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Schloss Friedenstein zeigt historische Gesangbücher

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Gotha - Das geistliche Liedgut der Reformationszeit steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung auf Schloss Friedenstein in Thüringen. "Es ist großartig, dass die Geschichte eines Gebrauchsgegenstands wie dem Gesangbuch auf so spannende Art in diesen fürstlichen Räumen präsentiert wird", sagte der Superintendent des Kirchenkreises Gotha, Michael Lehmann, am Donnerstag in Schloss Friedenstein. Neben rund 100 Gesangbüchern aus den Beständen des Schlosses werden Handschriften, Münzen und Musikinstrumente aus dieser Zeit zu sehen sein.

Wenn es nach dem Willen von Kathrin Paasch geht, werden in den Fluren und Sälen von Schloss Friedenstein in den nächsten Monaten die Stimmen Hunderter Sänger erklingen. Denn die aktuelle Ausstellung "'Mit Lust und Liebe singen' - Die Reformation und ihre Lieder" soll nicht nur kulturinteressierten Besuchern einen profunden Einblick in die Geschichte des Gesangbuchs liefern: "Wir laden ganz explizit dazu ein, dass die Besucher auch selbst Musik machen", sagt die Leiterin der Forschungsbibliothek Gotha, die mit der Konzeption der Schau betraut ist.

Bereits mehrere Chöre aus dem gesamten Bundesgebiet hätten ihr Kommen angemeldet, sagt Paasch. So steht auch räumlich die Gesangspraxis im Zentrum der Ausstellung. In einem kleinen Raum in der Mitte des Saals wurde eigens für Chöre ein Podest eingerichtet. Als Notenmaterial steht ein Faksimile des prächtigen Gothaer Chorbuchs von 1545 zur Verfügung, mit dessen Hilfe Besucher vierstimmige Lieder aus der Frühzeit der Reformation anstimmen können. Selbst die Vorhänge sind mit Liedtexten und Notenzeilen bedruckt.

Ältestes deutschsprachiges Gesangbuch wird ausgestellt

"Jeder Besucher wird zudem von einem vom Sender MDR produzierten Audioguide durch die Ausstellung geführt, der mit zahlreichen Musikbeispielen unterlegt ist", erklärt der Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein, Martin Eberle. "Denn die Ausstellung soll nicht nur ein Augenschmaus, sondern auch ein Ohrenschmaus sein." Dass es zudem auch viele hochwertige Exponate zu sehen gibt, ist der Zusammenarbeit von Forschungsbibliothek und Stiftung zu verdanken.

Unter den 109 Gesangbüchern, die von der Anfängen der Gesangbuch-Tradition im 16. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert reichen, befinden sich zahlreiche Raritäten. Neben dem Original des Gothaer Chorbuchs zählt zweifellos das Acht-Lieder-Buch Martin Luthers von 1524, das erste deutschsprachige Gesangbuch, zu den Höhepunkten der Ausstellung. Flächendeckend konnten sich die Liedersammlungen erst ab 1650 durchsetzen, nachdem die Werke auch für Durchschnittshaushalte erschwinglich wurden. Zeitweise verkauften sich die Gesangbücher in den protestantischen Gebieten sogar besser als die Bibel.

Katholiken kopieren das Erfolgsmodell Gesangbuch

Auch die Katholiken lernten die Gesangbücher recht schnell schätzen und kopierten die protestantischen Vorlagen. Besonders deutlich wird das am Babstschen Gesangbuch von 1545 und dem "Zweiten katholischen Gesangbuch" von 1567, in dem sogar Seitenlayout und Verzierungen von den Protestanten übernommen wurden. "Selbst Lieder wurden kopiert und dann bei unpassenden Stellen einfach umgedichtet", erklärt Paasch.

Wie wichtig die Bücher im damaligen Verständnis waren, zeigt der "Nordhäuser Gesangbuchstreit". "Als die damaligen Landesherren von Nordhausen 1735 ein neues Gesangbuch einführen wollten, in dem barocke Stücke durch Pietistische ersetzt wurden, führte das zu einer Auseinandersetzung, die in ganz Deutschland Wellen schlug," sagt Paasch.

Ergänzt wird die Schau durch Musikinstrumente, Kleidung und Münzen aus dieser Zeit. Selbst die sonst als reserviert geltenden Mitarbeiter der Forschungsbibliothek können sich dem Zauber der Ausstellung nicht entziehen. "Wir haben schon geplant, die Gelegenheit zu nutzen und selbst einmal ein paar Lieder hier anzustimmen", erklärt Paasch mit einem Lächeln. "Dann aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit, nach Dienstschluss."

 

Gesangbücher
Das erste volkssprachliche Gesangbuch wird auf die "Böhmischen Brüder" zurückgeführt, einer vorreformatorischen Glaubensbewegung, die 1501 das erste Gesangbuch auf Tschechisch veröffentlichte. Nach Martin Luthers Acht-Lieder-Buch verbreiteten sich die Liedersammlungen auch im deutschsprachigen Gebiet. Oft wurden Gesangbücher über Generationen vererbt und blieben so jahrzehntelang in Gebrauch.

Einige der prachtvollsten Werke entstanden im 17. Jahrhundert, wie etwa das Gesangbuch von Johann Crüger (1598-1662). Im 18. Jahrhundert wurden für jedes Territorium im heutigen Thüringen eigene Gesangbücher herausgegeben. Heute befinden sich rund 3.000 Gesangbücher und rund 1.400 zeitgenössische Abschriften und Handschriften Martin Luthers im Besitz der Forschungsbibliothek Gotha, die Einrichtung verfügt damit über eine der größten Gesangbuch-Sammlungen in Deutschland.

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