Hauptbild
„You Can Play Drums“ – Elbtonal Percussion beim Familientag im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Foto: Claudia Höhne
„You Can Play Drums“ – Elbtonal Percussion beim Familientag im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Foto: Claudia Höhne
Banner Full-Size

Anfassen und Mitmachen streng erlaubt

Untertitel
Eindrücke vom Familientag in der Hamburger Elbphilharmonie
Publikationsdatum
Body

„Die Elbphilharmonie ist für alle da“, so begrüßte Intendant Christoph Lieben-Seutter sein Publikum am großen Elbphilharmonie-Familientag. Nach knapp drei Wochen Eröffnungsprogramm vom Allerfeinsten fuhren die Rolltreppen am Sonntag, den 29.01.2017, zwölf lange Stunden für Familien mit Kindern von 0 bis jugendlich. Bereits um 9 Uhr begannen die ersten Konzerte und Workshops für Familien mit Babys und Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren. Von weit her kamen viele Gäste angereist, um den Tag, dessen Besuch offenbar ein Weihnachtsgeschenk vieler Großeltern war, mit einem Wochenendausflug nach Hamburg zu verbinden. Man erwarb die Karten für jeweils drei- bis vierstündige Zeitfenster. Anschließend kamen neue Familien mit älteren Kindern und Jugendlichen. Logistisch waren die drei Slots für die Veranstalter ein Drahtseilakt der besonderen Art, der ganz offensichtlich problemlos gelang.

Der programmatischen Vielfalt waren keine Grenzen gesetzt. Zwischen den großen Hamburger Klangkörpern wie dem NDR-Elbphilharmonie-Orchester, dem NDR-Chor und der NDR-Bigband, dem Ensemble Resonanz, internationalen Künstler/-innen und außermusikalischen Show-Acts verliehen Hamburger Musiker/-innen und Schülerensembles dem Großereignis ein besonderes Lokalkolorit. Darüber hinaus war das Programm von zahlreichen Besonderheiten gespickt: ein interaktiver Soundwalk, Workshops zum Ausprobieren von Musikinstrumenten aus aller Welt, Lesungen mit Musik sowie Hip-Hop-Performances zwischen Tanz und Musik. Neben den beiden Konzertsälen und dem extra für Musikvermittlungsprojekte konzipierten Kaispeicher wurde in und an zahlreichen zusätzlich arrangierten Lounges und Orten musiziert. Die folgenden Impressionen können nur einen Ausschnitt des Gesamtprogramms wiedergeben. Assis­tierend zur Seite standen der Verfasserin dabei zwei Mädchen; Valerie sechs und Carolin sieben Jahre alt. Ihre Schilderungen sind als Zitate abgesetzt.

„Beide Säle sind schön. Die Haut anzufassen war toll. Hinter der Bühne hat sich das Licht, als der Chor gesungen hat, wie eine ganz edle Blume gespiegelt.“

Galt das auf den Flyern befindliche Motto „Anfassen streng erlaubt!“ eigentlich dem Ausprobieren von Musikinstrumenten, fand es wohl die größte Korrespondenz bei den Hunderten kleiner und großer Hände, welche es sich nicht nehmen ließen, die Oberflächen der Wände beider Säle einmal streicheln und berühren zu wollen. Schön war es für viele, dass auch der NDR-Chor selbst aus dem Publikum zu singen begann.

„Das Mitsingen war gut, aber was ein Kanon ist, weiß doch wohl jeder. Dafür hätte der Dirigent nicht so weit herumlaufen müssen.“

Bei seinem Konzert „Klipp-Klapp“ wunderte man sich in einer Veranstaltung für Kinder ab dem Grundschulalter ein wenig über die Liedauswahl mit ausschließlich traditionellen Volks- und Wanderliedern. Auch wenn diese zeitlos und bei vielen beliebt sind, hätte man sich gerne auch den ein oder anderen musikalischen Bezug zu Stadt und Region gewünscht. Umso schöner, dass Chordirektor Philipp Ahmann selbst die Moderation übernahm und das Publikum zum Mitsingen und Mitagieren anleitete. Wie weit die Wege zwischen Bühne und Publikum wirklich sind, wurde deutlich, als er zwischen den Liedern, mit einem Mikrofon ausgestattet, ständig im Saal unterwegs war, um den Kindern zahlreiche Fragen zu Text und Musik zu stellen.

