Body
Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“.
Der Deutsche Kulturrat fordert den Gesetzgeber auf, den Referentenentwurf unmittelbar in die gesetzgeberischen Beratungen einzubringen, damit die genannte EU-Richtlinie innerhalb der von der EU-Kommission vorgegebenen Frist umgesetzt werden kann. Der Referentenentwurf berücksichtigt aus Sicht des Deutschen Kulturrates eine Reihe von wesentlichen Anliegen der Künstlerinnen und Künstler, der Kulturwirtschaft, der Kultureinrichtungen und der Verbraucherinnen und Verbraucher, soweit sie von der Umsetzung dieser EU-Richtlinie betroffen sind. Der Deutsche Kulturrat macht aber auch darauf aufmerksam, dass es darüber hinaus mehrere Anregungen zum Gesetzesentwurf gibt, die auf Grund unterschiedlicher Interessenlage der Kulturverbände nicht Gegenstand dieser Stellungnahme sind.
Als wesentlich erachtet der Deutsche Kulturrat, dass mit dem Referentenentwurf noch einmal klargestellt wird, dass im Rahmen der zugelassenen Ausnahmen vom exklusiven Vervielfältigungsrecht analoge und digitale Vervielfältigung gleich zu behandeln sind. Mit dem Referentenentwurf wird zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher die Zulässigkeit der privaten Kopie auch mit Hilfe digitaler Medien deutlich formuliert. Der Deutsche Kulturrat begrüßt diese Rechtssicherheit im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. Er ist der Auffassung, dass das bewährte System der Verwertungsgesellschaften mit ihren kollektiven Abrechnungssystemen auch im digitalen Zeitalter die beste Gewähr dafür bietet, dass
Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin jederzeit urheberrechtlich geschützte Werke für private Zwecke kopieren können,
Künstlerinnen und Künstler weiterhin die ihnen zustehenden Tantiemen erhalten,
die Kulturwirtschaft weiterhin in künstlerische Produkte investiert.
Der Deutsche Kulturrat hat bereits in der Vergangenheit zu den jetzt durch die notwendige Einarbeitung der genannten EU-Richtlinie in das deutsche Urheber-rechtsgesetz akut gewordenen Problemen Stellung bezogen:
In seiner Stellungnahme „Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informations-gesellschaft“ vom September 1998 hat der Deutsche Kulturrat verdeutlicht, dass für eine günstige Entwicklung der Informationsgesellschaft ein funktionierendes Urheberrecht unabdingbare Voraussetzung ist.
Im Schreiben des Deutschen Kulturrates an das BMJ vom 24.2.1999 wurde zum „Diskussionsentwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes“ ausführlich Stellung bezogen. Dabei wurde betont, dass eine 5. Urheber-rechts-novelle nicht nur der Umsetzung der beiden WIPO-Verträge dienen dürfe, sondern weitergehende, drin-gende Änderungen des Urheberrechtsgesetzes notwendig sind. Dies gilt unverändert, auch wenn das 5. Urheberrechtsänderungsgesetz nun primär der Umsetzung der EU-Richtlinie dient.
Wir erlauben uns, im Folgenden zu einigen Aspekten im genannten Referentenentwurf dezidiert Stellung zu nehmen. Weiter werden wir unter IV. zusätzliche Anforderungen an das „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“, die bislang im Referentenentwurf noch nicht berücksichtigt wurden, aber in denselben Themenkreis gehören, aufgreifen.
I.
Inhalte werden nur bei ausreichendem Urheber- und Leistungsschutzrechtschutz angeboten
Die Informationsgesellschaft ist auf das Angebot einer großen Menge von attraktiven Inhalten dringend angewiesen. Es reicht nicht aus, Weiterleitungskapazitäten und Netzwerke zur Verfügung zu stellen, wenn diese nicht mit Inhalten gefüllt werden. Der Kultursektor in seiner gesamten Breite und Vielschichtigkeit gehört zu den wichtigen Inhaltslieferanten der Informations- und Wissensgesellschaft. Urheber und andere Rechteinhaber werden aber nur dann Inhalte in die digitalen Netze einspeisen, wenn sie einen wirtschaftlichen Ertrag daraus erzielen können.
Das Urheber- und Leistungsschutzrecht setzt den Rahmen für diese Ertrags-erzielungs-möglichkeiten. Deshalb ist eine Verbesserung des Schutzes der Urheber und Leistungs-schutz-berechtigten unabdingbar.
II.
