München/Baden-Baden (ddp-bay). Der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, hält wenig vom modernen Regietheater. «Heute wird alles immer noch drastischer», sagte Thielemann in München im ddp-Interview. «Und wenn Sie da nicht mitmachen, gelten Sie gleich als reaktionär.» Er selbst wolle sich dadurch die Lust an der Oper nicht verderben lassen. «Ich kann es nicht leiden, wenn eine Inszenierung die Musik überlagert. Das ist, wie wenn im Restaurant jemand neben mir raucht. Da vergeht mir der Appetit.»
Thielemann wird am 25., 28. und 31. Januar im Festspielhaus Baden-Baden eine Inszenierung von Richard Strauss' Meisteroper «Der Rosenkavalier» dirigieren. Dabei wird eine Inszenierung des 2002 verstorbenen Regisseurs Herbert Wernicke gezeigt, die 1995 zum 75-jährigen Bestehen der Salzburger Festspiele herauskam. In München soll die Oper am 6. Februar in der Philharmonie im Gasteig-Kulturzentrum konzertant aufgeführt werden.
Gegen eine Reanimierung der alten Wernicke-Inszenierung hat Thielemann nichts einzuwenden. «Warum soll man eine sehr schöne Inszenierung nicht noch einmal zeigen?», sagte der 49-jährige Orchesterchef, der sich selbst gerne in altdeutscher Diktion als«Kapellmeister» bezeichnet. Wernicke sei ein «großer Ästhet» gewesen, der aber auch «zupackend im Heutigen gelebt» habe. «Er kam glücklicherweise ohne diese ganzen Schockwirkungen aus, von den schrecklichen Gestapomänteln bis zu dem, was sich alles unter der Gürtellinie abspielt.»
Die Münchner Philharmoniker interpretieren den kompletten «Rosenkavalier» zum ersten Mal. An einem Opernhaus, wo die Musiker schon sehr oft den «Rosenkavalier» gespielt hätten, gebe es «gewisse Gewohnheiten, die sehr schön sein können, aber auch sehr störend», sagte Thielemann. «Meinen Leuten fehlt diese Routine, die gehen ganz frisch an das Stück heran, unverdorben. Manchmal staunen sie wie Kinder. Das ist wunderbar.»
Für den «Rosenkavalier» in Baden-Baden und München stehe ein «galaktisches» Sängerteam zur Verfügung, sagte Thielemann. Darunter sind Renée Fleming als Marschallin, Diana Damrau als Sophie und Sophie Koch als Octavian. Die Rolle der Marschallin sei besonders schwer zu besetzen, betonte Thielemann. Fleming sei ideal. Diese Partie dürfe man nicht mit einer älteren Diva besetzen. «Man braucht eine Frau, die noch jung ist, aber schon erfahren genug. Sie muss die Figur in ihrer Widersprüchlichkeit darstellen können und ihrer Lebensklugheit.»
Dem 1911 an der Dresdner Hofoper uraufgeführten «Rosenkavalier», vom Komponisten Strauss (1864-1949) als «Komödie für Musik» untertitelt, attestiert Thielemann eine deutliche Nähe zur Operette. Für das Stück brauche man «eine gewissen Leichtigkeit». «Wer mal eine Operette dirigiert hat, dem fällt das leichter. Leider gibt es diese Kapellmeisterkarrieren ja nicht mehr oft, wo man einfach alles spielen musste, was einem vor die Nase gesetzt wurde. Operette eingeschlossen.»
Thielemann dirigierte den «Rosenkavalier» während seiner Karriere schon etliche Male. An der New Yorker Met erzielte er mit diesem Werk einen sensationellen Erfolg, der seinen Durchbruch in den USA bedeutete. Der in Berlin lebende Künstler ist seit 2004 Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker. In Baden-Baden wird Thielemann zusammen mit seinem Orchester nächstes Jahr Strauss' Oper «Elektra» aufführen. Ab 2013 soll dort unter Thielemanns Leitung Richard Wagners «Ring des Nibelungen» in einer szenischen Neuinszenierung herauskommen.