Banner Full-Size

25 Jahre Rheinische Musikschule: Die Jungen wollen gefordert sein

Autor
Publikationsdatum
Body

„Wir haben ein großes Publikum. Sogar richtige Fans, die in jedes Konzert kommen. Weil sie es kaum fassen, auf welch hohem Niveau die Jugendlichen spielen. Und wie schön sie das machen,“ erzählt Alvaro Palmen (37) stolz. Er leitet das Jugendsinfonieorchester der Rheinischen Musikschule Köln seit Jahren im Wechsel mit seinem Vater Egon Joseph Palmen.

„Ich lerne viel von meinem Vater, der das Orchester 1976 / 77 gegründet hat. Er hat viel Erfahrung, war auch Opernkapellmeister und ist ein fabelhafter Orchestererzieher. Diese gemeinsame Arbeit ist für mich ein großes Glück,“ rühmt der Sohn. Er ist Geiger im Gürzenichorchester und hat auch schon diese Profis dirigiert. Was ist anders bei der Arbeit mit 75 bis 90 Musikschülern? Weniger als man denkt, meint Alvaro Palmen. Hier wie dort hängen Bereitschaft und Konzentration davon ab, wie gearbeitet wird.

„Mit den Jugendlichen aber gehen wir übers ganze Jahr in die Details, um ein Niveau zu erreichen, das die Profis schon mitbringen. Hier werden Leistungen gepflegt wie Pflänzchen. Und Verständnis für die Musik lässt sich ganz leicht wecken.“ Oft helfen Texte oder Bilder bei der Vorstellung. Und dann auch den Fingern. „Die Jugendlichen wollen gefordert werden,“ weiß Palmen. „Am liebsten spielen sie große Romantik: Tschaikowsky, Brahms, Mahler.“

Da aber die Besetzung in Jugendorchestern oft wechselt, müssen die Leiter klug abwägen, wie weit die Kräfte reichen. Manchmal muss ein Werk warten, vielleicht Jahre lang. Wenn es eine Instrumentengruppe zu stark fordert, wenn die Tonarten schwer zu lesen sind, wenn es sehr fortgeschrittene Bogentechnik oder hohe Klangkultur verlangt. „Doch was die Kinder leisten, können sich selbst Eltern kaum vorstellen. Manche sagen: ich kenne mein Kind nicht wieder. Es ist viel positiver, weniger verkrampft, besser in der Schule,“ hört Palmen. „Dann weiß ich, dass ich meine Arbeit richtig mache. Im Orchester bekommt jeder einen Riesenschub. Für sich, menschlich. Und auf dem Instrument sowieso.“ Zu erleben, wie Jugendliche über sich hinauswachsen, ist der schönste Lohn für den Einsatz ihrer Leiter.

In Köln wird allerdings auch intensiv geprobt, jeden Donnerstag von 18 bis 21 Uhr. „Für viele Gruppenproben mit Bläsern und Streichern stehen sehr qualifizierte Dozenten der Musikschule bereit. Dabei lerne auch ich noch,“ betont Palmen. Der Erfolg: „Wenn man unsere Aufnahmen hört, etwa Ravel oder Bernstein, kann man zeitweise glatt vergessen, dass da 13- bis 21-Jährige spielen. Diese Qualität spricht sich herum, sie lockt neue Mitglieder.“

Der Dirigent erlebt auch, wie gut sich Jugendliche konzentrieren können: „Mal kommen sie müde zur Probe oder hatten Stress in der Schule. Wenn sie dann Dvorak spielen, sehe ich fröhliche Gesichter. Die drei Stunden Probe vergehen wie im Fluge. Und nachher trällern sie die Melodien.“ Ein Feedback ohne Worte.

Palmen, der bei Max Rostal studiert hat, weiß noch, was er selbst als Kind im Orchester lernte: „Da habe ich viel mehr geübt. Es wurmte mich, wenn der Pultnachbar es besser konnte. Das Musizieren mit den anderen hat mir neue Horizonte eröffnet. Es ist gut, dass die Rheinische Musikschule so viel Wert auf Kammermusik legt. Wenn man mitdenkt und im Team ein solches Puzzle aus verschiedenen Schwierigkeitsgraden zusammensetzt, muss man sich anpassen und trotzdem mit Charakter spielen. Dann tritt das Ego zurück. Das lernt man mit 14, 15 leichter als mit zwanzig.“

Palmen beklagt, dass die Medien zu selten zeigen, wo und wie junge Menschen Kultur lernen. Hochkultur, Spitzenleistungen und ein verständiges Publikum fallen ja doch nicht vom Himmel. So ist das Musizieren der Kinder auch gut für das kulturelle Klima einer Stadt. Immerhin fand das Jugendsinfonieorchester letztes Jahr in der „Grips Show“ um Günther Jauch zwölf Millionen Zuschauer. Und überzeugte das Team von Harald Schmidts „Late Night“, einen siebenminütigen Konzertsatz mit der Geigerin Carolina Kurkowski Perez ungekürzt zu senden. Die Fernsehzuschauer haben nicht weggezappt.

Das Orchester begleitet oft junge Solisten und erzielt auch im Ausland gute Kritiken. Jedes Jahr wird in den Herbstferien eine Woche lang auf Schloss Weikersheim gearbeitet, kurz vor dem Auftritt daheim auch öffentlich gespielt. In der Kölner Musikhochschule geben die Jugendlichen ihr nächstes Konzert am 3. November, in der Köln-Arena spielen sie am 15. Dezember.
http://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksA…
Autor