Eine vorsichtige Anpassung des Urheber- und Leistungsschutzrechtes an das EU-Recht ist geboten
Der Deutsche Kulturrat vertrat in seinen Stellungnahmen die Auffassung, dass es keiner grundsätzlichen Änderung des Urheberrechtsgesetzes bedarf, um den Anforderungen der Informationsgesellschaft zu genügen. Dies gilt unverändert auch nach Verabschiedung der EU-Richtlinie und der Notwendigkeit ihrer Einarbeitung in das deutsche Urheberrechtsgesetz. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass der Referentenentwurf im Prinzip dieser Maxime folgt.
Die EU-Direktive enthält allerdings einige, dem deutschen Urheberrecht in dieser Form bislang fremde Regelungen, darunter insbesondere:
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3),
Pflichten in Bezug auf technische Maßnahmen (Art. 6),
Schutz gegen Angriffe auf „Informationen für die Rechtewahrnehmung“ (Art. 7) und
Sanktionen und Unterlassungsansprüche bei Rechtsverletzungen (Art. 8).
Hier muss also „europäisches Urheberrecht“ in das deutsche Urheberrechtsgesetz eingefügt werden, wobei diese nationalen Regelungen dann richtlinienkonform auszulegen sind. Der Deutsche Kulturrat begrüßt deshalb, dass sich der Referenten-entwurf im Wortlaut eng an die EU-Richtlinie anlehnt, wie dies besonders deutlich bei dem neu einzufügenden § 19 a „Recht der öffentlichen Zugänglich-machung“ wird.
Überraschend aber ist, dass in § 15 Abs. 2 S. 2 eine neue Definition des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe eingeführt werden soll. Dies ist v.a. deshalb überraschend, weil diese Definition nur für öffentliche Wiedergaben gegenüber einem Publikum vor Ort relevant ist - die EU-Richtlinie sich mit dieser Thematik aber ausdrücklich nicht befasst (vgl. Erwägungsgründe 23 f.). Als neues Kriterium für eine öffentliche Wiedergabe soll jetzt eingeführt werden, dass die Wahrnehmbarmachung gleichzeitig erfolgt. Zu keiner Bestimmung des Urheberrechtsgesetzes gab es so viele gerichtliche Auseinandersetzungen wie zur Frage des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe. Inzwischen ist die damit zusammenhängende Gesamtproblematik durch die – auch höchstrichterliche – Rechtsprechung weitestgehend geklärt. Eine neue Definition des Öffentlich-keits-begriffs – auch wenn es nur durch Hinzufügung des einzigen Wörtchens „gleichzeitig“ geschieht – würde mit Sicherheit dazu führen, dass dieser endlich errungene Rechtsfriede nachhaltig gestört und eine neuerliche Reihe von Musterprozessen unausweichlich würde. Es ist also im Sinne des Rechtsfriedens zu wünschen, dass die Definition des Öffentlichkeitsbegriffes insoweit nicht verändert wird. Im übrigen überzeugt die Einführung des Kriteriums „Gleichzeitigkeit“ auch materiell-rechtlich nicht – geht doch die Tendenz in der Literatur zu Recht dahin, auch die sog. sukzessive Öffentlich-keit als ausreichend anzuerkennen (vgl. Fromm/Nordemann § 15 UrhG Rz. 4 a.E.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz. 419), wären doch sonst z.B. die Abspielvorrichtungen für Kunden mittels Kopfhörern in Schallplatten-geschäften nicht öffentlich. Der Deutsche Kulturrat empfiehlt jedenfalls dringend, das Wort „gleichzeitig“ in § 15 Abs. 2 S. 2 ersatzlos zu streichen.
III.
