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4.8.: Die Rezension: Premieren in Bayreuth

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«Siegfried» und «Götterdämmerung» +++ Premierenzyklus der Bayreuther Festspiele endet mit dem «Lohengrin»


«Siegfried» und «Götterdämmerung»
Bayreuth (ddp-bay). Nicht einmal mehr auf das Böse ist Verlass. Zumindest in der «Götterdämmerung», mit der am Freitag der letzte Teil von Richard Wagners «Ring des Nibelungen» über die Bayreuther Festspielbühne ging.

Denn selten läuft ein Hagen Gefahr, ausgerechnet von einem Gunther ausgebootet zu werden: Während Olaf Bär zur Hochform auflief, hatte Hügel-Neuling Peter Klaveness als Unheil bringender Strippenzieher das Nachsehen. Doch das war nur eines der Resultate einer Besetzungspolitik, die so manchen Wunsch offen ließ. Für die Rundungen dieses «Rings» sorgte jedenfalls Dirigent Adam Fischer - und wurde dafür gefeiert.

Auch in der zweiten Hälfte der Tetralogie verzichtete Jürgen Flimm auf gravierende Änderungen. Er ging noch einmal an die Personenregie und konzentrierte sich im «Siegfried» vor allem auf Götterboss Wotan. Nach grandiosen Auftritten in den ersten beiden «Ring»-Teilen gab ihm Alan Titus auch als Wanderer ein absolut überzeugendes Profil - vom souveränen Starauftritt in der peinsamen Quizshow des ersten Aufzugs bis hin zum verzweifelten Aufsuchen von Urmutter Erda (Simone Schröder) in den verschneiten Relikten eines Kontors. Damit war Titus der zentrale Sänger und Darsteller einer Inszenierung, die nun zum vierten Mal in Bayreuth zu sehen war.

Eindringlicher als in den Jahren zuvor gelang auch das sonst oft so langatmige Aufeinandertreffen von Siegfried und Brünnhilde. Wie die beiden zwischen Angst, Neugier und magischem Angezogensein umhertaumeln, barg faszinierende Momente. Und schließlich hatte «Siegfried» Christian Franz auf dem zum Metallbunker umfunktionierten Walkürenfelsen auch seine Intonation wieder im Griff. Zur Freude des gepeinigten Hörers baute er nach heftiger Stimm-Kraftmeierei endlich auf zarte Töne - so wie bei seinem ersten Bayreuth-Auftritt vor zwei Jahren. Auch Evelyn Herlitzius überzeugte weniger durch Brünnhilden-Power, als in den betont lyrischen Passagen ihres Parts. Als Darstellerin einer verletzlichen, später gedemütigten Walküre bot sie neben Titus die beeindruckendste Bühnenpräsenz in diesem Vierteiler.

Wäre da noch das trostlose Geschwister-Trio in der zum stählernen Büro-Komplex umfunktionierten Halle der Gibichungen. Das Dämmern der Götter wurde auf steril angegrauter Business-Ebene eingeleitet und entbehrte im langweiligen Gestänge einer Konzernzentrale jeglichen Gewichts. Gutrune (Yvonne Wiedstruck), die auf nichts anderes als die Ehe getrimmt wurde, besaß die üblich blassen Konturen. Ein zweifelnder, durch Alberich ferngesteuerter Hagen stolperte als völlig verunsicherter Zögerer und Zauderer durch die Szenen. Wären da nicht Wagners Vorgaben gewesen, hätte er vermutlich nicht einmal das getan, was er muss: nämlich morden. Dass Klaveness in der Rolle des Möchtegern-Bösewichts auch noch stimmlich baden ging, unterstrich diesen Eindruck und ließ «Gunther» Olaf Bär zum heimlichen Anführer des unglücklichen Dreierpacks werden.

Dabei gab sich Adam Fischer, der gute Mensch im Graben, wie immer höchst sängerfreundlich. Doch bei aller Konzentration auf die Stimmen gelang es ihm vor allem, sein Publikum gute 17 Stunden bei Laune zu halten. Seine Musiker lieferten eindringliche «Ring»-Momente - von der subtilen Innenschau bis zum Pathos-geladenen Wagner-Geschmetter, das auf der Bühne jedoch keine Entsprechung fand.

