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Musik ohne Spaß und Spiel – das geht gar nicht! © Steffen Trekel

Musik ohne Spaß und Spiel – das geht gar nicht! © Steffen Trekel.

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Das Jahr der Mandoline in der nmz (Teil 8): Nachwuchsfragen

Vorspann / Teaser

Nachwuchs fehlt allerorten – in der Gastronomie kann man es im Moment besonders beobachten, auch in der Alten- und Krankenpflege. Vereine lösen sich auf, Kultureinrichtungen klagen über geringe aktive wie passive Beteiligung. Wir leben nicht mehr in Zeiten, in denen es zum „guten Ton“ gehörte, ein Musikinstrument zu spielen. Auch die ohnehin nicht allzu bekannte Mandoline und ihre kleine Szene müssen sich diesem Phänomen stellen. Resignation ist aber in Mandolinenkreisen nicht wirklich zu spüren. Mit aufsuchenden Konzepten kämpft man um jeden Schüler und lässt das Instrument des Jahres fröhlich erklingen. Dabei ist das Instrument durchaus nicht nur für kleine Finger geeignet.

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„Heide, weißt du, was ein Fagott ist?“ Frau Helbing hatte umgehend zum Telefon gegriffen und ihre Freundin angerufen. „Ein Blasinstrument“ sagte Heide, ohne zu überlegen. „So was wie eine Trompete?“ fragte Frau Helbing. „Nein. Es sieht eher aus wie …“ Jetzt mußte Heide doch nachdenken. „Wie ein Fallrohr. Weißt du, die Kupferdinger, die man am Haus hat, um das Regenwasser abzuleiten. Und da steckt noch an der Seite ein silberner Strohhalm drin.“ Frau Helbing blieb stumm. Sie versuchte sich ein Bild von dem Fagott zu machen. „Wie kommst du denn darauf?“ fragte Heide in die Stille hinein. „Über mir ist einer eingezogen, der so ein Fagott spielt. Ich wollte ja nur mal fragen. Ich kenne mich mit Instrumenten nicht so aus. Ist so ein Fagott laut? Und wie klingt das überhaupt?“ – „Schwer zu sagen. Kannst du dir das Geräusch einer großen leeren Blechdose vorstellen, die auf einer Waschmaschine steht, welche wiederum mit eintausend Umdrehungen schleudert?“ Frau Helbing versuchte, sich ein solches Geräusch vorzustellen und selbiges mit einem Fallrohr in Verbindung zu bringen. Es gelang ihr nicht. (Eberhard Michaely: Frau Helbing und der tote Fagottist. Der erste Fall. Oktopus/Kampa Verlag 2021, ISBN 978-3-311-30008-3)

Nun ist die ehemalige Fleischereifachverkäuferin (und Krimifigur) Helbing sicher nicht der Maßstab aller Dinge und in kulturellen Dingen ziemlich wenig beschlagen. Aber eine Geige, ein Klavier, eine Trompete und eine Harfe würde sie wohl sicher erkennen und unterscheiden können. Auch für sie ist die Aktion „Instrument des Jahres“ der Landesmusikräte sicher mit gedacht gewesen. In der Wikipedia wird beschrieben, dass die Musikräte in dem Projekt „mit einem Aktionsprogramm ein breites Interesse für ein Instrument und seine Bedeutung wecken wollen. Dabei stehen insbesondere Instrumente im Mittelpunkt, die mehr Beachtung verdienen oder bei denen es sich schwieriger gestaltet, musikalischen Nachwuchs zu finden“.

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    Kachel zum Jahr der Mandoline.

    nmz-Serie: Das Jahr der Mandoline 2023 von Ralf-Thomas Lindner.

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    Die allermeisten Musikinstrumente, die in diesem Programm seit 2008 vorgestellt und berücksichtigt worden sind, darf man wohl getrost als mehr oder weniger „allgemein bekannt“ voraussetzen: z. B. Gitarre, Trompete, Geige und Saxophon. Bei einer kleinen und nicht repräsentativen Umfrage stutzten die Befragten ein wenig bei der Oboe und dem Fagott und ein wenig mehr bei dem Instrument des Jahres 2023, der Mandoline. Eine Binsenweisheit: für ein Instrument, das man nicht (gut) kennt, kann man auch kein Interesse entwickeln, gar es zu spielen erlernen wollen. Darf man daraus messerscharf schließen, dass ein weniger bekanntes Instrument – wie etwa die Mandoline – über kurz oder lang zum Aussterben verdammt ist? Mitnichten!