Anpassung der Schranken des Urheberrechts
Eine wichtige Stellschraube zur Weiterentwicklung des Urheberrechts ist die Anpassung der Schrankenregelungen an die sich verändernden technischen und wirtschaftlichen Umstände in der Informationsgesellschaft. Die EU-Richtlinie bietet in Art. 5 Abs. 2 und insbes. Abs. 3 eine umfangreiche „Speisekarte“ möglicher Aus-nahmen an. Der Deutsche Kulturrat betont, dass sich die Schrankenregelungen der §§ 45 ff. UrhG – nicht zuletzt durch die Auslegung, die diese Regelungen durch das Bundesverfassungsgericht erfahren haben und trotz mancher Kritikpunkte im Detail - im Großen und Ganzen bewährt haben. Sie stellen – auch hier trotz mancher berechtigter Kritik in Einzelpunkten – eine ausgewogene Balance zwischen den Interessen der Urheber, Leistungsschutzberechtigten und sonstigen Rechteinhabern einerseits und den Interessen der Nutzer andererseits dar. Die Möglichkeiten, die Art. 5 Abs. 3 der EU-Richtlinie bietet, dürfen daher nicht dazu benutzt werden, neue Ausnahmetatbestände einzuführen. Umgekehrt ist nicht zu übersehen, dass digitale Nutzungsmöglichkeiten in manchen Bereichen eine andere Qualität haben als die herkömmlichen analogen Nutzungsmöglichkeiten. Wie schon von der Enquête-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsge-sellschaft" festgestellt, sind aus diesem Grund vorsichtige Änderungen der Aus-nahmeregelungen, also Beschränkungen derselben geboten. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass der Referentenentwurf – mit wenigen Ausnahmen – nur vorsichtige Eingriffe in die bestehenden Schrankenregelungen vorsieht.
Gemäß Erwägungsgrund 36 der EU-Richtlinie kann für jede Ausnahme oder Beschränkung eines exklusiven Rechtes ein „gerechter Ausgleich“ vorgesehen werden. Nach deutscher Rechtstradition sollte es selbstverständlich sein, dass den Berechtigten für jeden Fall der Beschneidung ihrer exklusiven Nutzungsrechte, soweit dieser wirtschaftlich wesentliche Auswirkungen hat, eine angemessene Vergütung zugestanden wird.
Im Folgenden werden die Bestimmungen der §§ 45ff UrhG benannt, bei denen der Deutsche Kulturrat mit Blick auf die Umsetzung der EU-Richtlinie, aber auch auf-grund der allgemeinen technischen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Informa-tions-gesellschaft Handlungsbedarf sieht.
§ 44a (Ausnahmen vom Vervielfältigungsrecht)
Es ist richtig und konsequent, dass diese einzige, zwingend vorgeschriebene Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht (Art. 5 Abs. 1) im Abschnitt „Schranken des Urheberrechts“ behandelt wird. Auch hier ist die enge Anlehnung an den Wortlaut der Richtlinie selbst zu begrüßen.
§ 46 UrhG (Schulbuchprivileg)
Bereits 1998 hat sich der Deutsche Kulturrat dafür ausgesprochen, dass zu Bildungszwecken die Nutzung von Werken mit Hilfe neuer Technologien im Rahmen des § 46 UrhG möglich sein muss. Der Umgang mit neuen Technologien gehört heute zu den selbstverständlichen Fertigkeiten, die Schülerinnen und Schüler erlernen müssen. Voraussetzung für die zustimmungsfreie Online-Nutzung von Werken nach §46 ist aber, dass sie nur in geschlossenen Systemen zugänglich gemacht werden. Dieser Forderung wird der vorgeschlagene Abs. 1 S. 1 nicht gerecht, der eine entsprechende Nutzung nicht nur in einem geschlossenen Intranet, sondern auch im Internet zulassen würde – eine genehmigungsfreie Verwertung von Werken, die keinesfalls mehr vom Unterrichtszweck gedeckt und daher inakzeptabel ist.
Angesichts der Tatsache, dass heute oftmals auch für Bildungszwecke wichtige Werke nur noch online zugänglich gemacht werden, sollte §46 UrhG andererseits auf Werke ausgedehnt werden, die zwar nicht „erschienen“ i.S. von § 6 Abs. 2 UrhG, aber der Öffentlichkeit (z.B. im Internet) zugäng-lich sind (§ 6 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 UrhG).
§ 53 UrhG (Vervielfältigung zum privaten Gebrauch)
In seiner Stellungnahme „Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informations-gesellschaft“ hat der Deutsche Kulturrat 1998 festgestellt, dass es zur Vermeidung von Missbräuchen erforderlich ist, die in § 53 UrhG vorgesehenen großzügigen Rege-lungen in Bezug auf digitale Vervielfältigungen einzuschränken. Die neuen digitalen Techniken erlauben das problemlose und qualitativ hochwertige Kopieren („Klonen“) von Werken. Diese Kopien werden zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil eben nicht nur für den persönlichen Gebrauch genutzt, sondern auch veräußert. Es ist daher insbesondere in der Musikbranche ein zweiter grauer Markt entstanden, der zu einem beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden bei Urhebern und Leistungsschutzberech-tig-ten führt, da diese aus Raubkopien keinen wirtschaftlichen Ertrag erzielen können. Ihre wirtschaftliche Basis verringert sich dadurch beträchtlich. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, § 53 für digitale Vervielfältigungen wie folgt einzuschränken:
Ausnahmen können für Vervielfältigungen zum rein privaten Gebrauch weiterhin zulässig sein.
