Input stets von euch ausgehen müssen. Kein Management, Agent oder Label wird dies für euch in die Hand nehmen“, plädierte Gebhard Ullmann, selbst ehemaliger UDJ-Vorsitzender, an die eigene künstlerische Verantwortung. Egal, ob Booking, CD-Produktion oder die Generierung von Förderanträgen – hier ist bewusstes Agieren gefragt. „Wohin will ich und wer passt zu mir?“ Fein raus ist, wer hier schon eine Antwort gefunden hat!

Eindringliche Appelle an den achtsamen Umgang mit eigenen kreativen Potenzialen formulierte Florian Ross, Pianist und Hochschullehrer in Köln. Der heutigen Generation von „Digital Natives“ falle es zunehmend schwer, Wesentliches von Unwesentlichem zu selektieren. Kurzlebige Hypes vergrößern die Gefahr, in der Beliebigkeitsfalle zu landen. Die eigene Stimme finden geht aber nur durch beständige Horizonterweiterung. Nicht zuletzt durch die Kunst des bewussten Musikhörens, die Florian Ross sogar in seinen „Listening Labs“ an der Hochschule lehrt. Jazz ist gesund – auch dies stellte ein Vortrag wissenschaftlich fundiert heraus. Man konnte diese Einsicht aber auch ganz ohne Worte hautnah erfahren im Kölner Stadtgarten beim wirklich überwältigenden Auftritt der Rolf Kühn Unit mit Christian Lillinger, Schlagzeug, Ronny Graupe, Gitarre und Johannes Fink Bass.

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