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„Preisgekrönt – und was dann?“, so lautet eine immer wieder gestellte Frage in bezug auf Musikwettbewerbe. Gemeint ist, daß auch nach dem Gewinn eines international renommierten Wettbewerbs heute keine Garantie mehr für eine auch nur einigermaßen erfolgreiche Karriere gegeben werden kann. Es scheint, als ob sich hier gleich mehrere Katzen in den Schwanz bissen. Beobachtungen, die ich beim Klavierwettbewerb „Vianna da Motta“ in Macau, insbesondere bei der Bestimmung des ersten Preisträgers machen konnte, bestätigten erneut das immer wieder kritisch Wahrgenommene.
Im Grunde kamen zwei Pianisten in Frage: der eine noch recht jung, hochtalentiert, technisch versiert, aber auch von dem „Material“, das leicht verheizbar sein könnte; der andere weit älter, interpretatorisch eigenständig bis hin zu kaum verantwortbaren Eigenwilligenkeiten – eine Künstlerpersönlichkeit, die ihren Standort für sich schon festlegte.
Die Jury war sich uneins, letzlich entschied man sich für das junge Talent. Freilich muß man sich fragen, was eine solche Entscheidungsfindung beeinflußte. Neben persönlichem Geschmack, neben dem außerhalb des Parketts ausgetragenen Wettkampf von Schulen, darf wohl auch angenommen werden, daß – besonders bei den maßgeblich für diesen Wettbewerb Verantwortlichen – Sicherheitsüberlegungen mit im Spiele waren. Ein Preisträger wird nach dem Wettbewerb ins Offene geschickt, er bekommt Auftrittsmöglichkeiten an namhaften Orten. Dort möchte man sich nicht blamieren. So setzt man auf Sicherheit – oder zumindest auf Positionen, deren eventuelles Scheitern als nicht voraussehbar entschuldigt werden kann.
Diese Kriterien der Auswahl aber, ihre Bestimmung vom Gesichtspunkt des Spektakulären, beeinflussen dann wieder die Ausbildung und letztlich den ganzen Musikbetrieb. Die Wettbewerbe erzeugen ihre ganz eigene Sieger-Physiognomie. Und in ihr spiegelt sich keineswegs die Palette des kreativen Tuns – wohl nicht einmal die interessanteste Farbe.
Der Künstler aus der Retorte? Ganz so ist es Gott sei Dank noch nicht, denn das kritische Kunsterleben ist zumindest noch in Ansätzen intakt. Dennoch kann man schon heute unschwer Typologien bestimmen – sowohl unter den Interpreten, wie unter den Komponisten –, die für den Gewinn von Wettbewerben prädestiniert sind. Eine differenziert sauber geschriebene Partitur, ein forsch nach außen gewandtes Auftreten beim Spiel überkompensieren nicht selten die künstlerischen Mängel.
Und leider mögen es manche Lehrer als Erfüllung ihrer Aufgabe ansehen, wenn sie den Meister-Schüler die Attribute gelehrt haben, die das Erringen eines Preises gewährleistet. Nicht die Ausbildung eines Individuums steht im Mittelpunkt, sondern die Anpassung an Kriterien, die der Wettbewerbs-Kreislauf selbst erzeugt. Die inflationäre Vermehrung von Wettbewerben läßt es auch zu, daß dieses „Ausbildungsziel“ auch mit profunder Aussicht auf Erfolg anzustreben ist. Damit aber werden die Sieger zum zweiten Mal