Nach Abwägung der Interessen der Beteiligten sollte im Hinblick auf die bestehende Rechtslage der persönliche Gebrauch eines einzelnen Wissenschaftlers auch im digitalen Umfeld privilegiert bleiben. Durch den Begriff „persönlich“ muss allerdings § 53 Abs. 2 Ziff. 1 insoweit eingeschränkt werden.
Ausnahmen können demnach auch weiterhin zugelassen werden zum persön-lichen, nicht gewerb-lichen Gebrauch eines einzelnen Wissenschaftlers, soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist.
Die vorgeschlagene Neufassung von § 53 entspricht im Wesentlichen diesen Forderungen. Zum Ausgleich für die kraft dieser gesetzlicher Lizenz gestatteten Verviel-fältigungen sollte aber in §§ 54 f. UrhG klargestellt werden, dass auch digitale Vervielfälti-gungsgeräte, also insbes. PCs sowie elektronische Speichermedien, für Vervielfältigungen im Rahmen von § 53 „bestimmt“ sind und somit der Ver-gütungspflicht unterliegen. Dies hat die Bundesregierung bereits in ihrem 2. Vergütungsbericht betont und in ihrer o.a. erwähnten Antwort auf die Große Anfrage jüngst erneut bestätigt (aaO Antwort auf Frage 56).
§ 56 UrhG (Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe durch Geschäftsbetriebe)
Die in der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates vom September 1998 geforderte Erweiterung von § 56 UrhG auf Geräte zur digitalen Datenverarbeitung (Art. 5 Abs. 3 l der EU-Richtlinie) wird im vorgeschlagenen § 56 berücksichtigt.
§ 58 UrhG (Katalogbilder)
Der Deutsche Kulturrat sieht keine Notwendigkeit, den Wortlaut von § 58 UrhG zu ändern. Es genügt, wenn seine Auslegung zukünftig im Lichte von Art. 5 Abs. 3 j der EU-Richtlinie erfolgt.
§ 61 UrhG (Zwangslizenz zur Herstellung von Tonträgern)
Der Deutsche Kulturrat hat sich schon in seiner Stellungnahme zum Diskussionsent-wurf für ein 5. Urheberrechtsänderungsgesetz im Februar 1999 gegen die ersatzlose Streichung von § 61 UrhG ausgesprochen und ausführlich die kulturpolitische Bedeutung dieser Regelung dargestellt. Die seinerzeit für diesen Vorschlag gegebene Begründung, es bedürfe der Zwangslizenz zur Tonträgerherstellung nicht, da die entsprechenden Rechte ohnehin von der GEMA wahrgenommen würden und daher der Abschlusszwang nach § 11 WahrnG greife, überzeugte nicht. Richtig ist vielmehr umgekehrt, dass gerade weil die Zwangslizenz des § 61 „droht“, sämtliche entsprechenden Rechte in die Verwertungsgesellschaft eingebracht werden. Gerade heute, wo der Tonträgermarkt von einigen wenigen, international agierenden Konzernen beherrscht wird, besteht ohne eine solche Regelung die Gefahr einer Monopolisierung gewisser Musikstücke. Im Interesse der Aufrechterhaltung einer vielfältigen Kulturlandschaft auch auf dem Tonträgermarkt muss § 61 UrhG gewissermaßen als Auffangtatbestand gegenüber der derzeit praktizierten Wahrnehmung dieser Rechte durch eine Verwertungsgesellschaft aufrechterhalten werden. Diese Argumente gelten unverändert weiter.
Auch die jetzt für die Streichung gegebene Begründung, für eine derartige Schranke biete die Richtlinie „keine ausreichende Grundlage“, vermag nicht zu überzeugen. § 61 UrhG konstituiert keine gesetzliche Lizenz, sondern im Rahmen einer Zwangslizenz lediglich einen Anspruch auf Erlaubniserteilung. Ähnlich wie die Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit (vgl. z.B. Art. 9 Abs. 1 der EU-Richtlinie 93/83 zu Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung) stellt auch die Zwangslizenz keine Ausnahme oder Beschränkung i.S. von Art. 5 dar, sondern regelt nur die Ausübung des exklusiven Rechts. Insoweit war die Platzierung von § 61 im 6. Abschnitt unter der Überschrift „Schranken des Urheberrechts“ schon jetzt irreführend. Der Deutsche Kulturrat empfiehlt, die Regelungsgrundsätze des § 61 beizubehalten, ggfs. an dogmatisch-richtiger Stelle (z.B. als § 44a).