    Nun gibt es in Deutschland und weltweit nur eine einzige Professur für die Mandoline, Caterina Lichtenberg in Wuppertal. Sie erzählt sehr offen, wie man als Mandolinist – obwohl die Gruppe der Profis auf diesem Instrument sehr überschaubar ist – seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Frühzeitig müsse man sich darum kümmern, Mucken zu spielen, Auftritte zu haben, Konzerte zu geben und aus den dort entstandenen Kontakten Netzwerke aufzubauen. Wirklich nur von den Einkünften aus diesem konzertanten Bereich leben zu können, ist aber eher selten. Avi Avital und Alon Sariel etwa haben diesen Sprung geschafft. Für alle anderen sei es die große Aufgabe zu unterrichten und die Mandoline in die Welt zu tragen. Dabei seien diese Mandolinisten nicht nur als Lehrer für die Mandoline unterwegs, sondern selbst mit ihren Instrumenten die Werbefläche, die Werbebotschaft und das Vorbild.

    Das „Jahr der Mandoline“ hat bisher schon etwas gebracht, wissen zahlreiche Mandolinisten zu berichten. In erster Linie zeigten sich plötzlich vielerlei Pressevertreter interessiert, die die Aktion der Musikräte journalistisch begleiten wollten. Das schafft eine gewisse Breitenwirkung. Das ein neuer Interessent wegen dieses Mandolinenjahres mit dem Spiel der Mandoline begonnen habe, davon weiß derzeit noch niemand wirklich zu berichten. Aber durch die vielen Veranstaltungen, die allüberall die Mandoline zum Klingen bringen, kämen schon Menschen direkt nach den Konzerten auf die Dirigenten zu und fragten, wo man Mandoline lernen könne und wie das ginge und was das denn koste usw. Immer wieder tauchten dabei auch Mandolinisten auf, die früher mal Mandoline gespielt hätten und damit wieder anfangen mögen. Inwieweit diese Neuzugänge nachhaltig der Mandolinenwelt erhalten bleiben, das muss die Zeit zeigen.

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      So viele – und es werden immer mehr. © Steffen Trekel

      So viele – und es werden immer mehr. © Steffen Trekel

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      „… man muss um jeden Schüler kämpfen …“

      Der Mandolinist Steffen Trekel weiß, dass es eine „mühselige“ Arbeit ist, Kinder dazu zu bringen, das Mandolinenspiel zu erlernen: „man muss um jeden Schüler kämpfen“. Kein Kind kommt von selbst und fragt nach diesem Instrument. Dazu ist es eben doch noch immer zu unbekannt. Jeden neuen Schüler muss man suchen, durch Kontakte in der Musikalischen Früherziehung, in Kindergärten und durch wie auch immer geartete Werbung. Natürlich ist es – neben dem Bekanntheitsgrad des Instrumentes – reine Geschmackssache, welches Instrument sich ein Schüler aussucht. Die Mandoline ein aber ein Instrument, dass gut zu Kindern passt: sie ist handlich, nicht zu schwer und fühlt sich gut an. Man legt sie einfach direkt an den Körper und spürt sehr direkt die Schwingungen, die von ihr ausgehen, dabei wird sie direkt ohne weitere Hilfsmittel, wie etwa einen Bogen, angespielt. Ihr heller und silbriger Klang ist der kindlichen Stimme sehr ähnlich und eignet sich gut dazu, den eigenen Gesang zu begleiten. Dabei ist sie ein sehr intimes Instrument und es macht Freude, ihrem Klang zu lauschen.

      Wenn sich ein Kind dann für die Mandoline entschieden hat, kommt immer wieder eine zweite nicht zu unterschätzende und gewichtige Stimme ins Spiel: die Eltern. Was sie selbst nicht kennen (also z. B. Klavier, Violine) hat es schwer. Auch Eltern müssen also gelegentlich überzeugt werden, sonst verliert man ganz schnell einen gerade neu geborenen Fan. Hier hat die Pressearbeit im Jahr der Mandoline sicher den wichtigen Bekanntheitsgrad des Instrumentes schon ein wenig angehoben. Das ist gut und wichtig.