Christa Sigg


Premierenzyklus der Bayreuther Festspiele endet mit dem «Lohengrin»

Bayreuth (ddp). Ruhig ist es auf dem Grünen Hügel. Keine Querelen im Wagner-Clan, kein Sängergezänk. Auch ein medienwirksamer Bildersturm blieb aus. Statt dessen kam mit Claus Guths psychologisierender Neuinszenierung des «Fliegenden Holländers» ein exquisites Regie-Konzept auf die Bayreuther Bühne. Damit lieferte der 39-Jährige gleich zum Auftakt den Höhepunkt. Mit Keith Warners dunkel-romantischer Version des «Lohengrin» ging nun am Samstag der Zyklus der Eröffnungspremieren zu Ende.

Und damit ist auch schon der zweite Regisseur genannt, der eine wirkliche Deutung bietet. Warners Geschichte vom Schwanenritter steht von Anfang an im Zeichen ihres tragischen Ausgangs. Entsprechend finster geht es auf der Bühne zu, die - mehr noch als im «Holländer» - vollgepackt ist mit inhaltsschwerer Symbolik. Das funktioniert vor allem mit guten Darstellern, an denen es im «Lohengrin» nicht mangelt. Nur stimmlich blieb so manches fragwürdig.

Erhebliche Mühen hatte der neue Telramund John Wegner, der oft nur mit Sprechgesang durch die Partie kam, und auch Judith Nemeth fiel bei ihrem Debüt als Ortrud vor allem durch die Schärfe ihres Mezzos auf. Dazu klang Petra Maria Schnitzers Elsa angestrengt, und selbst \'Lohengrin\' Peter Seiffert gelangen die Höhen nicht ganz so strahlend wie im Vorjahr. Doch auch in nicht ganz optimaler Form stellt er die Kollegen seines Stimmfachs in den Schatten.

Neben Seiffert sorgte vor allem das Festspielorchester unter Andrew Davis für berührende «Lohengrin»-Momente. Da verzeiht man gerne, dass die Koordination mit Bayreuths Mega-Chören nicht immer perfekt funktionierte.

Als Obermagier unter den Klangzauberern triumphierte auch in diesem Jahr Christian Thielemann. Zu bedauern ist nur, dass er ausgerechnet in Philippe Arlauds langatmigem Design-«Tannhäuser» am Pult stehen muss.

Bleibt noch Jürgen Flimms «Ring»-Projekt, das auch im vierten Jahr mehr durch die Zeichnung einzelner Charaktere, als durch großes Welttheater überzeugte. Das spielte wenigstens im mystischen Abgrund des Orchestergrabens. Adam Fischer ging aufs Ganze, bot süffigen Wagner-Breitklang wie kammermusikalische Intimität, vergaß zwischendurch nur, das alles zu einem homogenen Ganzen zu formen.

Mehr noch blieb Marc Albrecht als «Holländer»-Dirigent hinter den hohen Erwartungen zurück. Zumal Guths feinsinniges Spiel zwischen Realität und Traumwelt im Orchester keine Entsprechung fand.

Gespannt sein darf man auf die nächsten Festspiele, die mit einer Neuinszenierung des «Parsifal» von Christoph Schlingensief beginnen. Der wird vermutlich keine Bürger schrecken; das ist schon eher von Christoph Marthaler zu erwarten, der 2005 einen neuen «Tristan» besorgt. Oder von Filmregisseur Lars von Trier mit dem nächsten «Ring» im Jahr 2006.

Weitere Pläne des bald 84-jährigen Festspielchefs liegen noch unter Verschluss. Fest steht nur, dass sich Tochter Katharina weiter in Wagner übt. Nach ihrem Würzburger Regie-Debüt mit dem «Fliegenden Holländer» wird sie 2004 in Budapest den «Lohengrin» inszenieren. Und bis zur nächsten Regie-Vergabe ihres Vaters ist noch ein wenig Zeit.

In diesem Jahr enden die Festspiele am 30. August mit dem «Tannhäuser». Der steht auch beim ersten Hügel-Besuch eines deutschen Bundeskanzlers am 18. August auf dem Programm. Begleitet wird Gerhard Schröder vom japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi, der als großer Wagner-Verehrer gilt. Und wer weiß, vielleicht steckt dieser den Kanzler mit seiner Leidenschaft an. Dann hätte Schröder wenigstens eine Gemeinsamkeit mit CDU-Chefin Angela Merkel.

Christa Sigg
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