§§ 62 und 63 UrhG (Änderungsverbot und Quellenangabe)
Der Deutsche Kulturrat hat schon 1998 betont, dass die Bestimmungen der genannten Paragraphen gerade auch für digitale Nutzungen Gültigkeit behalten müssen und begrüßt daher, dass diese Bestimmungen nicht angetastet werden.
IV.
Leistungsschutzrechte ausübender Künstler
§ 78 Öffentliche Wiedergabe
Der Deutsche Kulturrat vertritt die Auffassung, dass auch die den ausübenden Künstlern zugestandenen Vergütungsansprüche für die Sendung und die öffentliche Wiedergabe erschienener Ton- oder Bildtonträger, die bisher in §§ 76 Abs. 2, 77 geregelt waren, als im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtretbar ausgestaltet sind. Dies entspricht der Intention des ab 1. Juli 2002 geltenden „Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stärkung von Urhebern und ausübenden Künstlern“, das für die Vergütungsansprüche der Urheber diese Regelung vorsieht, den entsprechenden Mechanismus aber bei den Ansprüchen der ausübenden Künstler irrtümlich unterlassen hat.
§ 80 (Gemeinsame Darbietungen mehrerer ausübender Künstler)
Die bestehende gesetzliche Regelung bietet mehr Rechtssicherheit als die im Referentenentwurf angeführte rechtsgeschäftliche Lösung. Bislang ist es so, dass die Klangkörpervertreter als Ermächtigte per Gesetz handeln können. Diese Lösung hat sich in der Praxis bewährt und bedarf daher keiner Anpassung.
§ 95 a (Schutz technischer Maßnahmen)
Der neu eingefügte § 95 a Schutz technischer Maßnahmen spricht einen der wichtigsten Aspekte des Urheberrechts im digitalen Zeitalter an. Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt, bieten die digitalen Medien die Möglichkeit, ohne Qualitätsverlust Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken herzustellen. Abgesehen von der weiterhin gestatteten privaten Kopie ist so ein großer “Grau- oder Schwarzmarkt“ mit urheberrechtlich geschützten Werken entstanden. Es erwachsen hieraus große wirtschaftliche Verluste, die letztlich die Entwicklung des kulturellen Lebens beschränken. In § 95a wird der Schutz durch technische Maßnahmen rechtlich verankert und der Verstoß gegen diese Maßnahmen sanktioniert. Der Deutsche Kulturrat schlägt vor, ergänzend zur vorgelegten Regelung in der Gesetzesbegründung explizit auf die online-Zugänglichmachung einzugehen, die in der Praxis die größte Relevanz hat.
§ 95 b (Durchsetzung von Schrankenbestimmungen)
Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass nicht schon in diesem Gesetzesentwurf die Vorgaben von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie umgesetzt werden sollen, weil diese Fragen „weiterer Prüfung“ bedürften. Der Referentenentwurf übersieht dabei offensichtlich, dass gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung von Schrankenbestimmungen zugunsten von Nutzern zwar für die private Überspielung im Audio und audiovisuellen Bereich fakultativ sind (Art. 6 Abs. 4 zweiter Unterabschnitt), für die private Reprographie jedoch zwingend vorgeschrieben sind (Art. 6 Abs. 4 erster Unterabschnitt). Jedenfalls bezüglich der Reprographie muss daher in § 95b Abs. 1 auch § 53 Abs. 1 aufgenommen werden.
§ 108 (Unerlaubte Eingriffe in verwandte Schutzrechte)
Der Deutsche Kulturrat macht darauf aufmerksam, dass die Strafbewehrung bei Verletzungen der den ausübenden Künstlern zustehenden Rechten offensichtlich unvollständig ist. So soll eine Verletzung des Rechts der Zugänglichmachung (§78 Abs. 1 Nr. 1) offensichtlich nicht strafbewehrt sein. Denn § 108 Abs. Nr. 4 verweist lediglich auf § 78 Abs. 1 Nr. und 3, lässt also gerade das neue Recht der Zugänglichmachung ohne Schutz. Da eine entsprechende Begründung fehlt, handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen. Wir schlagen deshalb vor, im neu gefassten § 108 im Verweis auf § 78 Abs. 1 „Nr. 2 und 3“ zu streichen.