      Für Trekel, der seit 2005 Landesmusikleiter im Landesverband Nord des Bundes Deutscher Zupfmusiker und seit 2013 Bundesmusikleiter des Bundes Deutscher Zupfmusiker ist, ist die Nachhaltigkeit seiner Arbeit von großer Bedeutung. Im Ortsteil Langenhorn im Hamburger Norden arbeitet Trekel gemeinsam mit dem Verein „Norddeutsches Zupforchester“ seit etwa 10 Jahren an einer Mandolinenausbildung für Kinder und Jugendliche, die diese „Nachhaltigkeit“ besonders im Blick hat. Hatte Trekel schon in den Jahren zuvor in einer Musikschule an dieser Idee gearbeitet, so gestaltet er diese musikalische und pädagogische Basisarbeit nun regelmäßig an einer allgemeinbildenden Grundschule – einmal wöchentlich in der Mittagspause und im Nachmittagsbereich.

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        Aufmerksamkeit beim Unterricht. © Steffen Trekel

        Aufmerksamkeit beim Unterricht. © Steffen Trekel

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        Pro Jahrgang werden zwei Gruppen für jeweils 15 Kinder aus den zweiten Schulklassen angeboten. Mittlerweile ist das Projekt aber so bekannt, dass sich zum Beispiel im letzten 75 Kinder auf diese Plätze beworben haben. Stolz bemerkt Trekel: „Es hat sich herumgesprochen, dass wir etwas Tolles machen“. Wer in diese Zupferklasse hineinmöchte muss sich verpflichten, bis zum Ende der Grundschule – also drei Jahre – dabei zu bleiben. Am Anfang ist der Unterricht so gestaltet, dass jedes Lied, das die Kinder lernen zuerst auf dem einen und dann auf dem anderen Instrument gespielt wird. Dadurch bekommen die Kinder ein Gefühl für beide Instrumente – gerade auch für den Unterschied zwischen den beiden. Nach etwa zwei Monaten müssen sich die Kinder dann entscheiden, welches Instrument – und dann nur noch dieses eine – sie weiter erlernen wollen. Am Anfang war die Aufteilung 60:40 für die Gitarre, heute ist es mit 50:50 ausgeglichen. Die Entscheidung treffen die Kinder dabei im Unterricht – unvermutet und ohne Eingriffe durch die Eltern.

        Durch die vereinsbasierte Arbeit können alle Kinder, die in die Zupferklassen kommen möchten, auch tatsächlich an dieser Ausbildung teilnehmen. Die Instrumente und alles, was sonst noch benötigt wird, werden vom Verein zur Verfügung gestellt. Anfangs wird nur in der Klasse gespielt, nach einigen Monaten bekommen die Kinder aber auch Leihinstrumente mit nach Hause, denn, so Trekel, „ganz ohne Üben geht es nicht“. Der Verein verfügt heute über ungefähr 120 Instrumente, 55 Mandolinen und 65 Gitarren.

        Vor acht Jahren entstand aus dieser Arbeit das Orchester NZO-Youngsters, das seit diesem Jahr (es kommen ja immer mehr neue Schüler nach) in die Gruppen Kids und Teens getrennt wurde. Dieses gemeinsame Musizieren ist für Trekel von ungeheurer sozialer Bedeutung. Obwohl er seit vielen Jahren ein gefragter Solo-Mandolinist ist, liebt er es bis heute, „Teil eines großen Ganzen zu sein“. Wenn die Kinder dann die Grundschule verlassen und zu den weiterführenden Schulen gehen, bietet das NZO für diese Kinder in erster Linie weiterhin diese Orchesterarbeit an. Das gemeinsame Musizieren ist als sozialer Faktor zunächst (!) einmal wichtiger als die individuelle Weiterentwicklung der einzelnen Spieler. Zwei Schüler, die diesen Weg zur Mandoline gegangen sind, sind bereits im Erwachsenenorchester des NZO angekommen. Trekel will aber nicht einzelne Schüler in das Erwachsenenorchester übernehmen, denn für diese jungen Leute „ist jemand mit 30 Jahren ja schon ein alter Mann“. Das kann schnell dazu führen, dass die Jüngeren die Lust verlieren, weil sie nicht den rechten Anschluss finden. Im Moment bereitet Trekel daher eine ganze Gruppe von Jugendlichen darauf vor gemeinsam ins Erwachsenenorchester einzutreten, und im nächsten Jahr dann wieder eine neue Gruppe und im übernächsten wieder …..

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