„Die Wand im kleinen Saal riecht besser. Und der Monitor ist auch gut, falls man mal nicht mehr reinkommt.“

Die vermeintlich weiße Haut im Großen Saal lud nicht nur zum Berühren ein. Viele Kinder entdeckten, dass die hölzerne Wandverkleidung im Kleinen Saal natürlicher duftete als das Gipsfaserplattenmaterial im Großen. Ebenfalls hoch begehrt war der Screen im Foyer des Kleinen Saals. Während viele Erwachsene bei einer Tasse Kaffee gemütlich plauderten, staunten viele Kinder gebannt und beobachteten von außen hoch konzentriert das Geschehen im Saal.

„Die Schlagzeuger waren toll. So schnell hat in der Elbphilharmonie bestimmt noch keiner gespielt. Schade nur, dass der eine zu spät kam.“

Perkussionsmusik vom Quartett Elbtonal Percussion hielt niemanden fest auf seinem Platz. Für einige Kinder war es jedoch offenbar unlogisch, dass Kammermusikensembles ab und an auch einmal in einer kleineren Besetzung spielen. Erst als nach einem hoch virtuosen Triostück das Quartett vollständig war, war die Welt für das junge Publikum in Ordnung. Bei Schlagwerkmusik von verschiedenen Kontinenten, vom Wiegenlied aus einem afrikanischen Land über riesige japanische Trommeln und Stomp-Percussion war für alle etwas dabei, und jeder konnte für sich ein Pattern zum Mitsingen oder Mitspielen mit Körperklängen finden. Und so waren sich am Ende nicht nur die Kinder im Saal einig: „Das Mitklatschen war richtig gut, weil man sich aussuchen konnte, was man machen wollte.“

Kurze Zeit später ging es im Großen Saal schon wieder weiter, das nächste klangliche Highlight wartete mit dem NDR-Elbphilharmonie-Orchester und Dvoráks Neunter Sinfonie. Bei vollständig gefülltem Saal fand eine Probe statt, die Dirigent Krzysztof Urbanski als solche ernst nahm. Das Orches­ter sollte proben, das Publikum hätte über das rein Klangliche hinaus jedoch gerne noch etwas mehr über die Musik erfahren und wunderte sich ein wenig über die intime Arbeitsatmosphäre. Und so hieß es bei den Kindern: „Schade, dass der Dirigent kein Deutsch konnte. Man hätte nur mal begrüßt werden wollen.“ Nichtsdes­totrotz waren alle vom Klang höchst fasziniert und freuten sich, dass das Orchester einem so nahe war.

Am Ende spazierten alle voller Eindrücke nach Hause, die sie so schnell nicht vergessen werden. Dazu trugen sicher auch noch die eigens für die verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich gestalteten Elbphilharmonie-Rucksäcke bei, die jedes Kind als Andenken mitnehmen durfte. Und so bilanzierten die Kinder: „Wenn jedes Kind einen Elbphilharmonie-Rucksack, einen -Button, ein -Schlüsselband und einen Fruchtriegel bekommen hat, müssen die ja hunderttausend Euro extra nur für die Kinder ausgegeben haben.“ Dies ist – aus tiefem Respekt – die Überschlagsrechnung einer Siebenjährigen. Man bekam am Elbphilharmonie-Familientag mehr geboten als man zu hoffen gewagt hatte – und das spürte wohl jeder noch so junge Besucher an diesem besonderen Tag. Die Frage eines etwa fünfjährigen Kindes am Morgen in der U-Bahn, das seine Mutter beim ersten Anblick des Gebäudes fragte „Gibt es da drin auch Karussells?“ lag abends wohl niemandem mehr auf der Zunge.
 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!