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Ein Duo aus Cello und Klavier vor einem Kamin in einem italienischen Salon.

Studierende und Lehrende beflügelten sich beim Meisterkurs Hotspot Wien in Montepulciano gegenseitig mit ihrer Leidenschaft und Energie und verzauberten das Publikum beim Abschlusskonzert. Foto: HfM Trossingen

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Hotspot Wien

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Erfolgreiche Meisterklasse des Trossinger Instituts für Aufführungspraxis
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In der Europäischen Musikakademie Palazzo Ricci in Montepulciano (Italien) widmeten Anfang Oktober die Lehrenden des Instituts für Aufführungs­praxis der Hochschule für Musik Trossingen eine Meisterklasse der ersten Wiener Schule.

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Wien entwickelte sich um 1800 zum Dreh- und Angelpunkt der europäischen Musikszene. Mozart erkannte dies bereits Anfang der 1780er Jahre, Beethoven und Haydn folgten ihm kurz nach 1790 – und damit war das Trio der „ersten Wiener Schule“ komplett. Die aus dieser geballten Kompetenz resultierenden Kompositionen zählen heute noch zum Besten und Beliebtesten, was der Musikmarkt zu bieten hat.

Für das Institut für Aufführungspraxis der HfM Trossingen war das Grund genug, sich diesem Thema ausführlich zu widmen. Zwar veranstaltete das Institut bereits im Beethoven-Jahr 2020 ein „Klassikatelier“ im schönen Kloster Neresheim mit dem Fokus auf den Jubilar, aber damals gab es viele Corona-bedingte Einschränkungen. In diesem Jahr machten den Teilnehmenden keinerlei Restriktionen im wunderschönen toskanischen Ambiente zu schaffen. Es konnte also frei aufgespielt werden.

Die teilnehmenden Studierenden aus aller Welt (von Kanada bis Tokio) trafen auf ein hochspezialisiertes Team aus dem Schwarzwald, bestehend aus historischen Bläsern, Streichern und Clavierinstrumenten. Die fünf Korrepetitorinnen hatten alle Hände voll zu tun, denn die Clavier-Partien nach 1800 sind schwierig und mit allerhand Tücken ausgestattet. Der Bogen wurde unter anderem von CPE Bach bis Schubert und von Haydn bis Ferdinand Ries gespannt. Auch Mendelssohn war im Programm anwesend, wenngleich dieser nur kurz in Wien weilte. Dennoch scheint es für ihn ein prägender Aufenthalt gewesen zu sein: Er bestellte dort insgesamt drei Conrad Graf-Flügel mit Wiener Mechanik und ließ sie nach Leipzig bringen.

Die Möglichkeit, sich in die Wiener Klassik zu vertiefen, ist für die Ausbildung als historisch informierte Instrumentalistinnen und Instrumentalisten besonders wichtig. Denn diese Epoche bildet ein wesentliches Fundament für die zukünftige professionelle Laufbahn.

Seit Jahrzehnten nimmt das Trossinger Institut für Aufführungspraxis (früher: Institut für Alte Musik) mit seiner herausragenden Expertise und seinem umfangreichen Instrumentarium eine Vorreiterrolle ein bei der Erforschung historischer Spieltechniken und künstlerischer Gestaltungsmittel. Inzwischen reichen die Forschungen tief ins 19. Jahrhundert. Mit neuen Interpretationsansätzen werden die bekannten Pattern der Romantik infrage gestellt. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Robert Schumann mit seiner Romanze op. 94/1 auf dem Abschlussprogramm stand. Schumann lebte über ein Jahr in Wien, allerdings in einer Zeit, in der andere Städte wie beispielsweise Leipzig den Wienern längst den Rang abgelaufen hatten. Das gut besuchte Konzert in Montepulciano war der krönende Abschluss einer erfolgreichen Meisterkurswoche mit jungen Musikerinnen und Musikern, die ihre Werke auf einem außergewöhnlich hohen Niveau präsentieren konnten.

Ein Schwerpunkt des Instituts für Aufführungspraxis liegt auf der Forschung. In Montepulciano kam daher neben aller Praxis die Theorie nicht zu kurz: An jedem Abend vertieften die Lehrenden ein anderes Thema. So wurde über den Pedal-Gebrauch gesprochen, über die Veränderung und Benutzung der verschiedenen Flöten- und Klarinetten-Instrumente, die farbliche Gestaltung von Tönen beziehungsweise der Verbindung zwischen Malerei und Musik oder die beiden Techniken „Chiaroscuro“ und „Mezzotinto“ – alte Techniken also, die um 1800 wieder eine Erneuerung erfuhren.

Das Echo der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, wie auch des Publikums war einhellig: Diese Musik muss in so einem Palazzo aufgeführt und vor allem auf diesem Niveau präsentiert werden!

Und auch die Trossinger Studierenden und externen Kursteilnehmer*innen waren sich einig, dass sich Lehrende und Studierende mit ihrer Leidenschaft und Energie gegenseitig dazu beflügelt haben, Neues zu lernen und über sich hinauszuwachsen. Die Woche in Montepulciano war ein absolutes Highlight und unvergessliches Projekt. Die Gelegenheit zu intensiven Unterrichtsstunden bei verschiedenen Lehrern, die Symposium-Präsentationen zur Aufführungspraxis, die Arbeit in Kammermusikensembles und die Auftritte haben alle mit großer Motivation erfüllt, sich weiterhin in die Aufführungspraxis romantischer Musik zu vertiefen.

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