Hauptrubrik
Banner Full-Size

Von zehn Bratschen sind zwei bis drei Spitzenprodukte - Erfurter Geigenbauer Wilhelm Brückner feiert 80. Geburtstag

Publikationsdatum
Body

Erfurt - Der wahrscheinlich älteste noch tätige Geigenbaumeister Thüringens wird am Sonntag 80 Jahre alt. "Die Arbeit hält mich jung", sagt Wilhelm Brückner. Ans Aufhören denke er noch nicht. Immer noch steht der Senior täglich vier bis fünf Stunden neben der Tochter und dem Enkel in der Werkstatt. Rund 300 Musikinstrumente hat der Erfurter in 52 Arbeitsjahren gebaut.

 

Ganz behutsam streicht Wilhelm Brückner über das alte Holz. Den Bergahorn hatte bereits sein Großvater Wilhelm August vor etwa 100 Jahren besorgt und auf dem Dachboden der Geigenbauer-Werkstatt in der Erfurter Regierungsstraße gelagert. Jetzt wird sein Enkel Wilhelm aus dem alten Holz eine neue Geige bauen. 333 Instrumente hat Brückner in 66 Arbeitsjahren geschaffen und in die ganze Welt verkauft. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht. "Die Arbeit hält mich jung", sagt Brückner, der am Sonntag 80 Jahre alt wird.

Eigentlich könnte sich Brückner beruhigt zurücklehnen. Tochter Ruth führt das Geschäft seit Jahren hervorragend. Der 30-jährige Enkel Christoph ist auch mit eingestiegen und ist die mittlerweile fünfte Generation der Brückner-Geigenbauer. Die Werkstatt hat wegen ihrer Qualitätsarbeit international einen hervorragenden Ruf unter Musikern und fürchtet die Billigkonkurrenz aus Fernost nicht. Trotzdem hält der Senior im Hintergrund die Fäden fest in der Hand. "Ich muss immer reinreden", sagt er verschmitzt. Tochter und Enkel akzeptieren das. "Wir profitieren von seiner großen Erfahrung", sagt Ruth Brückner.

Vor genau 115 Jahren hatte Großvater August seine erste Werkstatt in Erfurt eröffnet. Seitdem hat sich an der Arbeitsweise, den Werkzeugen und der Einrichtung wenig verändert. Fünf bis sechs Wochen dauert es, bis aus Ahorn, Fichte und Ebenholz eine Geige, eine Bratsche oder ein Cello entstanden ist. Um den perfekten Klang zu erzeugen, werden hauchdünne Schichten vom Holz abgehobelt. "Ist die Wölbung zu dick, klingt es eintönig, mit wenig Strahlkraft", sagt der Meister.

Brückner hat eigene Bratsche entworfen
"Es ist für mich jedes Mal eine Überraschung, wie mein Instrument klingt." Von zehn Bratschen gelingen ihm zwei bis drei Spitzenprodukte. Vor 40 Jahren hat Brückner eine eigene Bratsche entworfen. Wegen des volleren Klanges ist sie im oberen und im unteren Teil viel breiter als andere Instrumente. Auch heute noch experimentiert er gern mit Größe und Breite, um mehr Schwingungen im Inneren zu erzeugen.

Von den meisten seiner Bratschen, Geigen und Celli weiß Brückner, wo sie gespielt werden. In Sinfonieorchestern in New York, Moskau, Peking und Seoul, an der Londoner Academy of St. Martin in the Fields und in den meisten deutschen Opernhäusern erklingen Brückner-Instrumente. Besonders stolz ist der Senior, dass der erste Solo-Bratschist in Bayreuth auf dem ersten Instrument seines Enkels Christoph spielt. Im Orchester von Andre Rieu kommen sieben von Tochter Ruth gebaute Bratschen sowie drei Geigen und ein Cello von Wilhelm Brückner zum Einsatz. Rund 600 Instrumente sind in der Werkstatt in den vergangenen 115 Jahren entstanden. Weitere 10.000 wurden repariert.

Die Situation für die Geigenbauerzunft ist in den vergangenen Jahren schlechter geworden. Die Zahl der Geigenbauerbetriebe nahm kontinuierlich zu, während die Nachfrage nach Instrumenten aufgrund des Orchestersterbens abnahm. Knapp 300 Mitglieder hat der Verband Deutscher Geigenbauer, mindestens 50 weitere nicht organisierte Geigenbauer kommen hinzu. Die Musikschulen haben zwar immer mehr Schüler, sie nutzen aber billigere Schülerinstrumente, die kostengünstiger im Ausland produziert werden. Trotzdem macht sich das Trio um die Zukunft seiner Werkstatt keine Sorgen. "Spitzeninstrumente sind immer noch gefragt", sagt die Chefin. Gegen die Konkurrenz könnten sie sich gut durchsetzen.

Vier bis fünf Stunden arbeitet Brückner Senior täglich in der kleinen Werkstatt im Erdgeschoss. Ganz selbstverständlich darf er noch immer den größten Werkstatttisch beanspruchen. Zum Geburtstag hat er endlich das große Cello fertiggestellt, an dem er vier Jahre gearbeitet hat.

Ort