Hauptbild
Ein Mann mittleren Alters mit kurzen dunklen Haaren, leichtem Bart steht auf einer Außentreppe für ein Porträt.

Stefan Behrisch, Kompositionsprofessor der Hochschule für Musik Dresden. Foto: Stefanie Pilz

Banner Full-Size

„Gänsehautmomente – das kann keine KI“

Untertitel
Kompositionsprofessor Stefan Behrisch im Gespräch
Vorspann / Teaser

Prof. Stefan Behrisch unterrichtet an der Hochschule für Musik Dresden Komposition in der Fachrichtung Jazz/Rock/Pop. Weil ihn das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in der Musikbranche beschäftigt, hat er dazu das Symposium „Musik und KI - Revolution oder Risiko?“ organisiert und gemeinsam mit dem Musikproduzenten Jewgeni Birkhoff, dem Komponisten und Vorsitzenden des Berufsverbands mediamusic, Matthias Hornschuh, dem Toningenieur Christoph Mann sowie dem Publikum die dringlichsten Fragen diskutiert. Im Gespräch berichtet er von seinem Fazit.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Stefanie Pilz: Warum ist Ihnen das Thema KI in der Musik wichtig?

Stefan Behrisch: ChatGPT hat eindrucksvoll gezeigt, was KI leisten kann. Es ist absehbar, dass auch im Musikbereich Ähnliches entstehen wird und das wird Auswirkungen auf das gesamte Musikmachen haben. Dies wirft künstlerische Fragen auf – und wirtschaftliche. Und ist daher von großer Wichtigkeit für alle, die diesen Beruf ausüben oder anstreben. Dadurch entstehen auch politische Fragen: Wie sollte KI reguliert werden, wie werden die Urheberinnen und Urheber, mit deren Werken die KI trainiert wurde, vergütet? Diese Fragen müssen jetzt beantwortet werden.

Pilz: Warum sollten sich Musik-Studierende damit auseinandersetzen?

Behrisch: Die Veränderung und der technische Fortschritt lassen sich nicht aufhalten. Das Berufsbild eines Komponisten und überhaupt Musikschaffenden wird sich durch KI verändern. Daher sollten wir dies positiv und neugierig umarmen und nutzen.

Pilz: Revolution oder Risiko: Was ist Ihr Fazit nach dem KI-Symposium?

Behrisch: Wir stecken noch im Nebel. Im Musikbereich sind die existierenden Programme noch nicht gut genug, um wirklich schon ein Risiko darzustellen. Aber die Entwicklung schreitet sehr schnell voran und es wird so nicht bleiben. Diese Zeit müssen wir nutzen! Zum einen müssen wir genau verfolgen, was die neu entstehenden Programme sind, was sie leisten und wie wir sie nutzen können. Aber auch: Wir müssen uns bewusstmachen, wie wir anders und mehr sein können. Deutlich wurde auch die Wichtigkeit, uns für eine faire rechtliche Regelung betreffend Transparenz und Vergütung des Trainingsmaterials zu engagieren. Wir müssen unsere Interessen schon auch selber in die Hand nehmen.

Pilz: Binden Sie KI in Ihre Lehre ein?

Behrisch: Aktuell nein. Im Gegenteil, ich werde noch mehr als bisher das Individuelle und Persönliche des Studierenden in den Mittelpunkt stellen. Denn wir sind ja gerade die Experten für das un-maschinenhafteste, was es gibt: das Kreative, Emotionale, Persönliche, Individuelle. Das Schaffen von Gänsehaut-Momenten! Das müssen wir noch mehr stärken und kultivieren. Wir brauchen keine Angst zu haben, aber wir dürfen auch die Augen nicht verschließen!

Pilz: Nutzen Sie für Ihre Arbeit als Komponist/Arrangeur KI?

Behrisch: An meiner eigenen Arbeit hat sich noch nichts verändert. Die existierenden Programme sind noch nicht gut genug, um mir wirklich helfen zu können. Ich hoffe aber, dass sich das bald ändern wird. Dabei denke ich an ganz handwerkliche Aspekte. Vor allem an den Bereich Notensatz: Die automatische Erstellung wirklich hervorragenden Notenmaterials für die einzelnen Spieler aus der Partitur heraus.

Pilz: Was geben Sie Studierenden mit auf den Weg in die Zukunft eines Berufsmusikers beziehungsweise einer Berufsmusikerin mit KI?

Behrisch: Der Fortschritt kommt und lässt sich nicht aufhalten: Es wird Musik durch KI geschaffen werden, die heute noch von Menschen gemacht wird. Die auf einer Bühne sichtbar auftretenden Musiker brauchen sich vorerst keine Sorgen zu machen. Denn der Live-Moment basiert auf echten Menschen. Relevanter wird es für die Kreativen hinter den Kulissen: Komponisten, Arrangeure, auch Musiker im Studio. Hier wird es noch mehr auf eine starke Persönlichkeit, man könnte auch „Marke“ sagen, ankommen.
Wir müssen auch kreativ und engagiert sein im Nachdenken, wie wir die Menschen erreichen können: Neue Spielstätten, neues Publikum, neue Konzertformen. Und immer weniger: Uns verlassen auf die etablierten Strukturen.
Und: Wir müssen uns engagieren, in Verbänden organisieren, unsere Vertreter, wie Komponistenverbände oder die GEMA stärken. Es geht bei KI auch um sehr viel Geld und auf der anderen Seite stehen mächtige Digitalkonzerne, die die Inhalte am liebsten umsonst hätten.

Pilz: Welche Bedeutung wird menschengemachte Musik haben, wenn KI-generierte Musik überall zu haben ist?

Behrisch: Dies ist eine der spannenden Fragen, die wir auch im Symposium diskutiert haben: Wie wird KI Musik angenommen werden? Wie wird individuell konfektionierte Musik – auch das wird kommen – angenommen werden? Diese Antworten liegen in der Zukunft und wir können nur spekulieren. Ich denke: Musik hören bedeutet weit mehr als Töne wahrzunehmen. Es geht auch um das Erleben einer Situation und um die Persönlichkeit des Künstlers. Wir möchten ihn kennenlernen, alles über ihn wissen, sein Freund sein. Es ist quasi ein sozialer Prozess, eine Verbindung. Das ist nur mit Menschen möglich und das wird immer bleiben. Vielleicht sogar mehr, je digitaler unsere Welt wird. Für eher funktionale Musik wie die Playlist zum Joggen ist dies weniger relevant und dort könnte sich KI-Musik etablieren.

Zur Person

Stefan Behrisch, 1971 in Köln geboren, studierte zunächst Mathematik, dann Gitarre, Klavier, Komposition und Arrangement am Conservatorium van Amsterdam und der Hochschule für Musik Köln. Er ist als Komponist, Arrangeur, Dirigent und Musikproduzent weltweit aktiv. Große stilistische Offenheit, Vielseitigkeit und Professionalität charakterisieren seine Arbeit und sein Herangehen an Musik. Viele Produktionen, an denen er mitwirkte, wurden für Grammies und weitere Preise nominiert und ausgezeichnet und erzielten #1 Charterfolge. Seit März 2021 ist Stefan Behrisch Professor für Jazz/Rock/Pop Komposition an der Hochschule für Musik Dresden.

 

Ort
Print-Rubriken
Musikgenre