V.
Den Vorgaben der EU-Richtlinie folgend hat der Gesetzgeber auch Formulierungs-vorschläge zur Änderung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes unterbreitet. In den bereits aufgeführten vorherigen Stellungnahmen hat der Deutsche Kulturrat zu den nach seiner Auffassung erforderlichen Änderungen des Urheberrechtswahr-nehmungsgesetzes bereits Stellung bezogen.
§ 11 (Abschlusszwang)
Der Deutsche Kulturrat begrüßt die vorgesehenen Ergänzungen des § 11 UrhWG. Seines Erachtens sind aber darüber hinaus dringend materielle Änderungen dieses Gesetzes geboten. So beschränkt sich die Hinterlegungsregel in § 11 Abs. 2 WahrnG bisher auf ausschließliche Rechte. Um zahlungsunwilligen Schuldnern für ihre Haltung keine weiteren Anreize zu gewähren, sollte diese Regelung dringend auch auf gesetz-liche Lizenzen und Vergütungsansprüche ausgedehnt werden.
VI.
Zusätzliche Anforderungen an das „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Ergänzungs- und Änderungsvorschlagen zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ erinnert der Deutsche Kulturrat daran, dass im Zuge dieser Urheberrechtsnovelle weitere dringend gebotene Änderungen im Urheberrecht auf den Weg gebracht werden müssen.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie müssen viel-mehr auch die Punkte des Urheberrechtsgesetzes revidiert werden, die längst einer Revision be-dürfen. Die Bundesregierung selbst hat in den beiden sog. Vergütungs-berichten von 1989 und 2000 einige Regelungen des geltenden Urheberrechtsgesetzes herausge-griffen, die einer Änderung, d.h. einer Verbesserung bedürfen.
Dabei geht es vordringlich um folgende Bereiche, die hier nur noch stichwortartig aufge-zählt werden, da sie in den bereits genannten, früheren Stellungnahmen des Deut-schen Kulturrates ausführlich dargestellt sind:
Die vom Deutschen Kulturrat bereits 1998 angesprochene verstärkte Nutzung elektronischer Pressespiegel hat in der Praxis weiter zugenommen. Elektronische Pressespiegel bieten die Möglichkeit, sehr schnell die entsprechenden Informationen bereit zu stellen. Der Deutsche Kulturrat bekräftigt daher seine Forderung, in § 49 UrhG klarzustellen, dass auch elektronische Pressespiegel privilegiert sind, wie dies auch schon der Diskussionsentwurf für ein 5. Urheber-rechtsänderungsgesetz vorsah. Art. 5 Abs. 3 c) der Richtlinie lässt ausdrücklich auch die „Zugänglichmachung“ der betr. Artikel zu. Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass die Umsetzung der Richtlinie nicht zum Anlass genommen werden soll, um in § 49 UrhG abschließend das Recht der elektronischen Pressespiegel zu regeln.
Die in der Anlage zu § 54 d UrhG festgeschriebenen Vergütungssätze sind seit 1985 unverändert. In beiden Vergütungsberichten der Bundesregierung wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Tarife dringend angehoben werden müssen. Zuletzt hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine große Anfrage am 27.9.2001 erneut darauf hingewiesen, dass diese Vergütungssätze seit 1985 nicht erhöht worden sind und es nicht einmal einen „Inflationsausgleich“ gab (BT-Drucks. 14/6993 S. 34, Frage 54).
Bei Urheberrechtsverletzungen hat der Verletzer nach derzeit geltender Regelung in Deutschland nur die übliche Lizenzgebühr zu bezahlen, die er auch bei ent-sprechend ordnungsgemäßem Erwerb der Rechte zu bezahlen gehabt hätte. Das deutsche Urheberechtsgesetz sollte – ausländischen Beispielen folgend – jedenfalls bei vorsätzlichen Urheberrechtsrechtsverletzungen mindestens die doppelte Lizenzgebühr als Schadensersatz zum Regelfall machen. Dies legt auch Erwägungsgrund 58 der EU-Richtlinie nahe, der „wirksame Sanktionen“ bei Rechtsverletzungen fordert.
Diese und die weiteren geforder-ten dringenden Änderungen müssen jetzt durchgeführt werden. Den Urhebern, Leistungsschutzberechtigten und sonstigen Rechteinhabern ist ein weiteres Zuwarten etwa auf eine nächste Urheberrechtsnovelle nicht mehr zuzumuten.